Pathologische Internetnutzung - Modifizierung und Validierung eines Screening-Instruments, Erfassung differentieller Prädiktoren spezifischer Nutzungsfacetten sowie neuropsychologischer Korrelate am Beispiel des exzessiven Internet-Computerspielens

Die Arbeiten der vorliegenden Dissertation beschäftigen sich mit aktuellen Forschungsfragen der pathologischen Internetnutzung im Allgemeinen sowie der pathologischen Nutzung spezifischer Nutzungsfacetten, insbesondere von Internet Computerspielen. Es wurden insgesamt vier Studien durchgeführt, die das Ziel hatten 1. durch Modifizierung und Validierung eines Screening-Instruments einen Beitrag zur Diagnostik von pathologischer Internetnutzung zu leisten, 2. den Kenntnisstand zur Differenzierung des Konstrukts der pathologischen Internetnutzung hinsichtlich spezifischer Prädiktoren zu erweitern, 3. kognitive Korrelate durch ein experimentelles Paradigma anhand einer Gruppe exzessiver Internet Computerspieler zu erfassen und mit Nicht-Spielern zu vergleichen und 4. den Einfluss verschiedener Prädiktoren in Bezug auf eine exzessive Internet Computerspielnutzung zu untersuchen. In Studie 1 wurden drei unterschiedliche Datenerhebungen durchgeführt (1. N=602, 2. N=465 und 3. insgesamt N=803), um die Faktorstruktur des international weit verbreiteten Internet Addiction Test (IAT; Young, 1998) zu bestimmen, anschließend mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse zu validieren sowie die Konstruktvalidität zu eruieren. Insgesamt wurde ein 12 Items umfassendes Screening-Instrument entwickelt, das ökonomisch auf zwei Faktoren (1. "zeitliche Beeinträchtigung/Kontrollverlust" und 2. "soziale Belange/Craving") die Kernfacetten der pathologischen Internetnutzung erfasst und darüber hinaus eine gute Konstruktvalidität sowie gute psychometrische Kennwerte aufweist. In Studie 2 wurden aus einem Pool von N=673 verschiedene Gruppen entsprechend des Gebrauchs der jeweiligen Nutzungsfacetten gebildet. Es konnten differentielle Korrelate zwischen der pathologischen Nutzung von Internet Computerspielen und Internet Pornographie hinsichtlich verschiedener Prädiktoren gefunden werden. Ferner fand sich kein Zusammenhang zwischen der subjektiv erlebten Beeinträchtigung im Alltag durch die pathologische Nutzung von Internet Computerspielen und der subjektiv erlebten Beeinträchtigung des Alltags durch die pathologische Nutzung von Internet Pornographie, was die Forderung nach einer differentiellen Betrachtung der einzelnen Nutzungsfacetten unterstützt. In der bereits veröffentlichten Studie 3 wurde das Entscheidungsverhalten unter Risikobedingungen experimentell mit Hilfe einer neuropsychologischen Aufgabe (Game of Dice Task, GDT; Brand et al., 2005) anhand einer Gruppe exzessiver Internet Computerspieler (N=19) im Vergleich zu Nicht Computerspielern (N=19) untersucht. Exzessive Internet Computerspieler zeigten im Vergleich zu Nicht Computerspielern ein dysfunktionales Entscheidungsverhalten in der GDT, das sich durch eine Präferenz von riskanten Wahlalternativen, die eine schnelle und hohe Belohnung versprechen, trotz möglicher langfristiger negativer Folgen äußerte. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit vergleichbaren Befunden die sich bei stoffgebundenen sowie stoffungebundenen Abhängigkeiten finden. In Studie 4 (N=58) konnte gezeigt werden, dass Impulsivität mit einer pathologischen Nutzung von Internet Computerspielen assoziiert ist. Darüber hinaus konnten noch weitere Prädiktoren (subjektiv erlebte Erregung beim Betrachten spielspezifischer Bilder, allgemeine psychologische Symptombelastung und Nutzungsdauer pro Woche) sowie moderierende Effekte auf verschiedene Zusammenhänge in Bezug auf eine pathologische Internet Computerspielnutzung identifiziert werden. Zusammenfassend wurde in der vorliegenden Dissertation ein ökonomisches Screening-Instrument entwickelt, das sich sowohl in der Validierungsstudie als auch in den Folgestudien bewährt hat. Ferner konnten erste Hinweise gefunden werden, die die Notwendigkeit einer differentiellen Betrachtung der verschiedenen Nutzungsfacetten des Internets verdeutlichen. Darüber hinaus konnten zentrale Mechanismen (Impulsivität und dysfunktionales Entscheidungsverhalten), die bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Abhängigkeiten im Allgemeinen beteiligt sind, auch bei pathologischen Internet Computerspielern identifiziert werden. Die Befunde stützen das Postulat verschiedener Autoren, die die pathologische Internet Computerspielnutzung als eigenständige Entität ansehen, welche Parallelen zu substanzbezogenen und stoffungebundenen Abhängigkeiten aufweist. Weitere Studien sind nötig, um die gefundenen Mechanismen besser zu verstehen, die der pathologischen Nutzung des Internets und den spezifischen Nutzungsfacetten zu Grunde liegen.

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