100 x Ramallah : imaginations, otherness, and (de)colonisation in antispaces of sumud : 1914-2014

100 . Ramallah untersucht die räumlichen Veränderungen und zugehörigen Vorstellungen von Stadt(raum) am Beispiel Ramallah – vom Niedergang des Osmanischen Reichs, über das letzte Jahrhundert Anglo- Zionistischer Kolonisierung, bis heute – und sondiert mögliche zukünftige Entwicklungen und Ideen. Die Evolution des spezifischen Raumgefüges Ramallahs stellt sich dar als Resultat von unterschiedlichen aber dennoch cyclischen Spannungen zwischen hegemonialer Kontrolle einerseits und gegenläufiger Widerstandsbewegungen andererseits. Basierend auf der eingehenden Untersuchung der Gegebenheiten und der Triangulation von morphologischen und territorialen Veränderungen mit sozio-demographischen und wirtschaftspolitischen Faktoren postuliert diese Arbeit drei Hypothesen: [1] Ramallahs Stadtraum ist das Produkt eines artikulierten kolonialen Projektes, dessen Diskurs enge, homogene Vorstellungen von Ethnie und nationaler Identität propagiert, und sterile, überwachte und gesicherte Räume hervorgebracht hat. Gleichzeitig beeinflussen heute neoliberale Diskurse die Entwicklung und verstehen die Zielbevölkerung weiterhin eher als passiven Empfänger, denn als mündiger Akteur in der Stadtproduktion. Alternative Vorstellungen von Stadt werden oft als Anomalitäten abgelehnt, bekämpft und in den seltensten Fällen umgesetzt. Das Ergebnis war und ist die (absichtliche?) Schaffung eines mutierten Systems mit einer über-bürokratischen, schlecht angepassten Verwaltung, die regelmäßig versäumt, Grundlagen zum Erfüllen sozioökonomischer Bedürfnisse bereitzustellen, und dadurch langfristig Entwicklung und Stabilität zu schaffen. [2] Die Dialektik des marxistischen Diskurses versteht Stadtraumproduktion als natürlichen (psycho-) ökologischen Prozess. Aus dieser Perspektive können die Post-Oslo-Kontroverse und Frustration in Ramallah auf die Verbitterung angesichts des sozialen „Anderssein“ – über normale großstädtische Symptome hinaus – aufgrund des akuten Anstiegs an Unsicherheit (abnehmende Sicherheit), Ungleichheit und räumliche Unwürde zurückgeführt werden. Die Kartierung von Verhaltenstendenzen und Bewegungen welche die Wiederherstellung von sumud (soziale Resilienz) zum Ziel haben lässt den Schluss zu, dass sich Spannungen – in Form von verschiedenartiger (meist spontaner) Bürgermobilisierung – zwangsläufig entladen werden. Identifizierte Faktoren und wissenschaftliche Untersuchungen deuten auf eine erhöhte Möglichkeit von Gewalt hin; ob aufgrund des hohen Grades an Militarisierung und kontroll-fanatischen Nationalstaats-Diskurs, oder der eher generellen (aber unterschätzten) Verwundbarkeit gegenüber (Natur-) Katastrophen. Der Grad und die Auswirkung von Aktivitäten von subversiven und klandestinen Sub-Gruppen wiederum hängt von mehreren Faktoren ab; ein entscheidender ist die Art und Weise, in der Stadtraum in den kommenden Jahrzehnten gedacht und produziert werden wird. [3] Städtebau, Stadtplanung und -management werden oft als Träger von Wohlergehen gesehen und gelten weniger als Katalysator von mentalen und corporealen Krisen. Die zugehörigen Berufsfelder kapitalisieren und katalysieren politische Ideologien, welche antikonformistische Visionäre einbeziehen/ausschließen in/aus formelle Prozesse der (sozial)räumlichen Produktion. Ramallah ist hier keine Ausnahme der neokolonialen Regel: Stadtplaner weisen die Schuld am un-egalitären Urbanismus von sich und verweisen auf ethnischen Unterjochung und Instabilität hin; schaffen es jedoch nicht konstruktive, anwendbare Alternativen zu erarbeiten die mögliche Unsicherheiten berücksichtigen. In einer Stadt wie Ramallah, wo subjektive Zeitlichkeit ständig neue Risikostrategien und Bevölkerungsströme hervorbringt, sind statische Rahmen für indizierte Mechanismen und Hierarchien überholt. In Kombination mit den heutigen, digital ermöglichten, pseudo-konkreten