Analyse und Entwicklung des Extrusionsprozesses zur Erhöhung der Dispersionsqualität von Nanopartikel-Polyamid 6-Verbundwerkstoffen
- Sphärische keramische Nanopartikel können die Eigenschaften von Thermoplasten
signifikant positiv verändern. Eine gute Dispersität von Nanopartikeln in einer polymeren
Matrix ermöglicht z.B. eine außergewöhnliche Steigerung der Zähigkeit. Allerdings
neigen die Nanoadditive wegen ihrer großen spezifischen Oberfläche zur Agglomeration,
was der Verbesserung der Eigenschaften entgegenwirkt. Dies stellt eine der
größten Herausforderungen der Nanokompositforschung dar. Da industriell hergestellte
Nanokomposite von steigendem Interesse für vielerlei Anwendungen sind, ist es
ingenieurwissenschaftlich relevant, Prozess-Struktur-Eigenschaftsbeziehungen von Nanokompositen
mit kommerziell erhältlichen Nanopartikeln genauer zu verstehen. Dies
erlaubt eine gezielte Steuerung bzw. Einstellung der Materialeigenschaften.
In den bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten zu thermoplastischen Nanokompositen
mit sphärischen keramischen Nanofüllstoffen ist die Dispersität der Nanokomposite
nicht hinreichend gut quantifiziert worden, was zur Folge hat, dass verschiedene Herstellungsmethoden
nicht miteinander verglichen werden können. Diese Arbeit zielt darauf
ab, thermoplastische Polyamid 6-Nanoverbundwerkstoffe mit guter Dispersität mittels
Extrusion herzustellen und zu untersuchen. Dabei werden drei Herstellungsmethoden
und die dabei erreichten Dispersionsqualitäten und Eigenschaftsprofile betrachtet. Dafür
werden Verbundwerkstoffe aus einer PA6-Matrix und keramischen Nanofüllstoffen (TiO2,
SiO2, BaSO4) - als Pulver oder als Nanopartikeldispersion - generiert. Die erzeugten
Komposite werden mit TEM-, REM- und μ-CT-Analysen morphologisch analysiert. Die
Materialeigenschaften werden durch DSC-, DMTA-, GPC-, Viskositätsuntersuchungen
erfasst. Weiterhin werden Kerbschlagbiege- und Zugversuche durchgeführt.
In einem ersten Schritt wird eine häufig angewendete Herstellungsmethode untersucht,
bei der Nanopartikelpulver zum Extrusionsprozess zugegeben werden. Es ist
nicht möglich alle Agglomerate durch die Bearbeitung im Extruder aufzubrechen. Die
Agglomeratfestigkeit für die verwendeten Partikel wird aus den Verläufen der Dispersität
bei mehrfacher Extrusion erfolgreich bestimmt. Die Untersuchung der Vorgänge
bei der Deagglomeration anhand eines Modells zeigt, dass das Verhältnis zwischen
Agglomeratbruch und Erosion von einzelnen Partikeln von der Oberfläche des Agglomerates
für die Materialeigenschaften von maßgeblicher Bedeutung ist. Trotz sehr guter
Dispersionsqualität der TiO2-Komposite und einer guten Partikel-Matrix-Anbindung lassen
sich nur die Festigkeit und Steifigkeit steigern, während die Kerbschlagzähigkeit nicht erhöht ist. Die TiO2-Nanopartikel weisen eine relativ geringe Agglomeratfestigkeit
(0,1 MPa) auf, und die Erosion spielt neben Bruch eine wichtige Rolle im Deagglomerationsmechanismus,
weshalb für diese Partikel die Zugabe als Pulver zu empfehlen
ist. Restagglomerate führen jedoch zu Spannungskonzentrationen im Material, was
eine Zähigkeitssteigerung verhindert. SiO2-Nanopartikel dagegen können bei den in
dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnissen nicht als Füllstoffe empfohlen werden. Ihre
Agglomerate weisen eine so hohe Festigkeit auf, dass diese überwiegend zerbrechen.
BaSO4 sollte als Pulver nicht verwendet werden, denn es kann mittels Extrusion kaum
dispergiert werden.
In der zweiten Bearbeitungsphase werden die Materialeigenschaften bei der Zugabe
der Nanopartikel als wässrige Dispersion untersucht. Dabei wird die Partikeldispersion
drucklos zugegeben; das Dispersionsmedium kann an der Zugabestelle direkt verdampfen.
Zusammengefasst ist festzustellen, dass Agglomeration an der Zugabestelle zu
verschlechterten mechanischen Eigenschaften führt.
Im dritten Schritt werden wässrige Nanopartikeldispersionen unter Druck in den Extruder
gepumpt, um zu erreichen, dass sich eine Mischung aus flüssiger Dispersion und Polymerschmelze
bildet. Dabei tritt zum einen Diffusion der Partikel in die Polymerschmelze
auf, zum anderen kommt es zu Tropfenverkleinerung durch die Scherspannung im
Extruder. Bei der theoretischen Untersuchung der Zerkleinerung der Dispersionstropfen
wird festgestellt, dass das Verhältnis der Viskositäten der zu mischenden Medien, deren
Oberflächenspannungen und die Scherspannung im Extruder den Vorgang bestimmen.
Die so ermittelte Größe der kleinsten Agglomerate liegt nicht im Nanometerbereich.
Infolge der geringen Mischdauer nach der Verdunstung des Dispergiermediums sind die
Agglomerate schlecht an die Matrix angebunden. Weiterhin bilden sich sehr kompakte
Agglomerate. Aufgrund dessen steigert sich der E-Modul des Nanokomposits kaum
bei einer gleichzeitig reduzierten Zähigkeit. Als Dispersion zugegeben diffundieren die
SiO2-Partikel kaum und es bilden sich relativ große Agglomerate. Da insbesondere bei
TiO2 und BaSO4 außergewöhnlich kleine Agglomerate (<100 nm) bzw. sogar Primärpartikel
gefunden werden, ist davon auszugehen, dass für diese beiden Nanoadditive
auch Diffusion von Bedeutung ist. Nanokomposite mit diesen Füllstoffen sollten über
die Methode der Zugabe von wässrigen Dispersionen unter Druck hergestellt werden.
Diese Arbeit bildet mit systematischen Untersuchungen von industriell relevanten Prozessen
zur Herstellung von Nanokompositen, den Mechanismen, die dabei ablaufen,
und den erzielbaren Materialmorphologien und Materialeigenschaften die Grundlage
für maßgeschneiderte Nanokomposite.