Entwicklung kalium-sensitiver Hydrogele zur in vivo Anwendung in diagnostischen Implantaten

Kalium stellt im humanen Körper einen essentiellen Blut- und Zellelektrolyt dar. Aufgrund dessen spielt Kalium insbesondere für die Muskel- und Nerventätigkeit eine entscheidende Rolle. Vor allem bei der Behandlung von Patienten mit chronischer Nieren- oder Herzinsuffizienz ist die medizinische Registrierung der Blutkaliumkonzentration zwingend erforderlich. Um eine optimale Kontrolle zu gewährleisten, wird mit dem Projekt „DiaImplant“ die Entwicklung eines in vivo Sensors zur kontinuierlichen Erfassung der Blutkaliumkonzentration angestrebt. Das Ziel dieser vorliegenden Dissertation war die Entwicklung eines kaliumselektiven und –sensitiven Hydrogels, welches als Herzstück des in vivo Sensors entsprechend einem Rezeptor/Transducer-Prinzip die Änderung der Blutkaliumkonzentration erfasst und das molekulare Signal in ein physikalisches Signal umwandelt. Basierend auf den vorangegangenen Arbeiten hinsichtlich Hydrogele erfolgte zunächst die Entwicklung eines Prototyps bzw. die Optimierung der Synthese. Grundlage des Hydrogels war Poly(N-Isopropylacrylamid) (PNIPAAm) mit seinem Phasenübergang bei ca. 32°C, welches mit dem Vernetzer N,N‘-Methylen-bis(acrylsäureamid) (MBAAm) vernetzt wurde. Durch die Variation der Zusammensetzung wurden entsprechende Basishydrogele mit unterschiedlichen Anteilen an PNIPAAm und MBAAm erhalten, welche verschiedene mechanische Stabilitäten und Quellungsvermögen aufwiesen. Die Stabilität stieg dabei mit steigendem Anteil an Vernetzer MBAAm, während umgekehrt das Quellungsvermögen verringert wurde. Mit M10DC05 (10 w% PNIPAAm, 5 w% MBAAm) wurde eine Zusammensetzung gefunden, welche eine ausreichende Stabilität hinsichtlich mechanischer Handhabung mit gleichzeitig möglichst hohem Quellgrad besaß. Da zu Beginn dieser Arbeit nicht eindeutig klar war, wie das Hydrogel später in die Sensorkammer eingebracht würde, erfolgte die Synthese zunächst sowohl photochemisch als auch redoxchemisch initiiert. Die verwendeten Reaktionsbedingungen waren in beiden Fällen anfangs jene der vorangegangenen Arbeiten. Als kaliumselektive Komponente wurden Kronenether eingesetzt, wobei zu Beginn lediglich 4-Vinylbenzo-18-Krone-6 (v18CE6) zur Verfügung stand, welcher auch in der Literatur und vorangegangenen Arbeiten verwendet wurde. Der Anteil lag bezogen auf PNIPAAm bei 10%. Da zur Lösung dieser Substanz ein THF/Wasser-Gemisch notwendig war, mussten die Reaktionsbedingungen angepasst werden. Mit einer Reaktionstemperatur von 8°C und Schutzatmosphäre wurden geeignete Synthesebedingungen gefunden, jedoch konnten lediglich Umsätze von ca. 80% erreicht werden. Homogenere Hydrogele mit einem Umsatz >95% wurden mit 4-Acrylamidobenzo-18-Krone-6 (a18CE6) und 4-Acrylamidobenzo-15-Krone-5 (a15CE5) erzielt, welche in Wasser löslich waren. Aufgrund der Größe der Kronenethereinheit wurden mit diesen beiden Substanzen unterschiedliche Komplexierungsansätze verfolgt, wobei eine 1:1-Komplexierung von Kalium bzw. eine 2:1-Komplexierung stattfanden. Ersteres führte zu einer kaliuminduzierten Erhöhung des Hydrogelvolumens, während letzteres zu einer Reduktion des Hydrogelvolumens führte. Hinsichtlich der 1:1-Komplexierung konnten eindeutige kaliuminduzierte Volumenänderung beobachtet werden, jedoch war die relative Quellgradänderung sehr niedrig und für die Anwendung im physiologisch relevanten Konzentrationsbereich nicht ausreichend. Ein 6-fach erhöhtes Signal wurde stattdessen bei der Komplexierung mit Bariumionen beobachtet. Hinsichtlich der physiologisch relevanten Konzentration ergab die Untersuchung der 2:1-Komplexierung wesentlich nützlichere Quelldaten. Ein großes Problem war insbesondere die natriuminduzierte Quellung, welche wegen der hohen physiologischen Konzentration von Natrium das Kaliumsignal überlagern würde. Aufgrund des Komplexierungsmechanismus war die Prägung des entsprechenden Hydrogels mit 20 mM Kaliumnitratlösung während der Synthese möglich. Diese