Effektivität einer den Placebo-Effekt verstärkenden Intervention als zusätzliche Maßnahme für stationär behandelte Patienten mit unipolarer depressiver Störung: Eine randomisierte Kontrollstudie

Hintergrund: Placebo- (PE) und Nocebo-Effekt (NE) von Interventionen spielen auch in der Therapie von psychischen Störungen eine große Rolle. In der Behandlung von chronischen Schmerzen wird gerade die Effektivität von PE-verstärkenden (PE+) und NE-abschwächenden (NE–)-Maßnahmen erforscht. Der Effekt von PE+/NE– auf die Behandlung von unipolaren Depressionen ist bisher noch nicht kontrolliert untersucht worden. Methode: 4-wöchige Prä-Post-Parallelgruppenstudie mit unipolar depressiven stationär behandlungsbedürftigen Patienten (F32.1, F33.1, F32.2, F33.2), die randomisiert einer Kontrollgruppe (KG) und Experimentalgruppe (EG = Standardbehandlung plus wöchentliche Gruppenintervention für PE+/NE–) zugewiesen wurden. Der primäre Endpunkt war das Beck-Depressions-Inventar II (BDI-II, Selbstrating). Sekundäre Endpunkte waren die beiden Fremdratings Hamilton Depression Rating Scale (HAMD) und Global Clinical Impression (CGI-S) sowie die Selbstratings Snaith-Hamilton Pleasure Scale (SHAPS-D, misst Anhedonie) und der Fragebogen zum Wohlbefinden (WHO-5). Die Erwartungen der Patienten bezüglich der Wirksamkeit der Antidepressiva wurden über den Fragebogen zu den Erwartungen an die Medikation (FEM) eingeschätzt. Neben deskriptiven Verfahren wurden die Ergebnisse der intention-to-treat Population (N = 43) über eine frequentistische und bayessche zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholungen ausgewertet. Ergebnisse: Sowohl EG (n = 23, Alter = 46.35, weiblich = 60.90%) als auch KG (n = 20, Alter = 42.05, weiblich = 30%) besserten sich bis zum Studienende in allen Endpunkten signifikant mit mindestens mäßigen Effekten (g* ≥ 0.37). Dabei war die EG der KG am Studienende im BDI-II mit großem Effekt signifikant überlegen (g* = -1.01, p = 0.002, NNT = 4), gestützt durch sehr starke Evidenz laut Bayes-Faktor (BF = 41.79). In den sekundären Endpunkten war die Überlegenheit der EG gegenüber der KG am Studienende ebenfalls mindestens groß (g* ≥ 0.78, BF ≥ 7.84). Die Besserung im BDI-II, HAMD, CGI-S, SHAPS-D und WHO-5 trat in der EG früher als in der KG ein (Interaktionseffekt: p ≤ 0.004, BF ≥ 2.56). Im FEM war die Wirkerwartung an die Antidepressiva für Größe und Sicherheit bei den Patienten der EG größer als bei den Patienten der KG (p < 0.001, g* ≥ 1.44, BF ≥ 1635). Drop-outs: 1 bzw. 2 Patient(en) in der EG bzw. KG. Diskussion: Laut BDI-II war die EG der KG überlegen – jedoch war die Evidenz für den vermuteten Interaktionseffekt laut Bayes-Faktoren im Vergleich zum HAMD und CGI schwächer. Dies könnte auf eine Verzerrung durch einen Untersuchereffekt hinweisen, denn die Erwartung des nicht verblindeten Untersuchers dürfte Selbstratings wie den BDI-II weniger beeinflussen als Fremdratings. Die EG war der KG auch in Bezug auf die Besserung der Anhedonie und des Wohlbefindens deutlich überlegen, was auch einen positiven Effekt der Intervention auf die allgemeine Lebensqualität nahelegt. Ein positiver Einfluss der Wirkerwartung für AD auf die Besserung der Depression wurde durch die Daten ebenfalls gestützt. Schlussfolgerung und Ausblick: Wir sind neugierig ob die hier gefundenen großen vorteilhaften Effekte im Zusammenhang mit der PE+/NE–-Gruppenintervention sich in anderen therapeutischen Settings der unipolaren Depression replizieren lässt. Auch wäre interessant, ob die hier gefunden positiven, nicht-pharmakologischen antidepressiven Behandlungseffekte bei einer Studienplanung über eine längere Zeit als 4 Wochen einer Toleranz unterliegen.
Introduction: Placebo- (PE) and nocebo-effects (NE) play an important role in the treatment of mental disorders. Currently the impact of PE-enhancing (PE+) and NE-diminishing (NE-)-interventions are being investigated in chronic pain disorder (Klinger & Flor, 2014). So far, the effect of PE+/NE- on the treatment of unipolar depressive disorder has not been investigated under controlled conditions. Method: 4 week randomized controlled trial with unipolar depressed patients (F32.1, F33.1, F32.2, F33.2) which have been randomized to either a control group (CG = treatment as usual [TAU]) or the experimental group (EG = TAU + weekly PE+/NE- group intervention). The primary outcome was the Beck depression inventory (BDI-II). Secondary outcomes comprised the clinician-rated Hamilton rating scale for depression (HAMD) and CGI (clinical global impression) as well as the self-rated Snaith-Hamilton pleasure scale (SHAPS-D, measures anhedonia) and the well-being questionnaire (WHO-5). Expectancies of patients regarding the efficiency of antidepressants were measured with the questionnaire for expectancies regarding medication (QEM). The outcomes of the intention-to-treat sample (N = 43) were analyzed by classical frequentist but also bayesian 2 x 4 repeated measures ANOVAs. Results: Both EG (n = 23, age = 46.35, female = 60.90%) and CG (n = 20, age = 42.05, female = 30%) improved in all outcomes with moderate effects (g* ≥ 0.37) at least. In BDI-II EG was superior to the CG with large effect (g* = 1.01, p = 0.002, NNT = 4), supported by a bayes factor of 41.79. In the secondary outcomes, the superiority of the EG at end of study was at least large (g* ≥ 0.78, BF ≥ 7.84). The improvement in the BDI-II, HAMD, CGI-S, SHAPS-D and WHO-5 occurred earlier in the EG than in the control group (for interaction: p ≤ 0.004, BF ≥ 2.56). As measured by the QEM, the efficiency expectancy relating to antidepressants for size and confidence was greater in EG than the CG (p < 0.001, g* ≥ 1.44, BF ≥ 1635). Drop-outs: 1 respectively 2 patient(s) in EG and CG. Discussion: according to BDI-II EG was superior to CG – although the evidence for the hypothesized interaction effect was much smaller as per bayesian analysis. This could be a sign of an experimenter’s bias, as the results of the self-rated outcomes should be less prone to the not blinded rater then clinician rated outcomes. EG was superior in measures of anhedonia and well-being as well, which suggests positive effects on everyday life. We are curious whether these effects stand up to replication and last longer than 4 weeks.

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