Analyse der Integrationseffekte von Kfz-Radaren unter realen Fahrzeugbedingungen

Language
de
Document Type
Doctoral Thesis
Issue Date
2023-09-25
Issue Year
2023
Authors
Hau, Florian
Editor
Abstract

Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Integrationseffekte von modernen Kfz-Radaren hinsichtlich des Verbaus in Fahrzeugen analysiert und die Auswirkungen auf das Signalverhalten unter realen Verkehrsbedingungen bewertet. Der Fokus lag hierbei auf der Einbeziehung der Eigenbewegungen beziehungsweise Vibrationen des Sensors sowie der direkten Fahrzeugumgebung. Dadurch wird erstmalig eine vollständige Beschreibungsform unter realistischen Betriebsbedingungen der Integrationseffekte ermöglicht. Die dazu entwickelten theoretischen Konzepte erlauben es, sowohl einen Transfer der Integrationseinflüsse auf die weiterführenden Signalverarbeitungsschritte von Fahrerassistenzsystemen, als auch Rückschlüsse auf einen optimierten Verbau im Fahrzeug zu ziehen. Fast ausschließlich werden Kfz-Radare heutzutage verdeckt hinter spezifischen Anbauteilen eines Fahrzeugs, den sogenannten sekundären Radome, verbaut. Durch diese sekundären Radome wird der Sensor einerseits vor Witterungseinflüssen geschützt und bietet designspezifische Vorteile, andererseits wird aber das Sende- und Empfangsverhalten des Sensors beeinflusst. Grundsätzlich entstehen durch das Einbringen des Radoms in den aktiven Bereich des Radars zwei unterschiedliche Effekte auf das Signalverhalten. Zum einen werden durch Reflexionen am sekundären Radom zusätzliche Signalbeiträge erzeugt. Diese fahrzeugspezifischen Beiträge wurden in dieser Arbeit als Rückkopplungskanäle eingeführt, welche den spektralen Bereich in der unmittelbaren Umgebung des Sensors beeinflussen. Zum anderen wird durch die zweimalige Transmission des sekundären Radoms die Signalstärke und das Phasenverhalten der Umgebungsziele verändert. Um diese beiden Effekte simulativ oder messtechnisch zu bestimmen, werden für Kfz-Anwendungen typischerweise Labormessungen mit statischen Referenzzielen mit und ohne sekundärem Radom herangezogen. Unter diesen statischen Bedingungen können die integrationsspezifischen Parameter wie Dämpfung und Phasenversatz experimentell bestimmt werden. Allerdings bleiben dabei alle dynamischen Effekte des Sensors und des Radoms unberücksichtigt. Daher wurde in dieser Arbeit zunächst ein erweitertes Kanal- Signalmodell aufgestellt und verifiziert, um eine theoretische Grundlage zur Beschreibung der statischen Integrationseffekte für FMCW- und FC-FMCW-Radare zu schaffen. In diesem Zusammenhang wurde das Signalverhalten sowohl auf den unverarbeiteten Zeitdaten als auch auf den spektralen Ebenen nach der Kurzzeittransformation und der Langzeittransformation analysiert. Die Dämpfungswerte, mit typischen Größen für Kfz-Anwendungen von 0 bis 4 dB, und die Phasenverschiebung sind kanalspezifisch und für eine bestimmter Einbauposition unter statischen Bedingungen reproduzierbar. Um die dynamischen Effekte unter realen Verkehrsszenarien analog beschreiben zu können, wurde das Signalmodell für dynamische Bedingungen erweitert, das eine detaillierte Beschreibung von komplexen Bewegungsformen erlaubt. Anschließend wurden verschiedene Sensorbewegungen eingeführt und diese in Relation zu den typischen Bewegungsformen in realen Verkehrsszenarien theoretisch und experimentell verifiziert. Sinusförmige Sensorbewegungen zeigten dabei eine Verschiebung der Signalleistung im Dopplerspektrum und eine von der Amplitude abhängige Signaldegradation von 0 bis 2 dB für typische Sensorvibrationen in realen Verkehrssituationen, die in