Realitäten und dem erhöhten Grad an Privatisierung, erfordert Ramallahs Resilienz dass die Produktion von Räumen demokratisiert wird und somit, auf Basis von Bürgerrechten, Räume entkolonialisiert werden. Die zukünftige Form und der Grad der Resilienz / sumud hängen von der Fähigkeit der Bevölkerung ab, ihre Wünsche, Vielfalt, Fluidität und inter-Relevanz zu verräumlichen (zu legitimieren). Zu diesem Zweck ist ein Umdenkprozess über die Rolle der Bevölkerung – als multipler Akteur und urbanem Visionär – und möglicher Interventionsbereiche von Ramallahs wesentlich. Die Arbeit ist aufgeteilt in sechs Kapitel, beginnend mit den Rahmenbedingungen, räumlichem und zeitlichem Hintergrund, und der Erläuterung der Hypothesen. Das zweite Kapitel ist darauf fokussiert, die räumliche Evolution der Stadt durch Vergleich mit politischen und sozioökonomischen Elementen nachzuverfolgen und zu verstehen, wobei philosophisch zwischen projizierten (vorgestellten, mentalen) und fundierten (wissenschaftlichen, realen) Bedeutungen, Ideologien, und ihren wirtschaftlichen, sozialen und insbesondere räumlichen Spuren und Implikationen differenziert wird. Kapitel drei legt die politisch-ökonomischen Faktoren dar, die Ramallahs räumliche Tendenzen in den letzten zwei Jahrzehnten seit der Unterschrift des Osloer Abkommen von 1993 antreiben. Gleichzeitig untersucht die Arbeit die räumlich-sozialen Beziehungen und Empfindlichkeiten die diese Diskurse legitimieren und ausreifen lassen. Kapitel vier und fünf setzen damit fort, urbane Vorhaben sowohl von privaten als auch von öffentlichen Beteiligten zu kartieren; in ihnen enthalten sind die Mandate und Einflüsse auf Macht und Entscheidungsfindung; Betriebsmodi, Strukturen und systematische Variablen; die relevantesten Projekte und Engagements; theoretische Genealogien und Vergleichsfälle; vorhergesehene räumlich-soziale Konsequenzen und die zu Grunde liegenden Chancen. Kapitel sechs schließt diese Arbeit, in dem es die Erkenntnisse der vorangegangen Kapitel in variable Vorstellungen von alternativen urbanen Realitäten zusammensetzt, die Ramallah potentiell hervorbringen könnte. Durch eine Neuverhandlung der bestehenden kolonialen Morphologie und des zentralisierten, bürokratischen Enscheidungssystems, untersucht dieses Kapitel Möglichkeiten, ökologisch, wirtschaftlich und politisch resiliente, integrative und fortschrittliche Räume für Widerstand und sozialräumliche De-Kolonialisierung zu nähren. Zum gegenwärtigen, kritischen Zeitpunkt – insbesondere für Palästina, und allgemein für Städte mit antikolonialen Revolutionen – sind Modi der Raumabsorption, Skalierung, Synthese, und Neuvorstellungen von standortspezifischen sozialen Ideologien und Bewegungen essentiell für Lebensqualität und Würde. Die Argumente in dieser Arbeit basieren auf einer Literaturrecherche mit einer Vielzahl von Werken aus verschiedenen Disziplinen, akademische und sonstige. Diese wurden mit empirischen Daten, die in zwanzig qualitativen Interviews, acht Fokusgruppen, Beobachtungen und quantitativen Indikatoren – welche in acht Feldbesuchen mit einer Gesamtzeit von 32 Wochen und mit durchschnittlich sechs Monaten Abstand gesammelt wurden – kreuzanalysiert. Neben der wissenschaftlichen Motivation dieser Arbeit soll diese auch als wissenschaftliches Narrativ dienen, das einige Facetten der aktuellen Polemiken, geäußerten Bestrebungen und intellektuellen Brainstormings über Ramallah zusammenführt. Dieser fünf Jahre andauernde Prozess hat eine Vielzahl an provozierenden und inspirierenden Unterhaltungen, Debatten, und Versammlungen durchlaufen, und zielt hiermit darauf ab, Konzepte eines aufrührerischen Urbanismus darzulegen. Die hier skizzierten Überlegungen beanspruchen nicht, unterschiedliche Verständnisweisen und Interpretationen zu verhindern oder zu limitieren, sondern sollen Aufmerksamkeit auf eine Auswahl an polychromen Aspekten lenken, die einer tieferen Untersuchung bedürfen.
