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Intravitale Zwei-Photonen-Mikroskopie am Dünndarm der Maus : 3D-Morphologie und zelluläre Dynamik

Der Dünndarmschleimhaut kommt neben einer effizienten Verdauung und Resorption von Nährstoffen aufgrund ihrer enormen Oberfläche sowie exponierten Lage zur Außenwelt eine ebenso essentielle Bedeutung in der Abwehr von unzähligen Antigenen und potenziellen Krankheitserregern zu. Quantitative Angaben über die Dimensionen der intestinalen Resorptions- und damit luminalen Angriffsfläche unter physiologischen Bedingungen sind für die Maus bislang allerdings kaum vorhanden. Im Rahmen einer morphometrischen Analyse wurde in der vorliegenden Arbeit die innere Oberfläche der murinen Dünndarmschleimhaut licht- und elektronenmikroskopisch untersucht und deren Gesamtvergrößerung quantifiziert. Mithilfe geometrischer Modelle wurde dazu die Oberfläche der Zotten und Mikrovilli innerhalb verschiedener Darmabschnitte mathematisch bestimmt und, ausgehend von einem planen Darmrohr sowie den stereologisch erhobenen Daten, auf den resultierenden Gesamt-Vergrößerungsfaktor geschlossen. Unter Berücksichtigung abschnittsspezifischer Unter-schiede in der Anzahl und Geometrie intestinaler Zotten und Mikrovilli konnte die absolute Fläche der Dünndarmschleimhaut der Maus mit 0,46 m2 (SD ± 0,04 m2) bestimmt werden. Durch die verschiedenen strukturellen Spezialisierungen vergrößert sich die Oberfläche der resorbierenden Darmschleimhaut in Bezug zur äußeren Oberfläche des Darmrohrs somit insgesamt um das etwa 150-fache (SD ± 14,2). Die Ergebnisse bieten eine repräsentative Ausgangslage zur Beurteilung der speziellen Morphometrie der Dünndarmschleimhaut unter physiologischen Versuchsbedingungen, erlaubten letztlich jedoch eine allein mathematische Annäherung an deren tatsächliche Oberfläche in vivo. Zwischen den Epithelzellen in der zellulären Grenzschicht zum Darmlumen lokalisiert, gewährleisten intraepitheliale Lymphozyten die Aufrechterhaltung und Sicherstellung der Gewebshomöostase sowie epithelialen Barrierefunktion. So verhindern die IEL den initialen Eintritt ins sowie die Ausbreitung luminaler, invasiver Pathogene im Gewebe, erkennen und beseitigen degenerierte oder virusinfizierte Epithelzellen und schützen ferner vor lokalen Gewebeschäden infolge überschießender Entzündungsreaktionen. Trotz zahlreicher Unter-suchungen zur funktionellen und phänotypischen Ausprägung dieser Lymphozytenpopulation sind die zugrunde liegenden Mechanismen ihrer immunologischen Überwachung und intravitalen Interaktionen mit den residenten Epithelzellen noch immer weitgehend ungeklärt. Zum besseren Verständnis der zellulären Kinetik wurde im Hauptteil der vorliegenden Arbeit das Migrationsverhalten der IEL im intakten Zottenepithel unter physiologischen Bedingungen in vivo charakterisiert und neue Einblicke in die Dynamik der immunologischen Epithelzell-überwachung an der größten Oberfläche des Organismus gewährt. Dazu wurde die komplexe dreidimensionale Morphologie der Dünndarmschleimhaut lebender, anästhesierter Mäuse mit-hilfe der hochauflösenden Zwei-Photonen-Mikroskopie untersucht, verschiedene Zelltypen anhand ihrer Autofluoreszenz identifiziert und die zelluläre Dynamik der IEL im Epithel-verband über eine Beobachtungsdauer von Minuten bis Stunden hinweg quantifiziert. Durch die spezifische Markierung ihrer Zellmembran mit einem luminal applizierten CD103+-Antikörper konnten zudem Umrisse einzelner intraepithelialer Lymphozyten sichtbar gemacht und zusätzliche Informationen über deren Interaktionen mit umliegenden Epithelzellen sowie der angrenzenden Lamina propria gewonnen werden. Auf die basale Hälfte des Epithels begrenzt, patrouillierten die IEL kontinuierlich, jedoch unterschiedlich schnell durch den epithelialen Zellverband der Zotten. Während ihrer Migration ragten die Lymphozyten fort-laufend in umliegende Zellzwischenräume und kontaktierten mit ihren zellulären Ausstül-pungen und länglichen Fortsätzen durchschnittlich 4,1 (SD ± 1,2) neue Epithelzellen pro Minute. Ihr amöbenähnliches Bewegungsmuster oberhalb der Basalmembran beruhte dabei, gleichmäßig verteilt in allen Regionen intestinaler Zotten, auf dem Zufallsprinzip. Trotz eines numerischen Verhältnisses von Epithelzellen zu intraepithelialen Lymphozyten von 7,2 (SD ± 1,4) wird eine Epithelzelle statistisch etwa alle 73 sec von mindestens einem IEL kon-taktiert, 99,9% der Darmepithelzellen in lediglich 12 min mindestens einmal von Lympho-zyten kontaktiert. Das Migrationsverhalten intraepithelialer Lymphozyten ermöglicht somit eine kontinuierliche, flächendeckende Überwachung des Dünndarmepithels sowie eine hoch effektive immunologische Überprüfung der epithelialen Integrität in äußerst kurzen Zeit-abständen. Allerdings führten neben überhöhten Bestrahlungsintensitäten auch hypoxämische in vivo Bedingungen zu einem signifikanten Abfall ihrer Geschwindigkeit innerhalb weniger Minuten, was auf eine spezifische Empfindlichkeit der IEL auf äußere Umgebungsfaktoren hindeutet. Durch die gewonnenen Erkenntnisse zur Dynamik der epithelialen Immunabwehr konnten neue Einblicke in die immunologischen Überwachungsvorgänge der intakten Dünn-darmschleimhaut erlangt und letztlich Grundlagen für das therapeutische Verständnis einer Vielzahl von entzündlichen Darmerkrankungen geschaffen werden.

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