Prägung führte zu einer signifikanten Optimierung der Quelleigenschaften, wobei größere relative Quellgradänderungen erzielt und insbesondere die Selektivität erhöht wurden. Zudem konnte der Einfluss der hohen Natriumionenkonzentration und weiterer Querempfindlichkeiten teilweise kompensiert werden. Für die Durchführung geplanter Tierversuche der Projektpartner musste die Phasenübergangstemperatur (LCST) des Hydrogels von ca. 32°C zu 39°C hinsichtlich der Körpertemperatur von Schweinen verschoben werden. Für die spätere Anwendung im humanen Metabolismus wäre eine LCST von ca. 37°C notwendig. Zu diesem Zweck erfolgte die Modifizierung durch Copolymerisation mit Acrylamid (AAm) und den zwitterionischen Komponenten N-(3-Sulfopropyl)-N-(methacryloxyethyl)-N,N-dimethylammoniumbetain (SPE) und N,N-Dimethyl-N-(2-methacrylamidopropyl)-N-(3-sulfopropyl)ammoniumbetain (SPP). Der jeweils geeignete Anteil an Comonomer musste empirisch ermittelt werden, wobei zu berücksichtigen war, dass der Beitrag an Hydrophilie dieser Comonomere bei einer zu hohen Gesamthydrophilie den Verlust der LCST des Hydrogels zur Folge hätte. Im Falle des AAm konnte die Verschiebung der LCST mit der Substitution von 8 w% bzw. 11 w% NIPAAm erreicht werden. Eine weitere Erhöhung führte zum Verlust der LCST. In beiden Fällen konnte so der Einfluss der physiologisch relevanten Querempfindlichkeiten im Vergleich zu Hydrogelen ohne Comonomer stark reduziert werden, sodass kaliumsensitive Messungen unter den gegebenen Bedingungen und unabhängig vom Anion auch im physiologisch relevanten Konzentrationsbereich durchführbar sind. Eine Optimierung der Signalstärke und Kaliumselektivität sowie eine weitere Reduzierung der Effekte von Querempfindlichkeiten wurden durch die Prägung des Hydrogels mit Kaliumnitrat erreicht. Mit SPP wurden die entsprechenden LCST-Verschiebungen mit der Substitution von 9 w% bzw. 12 w% erreicht. Auch mit SPP lässt sich der Einfluss der physiologisch relevanten Querempfindlichkeiten stark reduzieren. Insbesondere der Aussalzeffekt in Folge hoher Salzkonzentration wurde aufgrund seines anti-Polyelektrolyt-Effekts deutlich verringert. Auch bei diesem Material wurden eine weitere Optimierung der Kaliumselektivität und Reduzierung der Querempfindlichkeiten durch eine Prägung erzielt. SPE stellte sich hingegen als ungeeignet heraus, da zur angestrebten LCST-Verschiebung so hohe Anteile nötig waren, dass es zum Verlust der LCST aufgrund der zu hohen Gesamthydrophilie des Hydrogelsystems kam. Im letzten Teil dieser Arbeit erfolgte mittels des im Konsortium konzeptionierten und konstruierten Hydrogeltestplatzes die Übertragung der Quellungseigenschaften in ein Quelldrucksignal. Das Hydrogel wurde in granulierter Form in das limitierte Volumen eingebracht und reagierte schnell auf gegebene Temperaturänderungen, wobei der Quelldruck einer dem freien Quellen sehr ähnlichen Temperaturabhängigkeit unterlag. Ein Gleichgewichtsquelldruck wurde innerhalb weniger Stunden erreicht. Für das Hydrogel M10DC05CE10 mit a18CE6 wurde bei 25°C und in Abhängigkeit des Polymervolumenanteils (PVA) ein Quelldruck von 5-6 bar erreicht. Während keine Quelldruckänderung dieses Hydrogels auf Kaliumionen zu beobachten war, kam es zu einer sehr starken Reaktion auf eine 20 mM Bariumionenlösung, wobei eine Quelldruckerhöhung um 1 bar erreicht wurde. Das geprägte Hydrogel mit a15CE5 zeigte eine reproduzierbare und reversible Konzentrationsabhängigkeit des Quelldrucks im medizinisch relevanten Konzentrationsbereich an Kaliumionen. Für 5 mM Kaliumnitrat wurde eine negative Quelldruckänderung von 0,2 bar gemessen, bei Kaliumchlorid war der Messwert mit 0,07 bar etwas geringer. Die wasserbezogenen relativen Quelldruckänderungen betrugen -5% (5 mM KNO3) bzw. -3% (5 mM KCl). Deutlich geringer war die Reaktion auf 20 mM Natriumionen wobei die relativen Quelldruckänderungen bei -2% bzw. -1% lagen. Während der Quelldruckmessungen traten die Phänomene des Gelblockings und der Hysterese insbesondere bei einem hohen Polymervolumenanteil (PVA) >0,55 auf. Insgesamt wurde ein kalium-sensitives Hydrogel erfolgreich entwickelt, welches die Anforderungen der angestrebten Anwendung in einem diagnostischen Implantat erfüllt.