extremen Situationen kurzzeitig bis zu 10 dB annehmen können. Komplexe Bewegungen des Sensors können in guter Näherung für den Zeitraum eines Messzyklus mit einer linearen Beschleunigung beschrieben werden, bei der Signaldegradationen im Bereich von 0 bis 4 dB bei typischer Auslenkung aus der Nominallage auftreten. Extreme effektive Beschleunigungen von bis zu 100 m/s², die lediglich durch transversale Bewegungen von Zielobjekten entgegen der Hauptstrahlrichtung entstehen, können dagegen in Signalverlusten von über 10 dB resultieren. Die Übereinstimmung der theoretischen Ansätze mit den durchgeführten Messungen ließ sich dabei sowohl für idealisierte Punktziele, als auch für reale Verkehrsobjekte nachweisen. Die Untersuchungen von Integrationseffekten, bei denen zusätzlich die Eigenbewegung des Sensors und der Fahrzeugumgebung berücksichtigt wurde, zeigte zum einen die durch die Reflektion am sekundären Radom entstandene Beeinflussung des spektralen Nahbereichs und zum anderen die durch Transmission des Radoms entstandene Beeinflussung des Umgebungssignals. Für diese Analysen wurden komplette Fahrzeuge mit separater Messtechnik ausgerüstet und diese sowohl unter Labor- und Prüfstandbedingungen, als auch unter realen Straßenbedingungen vermessen. Die Auswertung des spektralen Verhaltens unter dynamischen Verhältnissen zeigte eine Verbreiterung des Einflusses der Integrationseffekte im Dopplerbereich von 1 m/s. Des Weiteren konnte für den Fall, in dem die Vibrationsfrequenzen größer als das Doppler-Auflösungsvermögen des Kfz-Radars ist, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Signalpeaks im Abstand-Doppler-Diagramm nachgewiesen werden. Die Untersuchungen des Umgebungssignals unter Berücksichtigung der Sensorbewegungen ergaben, selbst für vernachlässigbar kleine Signaldegradationen im Bereich von weniger als einem dB, eine direkte Beeinflussung des Phasenverhaltens über mehrere Messzyklen. Die nachgewiesene zusätzliche Streuung der Phaseninformationen im Abstand-Doppler-Diagramm hat direkte Auswirkungen auf die weiterführenden Signalverarbeitungsschritte. Die Konsequenzen für die unter realistischen Bedingungen gemessenen Phasenschwankungen wurden sowohl für spezielle Detektionsalgorithmen, wie dem Moving-Target-Indicator, als auch für verschiedene Methoden zur Winkelbestimmung bewertet und quantifiziert. Unter Nachweis der Beeinflussung des Dopplerspektrums beziehungsweise des Winkelspektrums durch Sensorvibrationen im Fahrzeug wurden die Auswirkungen auf das Detektionsverhalten und der Objektbildung bewertet. Speziell das Signalverhalten von statischen Objekten zeigte im Fall von Sensorvibrationen eine direkte Veränderung des Detektionsverhaltens, der Clusterbildung und der Klassifikation. Zur Quantifizierung der Integrationseffekte ist somit zum einen die exakte Kenntnis der eingesetzten Signalverarbeitungsschritte nötig und zum anderen müssen die realen Eigenbewegungen innerhalb des Fahrzeugs bekannt sein. Die Bewegungsmuster von Radarsensoren, sekundären Radomen und anderen Fahrzeugteilen wurden hinsichtlich ihrer Anregungsquellen, Ausbreitungspfade und effektiven Größenordnungen in verschiedenen Verkehrssituationen für ein ausgewähltes Fahrzeug untersucht und quantifiziert. Somit erlauben die eingeführten theoretischen Konzepte eine durchgängige Bewertung der Integrationseffekte in alltäglichen Verkehrsszenarien, angefangen vom abgetasteten Zeitsignal, über das Abstands-Dopplerspektrum bis hin zu funktionsrelevanten Objekten in Abhängigkeit der Eigenbewegungen innerhalb eines Fahrzeugs.

DOI
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