100 x Ramallah is an investigation of spatial (re-)imagineering of the city of Ramallah, Palestine since the demise of the Osmans and over the past century of Anglo-Zionist colonisation, and an exploration of what could follow. The line of evolution of successive Ramallite spacio-sensibilities transcribes the tensions of nonuniform yet cyclical tides of centralised hegemonic control and counter-resistance. By triangulating morphological and territorial shifts with socio-demographics and politico-economic orders this work argues through three hypotheses. First, Ramallah’s city-space is a product of an articulate colonial project whose discourse promotes narrow homogenised imaginaries of ethnicities and national identities, and therewith sterilised, surveilled and securitized spaces. These concepts have been inducing variations of both, co-optation and opposition. In the same line, neoliberal development discourses continue to infantalize target populations as passive recipients. Hence, these are decisively myopic to the fact that the latter are capable of engendering alternative imaginations, and in cases where these materialise into realities they are rejected and combated as anomalies. The result has been the (intentional?) creation of a mutated system of bureaucratic, incompatible administration that repeatedly fails to provide for basic socioeconomic needs, therewith shared development and stability. In effect, what has been unfolding in Palestine is de-development. Second, the dialectic Marxist discourse contends urbanities as natural decodings of psycho-ecological processes. Understood from this perspective, the post-Oslo contestation and frustration in the city can be traced to the exasperation of social otherness beyond regular metropolitan symptoms, due to the acute increase in scales of uncertainty (diminishing securities), inequality and spatial non-dignity. Through mapping the behavioural trend of re-making of sumud (social resilience) it can be concluded that tensions are bound to be released through (mostly ad hoc) techniques and formations of citizen mobilisations. Identified factors and scholarship indicate an elevated possibility of violence; whether due to high levels of militarisation by the nation-state policing discourses or its vulnerability to natural misfortunes. The scales and impacts of clandestine sub-group activities in turn depends on several factors, one of which is the manner by which the city-space will be produced in the coming, critical decades. Third, urban design, planning, and management are tools often advocated as bearers of welfare and rarely admitted as enablers of mental as well as corporeal crisis. These are professions that by nature capitalise on and catalyse political ideologies which include/exclude anticonformist visionaries in/from formal processes of socio-spatial production. Here Ramallah presents no exception to the neocolonial rule, where its planners (rightfully) blame the failure in forging egalitarian urbanism on racial subjugation and instability, yet fall short of constructively labouring applicable alternatives that account for uncertainty. In cities like Ramallah where subjective temporalities constantly produce new risk-strategies and population flows, static frameworks of indexed mechanisms and hierarchies are rendered obsolete. In combination with today’s digitally-enabled pseudo-concrete realities and heightened levels of privatization; Ramallah’s resilience necessitates that it democratizes spatial production and therewith decolonize its spaces based on concepts of the civic right to flourishing. The future shape and degree of resilience/sumud depend on the ability of the (self-declared) Ramallites to spatialize (grant legitimacy to) their diversity, fluidity, and inter-relevance. To that end, an Umdenkenprozess about the role and range of fields of interventions of Ramallite urban visionaries is quintessential. The outline of this work spreads over six chapters, starting with setting the parameters, territorial and temporal back-drop, and elaborates on the hypotheses. The second chapter focuses on tracing and understanding the spatial evolution of the city through cross-comparing those to political and socioeconomic elements; hence philosophically differentiating between projected (imagined, mental) and grounded (scientific, real) meanings, ideologies, and their economic, social and particularly spatial trails and implications. Chapter three expounds on the politico-economic factors fuelling Ramallah’s spatial tendencies in the past two decades since the signature of the Oslo Accords in 1993. It simultaneously investigates the spacio-social relationalities and sensibilities legitimising and incubating these discourses. Chapters four and five proceed to map urban undertakings by both public and private parties (respectively); they feature the power and decision-making mandates and influence; modes of operation, structures and systematic variables; the most relevant projects and engagements; theoretical genealogies and comparative cases; foreseen sociospatial consequences, and; the underlying opportunities. Chapter 6 concludes this work with puzzling the findings of former chapters in variable imaginations of alternative urban realities that Ramallah could potentially produce. Through re-negotiating the existing colonial morphology and centralized, bureaucratic decision-making systems, this chapter explores opportunities for nurturing environmentally, economically and politically resilient, inclusive and progressive spaces of resistance and sociospatial decolonization. In the current critical moment for Palestine specifically and cities featuring anti-colonial revolutions generally; modes of spatial absorption, scaling, synthesis, and reimagineering of locational social ideologies and movements is essential for the quality of life and dignity. Along the process arguments are based on scholarly review of a wide range of works from varying disciplines, both academic and otherwise. These were cross-analysed with empirical data collected through twenty qualitative interviews, eight focus groups, observations and quantitative indicators; collected through eight field-visits totalling thirty-two weeks and spanning over intervals of six months in average. Aside the scientific motivations of this work, it desires to serve as a scholarly narrative that coalesces some facets of the momentary polemics, voiced aspirations and intellectual brainstorming about Ramallah. This five-year process has travelled through multitude of provocative and inspiring conversations, debates, and assemblies, and herewith aims at expounding on concepts of insurgent urbanism. The reflections outlined here do not claim premise to foreclosing or limiting differing understandings and interpretations; rather it calls attention to a selection of polychromic aspects requiring deeper investigation.

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