Potassium is an essential blood and cell electrolyte in the human body. Because of this, potassium plays a decisive role, especially for muscle and nerve activity. Especially in the treatment of patients with chronic renal or cardiac insufficiency the medical registration of the blood potassium concentration is mandatory. In order to ensure optimal control, the project "DiaImplant" is aimed at the development of an in vivo sensor for the continuous detection of the blood potassium concentration. The aim of this dissertation was the development of a potassium-selective and sensitive hydrogel, which is the heart piece of the in vivo sensor according to a receptor/transducer principle, and detects the change in blood potassium concentration and converts the molecular signal into a physical signal. Based on the previous work on hydrogels, the development of a prototype and the optimization of the synthesis took place. The basis of the hydrogel was poly (N-isopropylacrylamide) (PNIPAAm) with its phase transition at about 32 °C, which was cross-linked with the crosslinker N,N'-methylene bis (acrylamide) (MBAAm). By varying the composition, corresponding base hydrogels with different amounts of PNIPAAm and MBAAm were obtained which had different mechanical stabilities and swelling properties. The stability increased with an increasing amount of crosslinker MBAAm, whereas the swelling capacity was reduced. A composition was found with M10DC05 (10 w% PNIPAAm, 5 w% MBAAm), which had sufficient stability with regard to mechanical handling with a swelling degree as high as possible. Since at the beginning of this work it was not clearly defined how the hydrogel would later be introduced into the sensor chamber, the synthesis was done both photo initiated and redox initiated. The reaction conditions used in both cases were initially those of the previous work. As the potassium-selective component, crown ethers were used, initially only 4-vinylbenzo-18-crown-6 (v18CE6) was available, which was also used in the literature and previous work. The used amount was 10% based on the amount of PNIPAAm. Since a THF/water mixture was required to dissolve this substance, the reaction conditions had to be improved. With a reaction temperature of 8 °C and under a protective atmosphere, suitable synthesis conditions were found, but only conversions of about 80% could be achieved. More homogeneous hydrogels with a conversion >95% were obtained with 4-acrylamidobenzo-18-crown-6 (a18CE6) and 4-acrylamidobenzo-15-crown-5 (a15CE5) which were soluble in water. Due to the size of the crown ether unit, different complexing approaches were followed with these two substances, whereby a 1:1 complexation of potassium or a 2:1 complexation took place. The former led to a potassium-induced increase in the hydrogel volume, whereas the latter resulted in a reduction in the hydrogel volume. With respect to the 1:1 complexation, clear potassium-induced volume changes could be observed, but the relative change in swelling rate was very low and was not sufficient for application in the physiologically relevant concentration range. A 6-times larger signal was observed for the complexation with barium ions instead. Regarding the physiologically relevant concentration, the investigation of the 2:1 complexation revealed much more useful swelling data. A major problem was, in particular, the sodium-induced swelling, which would overlay the potassium signal because of the high physiological concentration of sodium. Due to the complexing mechanism, the imprinting of the hydrogel with 20 mM potassium nitrate solution was possible during the synthesis. This imprinting caused a significant optimization of the swelling properties, whereby relatively high degrees of swelling were achieved and in particular the selectivity was increased. In addition, the influence of the high sodium ion concentration and further cross sensitivities could be partially compensated. The phase transition temperature (LCST) of the hydrogel had to be shifted from 32 °C to 39 °C with regard to the body temperature of pigs for the execution of planned animal experiments. For later use in human metabolism, an LCST of about 37 °C is required. For this purpose the modification was carried out through copolymerization with acrylamide (AAm) and the zwitterionic components N-(3-sulfopropyl)-N-(methacryloxyethyl)-N,N-dimethylammonium betaine (SPE) and N,N-Methacrylamidopropyl)-N-(3-sulfopropyl) ammonium betaine (SPP). The appropriate amount of comonomer had to be determined empirically, taking into account that the contribution of hydrophilicity of these comonomers to an excessively high total hydrophilicity would result in the loss of the LCST of the hydrogel. In the case of AAm, the shift of the LCST could be achieved with the substitution of 8 w% or 11 w% NIPAAm. A further increase led to the loss of the LCST. In both cases, the influence of the physiologically relevant cross sensitivities compared to hydrogels without a comonomer could be greatly reduced so that potassium-sensitive measurements can be carried out under the given conditions in the physiologically relevant concentration range. Optimizations of the signal strength and potassium selectivity as well as a further reduction of the effects of cross sensitivities were achieved by the imprinting of the hydrogel with potassium nitrate. With SPP, the corresponding LCST shifts were achieved with the substitution of 9 w% and 12 w%. The influence of the physiologically relevant cross sensitivities can also be greatly reduced with SPP. In particular, the salting-out effect due to high salt concentration was markedly reduced due to its anti-polyelectrolyte effect. Further optimizations of the potassium selectivity and reduction of cross sensitivities by imprinting were also achieved with this material. SPE, on the other hand, turned out to be unsuitable, since the LCST shift required such high amounts that loss of the LCST occurred due to the total hydrophilicity of the hydrogel system. In the last part of this thesis the transfer of the swelling properties into a swelling pressure signal was carried out with the hydrogel test setup designed and constructed in the consortium. The hydrogel was filled into the limited volume in granulated form and reacted quickly to given temperature changes, whereas the swelling pressure showed temperature dependence very similar to the free swelling. An equilibrium swelling pressure was achieved within a few hours. A swelling pressure of 5-6 bar was achieved for the hydrogel M10DC05CE10 with a18CE6 at 25 °C and as a function of the polymer volume fraction (PVA). While no change in the swelling pressure of this hydrogel on potassium ions was observed, a very strong reaction to a 20 mM barium ion solution was achieved, with a pressure increase of 1 bar. The imprinted hydrogel with a15CE5 showed a reproducible and reversible concentration dependence of the swelling pressure in the medically relevant concentration range of potassium ions. A negative swelling pressure change of 0.2 bar was measured for 5 mM potassium nitrate, while the measured value was somewhat lower with potassium chloride at 0.07 bar. The water-related relative swelling pressure changes were -5% (5 mM KNO3) and -3% (5 mM KCl). Significantly lower was the reaction to 20 mM sodium ions, whereas the related relative swelling pressure changes were -2% and -1%. During the swelling pressure measurements, the phenomena of gel blocking and hysteresis occurred particularly at a high polymer volume fraction (PVA) > 0.55. Overall, a potassium-sensitive hydrogel has been successfully developed which meets the requirements of the intended application in a diagnostic implant.

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