Computerunterstützte präoperative Herstellung von Titanplatten zur Rekonstruktion der Mandibula nach Unterkiefer-Teilresektion - Ein Kosten-Nutzen-Vergleich

Language
de
Document Type
Doctoral Thesis
Issue Date
2019-11-04
Issue Year
2019
Authors
Fichna, geb. Wolfram, Franziska
Editor
Abstract

Die Resektion der Mandibula infolge destruktiv wirkender Erkrankungen und die anschließende Rekonstruktion zur Wiederherstellung des präpathologischen Zustandes gehören zu den herausforderndsten Eingriffen im Fachbereich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Ziel der Resektions-Operation ist die vollständige Entfernung erkrankten Gewebes. Ziel der Rekonstruktion ist die Wiederherstellung von Form und Funktion im Sinne der Erhaltung oder Wiederherstellung der Sprech-, Kau- und Schluckfunktion sowie der Ästhetik. Im Rahmen der Unterkiefer-Kontinuitätsresektion wird er-kranktes Weich- und Hartgewebe mit Sicherheitsabstand entfernt. Der entstandene Defekt wird anschließend durch ein körpereigenes Transplantat und mit Hilfe einer Titan-Rekonstruktionsplatte rekonstruiert. Um das knöcherne Transplantat in Position zu befestigen, Stabilität zu schaffen und die Okklusion zu sichern, wird eine Rekonstruktionsplatte am freigelegten Unterkiefer angebogen und letztlich fixiert. Im konventionellen Ablauf der Rekonstruktions-Operation geschieht das Anpassen und Biegen der Platten intraoperativ. Abgerechnet und vergütet werden alle stationären Leistungen in deutschen Krankenhäusern über das gDRG-System. Im DRG-System werden Hauptdiagnosen, Nebendiagnosen, Operationen und Prozeduren sowie anamnestische Merkmale eines Patienten in Abhängigkeit von seiner stationären Verweildauer kodiert. Sie werden einer Fallpauschale zugeordnet und entsprechend ihrer Bewertung vergütet. Dabei können vermeintlich ähnliche Fälle aufgrund der Unterschiedlichkeit des patientenindividuellen Aufwandes zu recht unterschiedlichen Ergebnissen für das Gesamtklinikum führen. Zur Schaffung einer Ver-gleichbarkeit werden patientenindividuelle Kostenträgerrechnungen erstellt. Hierbei werden verursachte Kosten und erzielte Erlöse erfasst und über die Kostenarten ihren verursachenden Kostenstellen zugeordnet. Ziel der retrospektiven Studie war die monetäre Bewertung von konventioneller
und neuer Methode zur Rekonstruktion nach Unterkiefer-Teilresektion. Es erfolgte die Gegenüberstellung beider Methoden im Rahmen eines Kosten-Nutzen-Vergleichs.

Zu diesem Zweck wurde ein Kollektiv aus 40 Patienten gebildet. 20 Patienten wurden im Rahmen ihrer Rekonstruktions-Operation mit präoperativ hergestellten Rekonstruktionsplatten versorgt (Gruppe 1). Diese wurden anhand von dreidimensionalen patientenindividuellen Modellen präoperativ gebogen. Grundlage für die Herstellung der 3D-Modelle waren CT-Daten der diagnostischen Bildgebung, die, mit Hilfe geeigneter Software, zur Erstellung dreidimensionaler digitaler Modelle genutzt wurden. Anschließend wurden diese digitalen Modelle im klinikeigenen 3D-Drucker über das Verfahren des 3D-Drucks (3DP) in analoge Modelle überführt. 20 weitere Patienten wurden im Rahmen ihrer Rekonstruktions-Operation konventionell, mit intraoperativ gebogenen, Rekonstruktionsplatten versorgt (Gruppe 2). Als vergleichbar wurden die Patienten beider Gruppen angesehen, wenn eine Unterkiefer-Kontinuitätsresektion mit anschließender Rekonstruktion unter Verwendung einer Titan-Rekonstruktionsplatte durchgeführt wurde.

Es zeigten sich im Vergleich beider Gruppen keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Dauer der operativen Eingriffe (p=0,7320) oder der Dauer der Krankenhausaufenthalte (p=0,4825). Zum Zwecke des Kosten-Nutzen-Vergleichs erfolgte die Bestimmung der Platten-Herstellungskosten in drei Arbeitsschritten: Die Identifikation des erforder-lichen Einsatzes an Ressourcen, die Mengenerfassung des Ressourcenverbrauches sowie die monetäre Bewertung der eingesetzten Ressourcen. Die gewinnmindernden Herstellungskosten der präoperativ gebogenen Re-konstruktionsplatten lagen im Mittel bei 221,65 (+/- 55,55) €. Sie wurden vom Ergebnis der Kostenträgerrechnung, welches sich aus der Verrechnung der anfallenden Fallkosten mit den erzielten DRG-Erlösen ergab, subtrahiert und man erhielt das Gesamtergebnis EG. Die statistische Auswertung zeigte keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die anfallenden Kosten (p = 0,5409) oder Erlöse (p = 0,5977). Auch für das Gesamtergebnis EG ergab sich kein signifikanter Unterschied (p = 0,6617). Dennoch könnten die Herstellungskosten, die in vorliegender Arbeit etwa 1,1% der Summe der in Gruppe 1 angefallenen KTR-Kosten ausmachen, aufgrund des hohen Kostendrucks in deutschen Kliniken, ein Anwendungshindernis darstellen. Verschiedene Studien belegen die nicht-monetären Vorteile präoperativ gebogener Rekonstruktionsplatten. Zu diesen gehören die Ver-einfachung der Rekonstruktions-Operation mit zufriedenstellenden Ergebnis-sen bei der Wiederherstellung von Form und Funktion, sowie die Einsparung an OP- und Narkosezeit. Diese wiegen, nach Ansicht der Autoren, so schwer, dass sie den finanziellen Mehraufwand rechtfertigen. Gerade bei komplizierten Rekonstruktions-Operationen wird die Ver-wendung präoperativ gebogener Rekonstruktionsplatten empfohlen.

Ziel ist deshalb die sachgerechte Vergütung der zusätzlich anfallenden Herstellungskosten für die 3D-Modelle und der daran präoperativ gebogenen Titan-Rekonstruktionsplatten über das DRG-System. Denkbar wäre die Aufnahme des finanziellen Mehraufwandes in die Fallpau-schalen oder die Einführung eines entsprechenden Zusatzentgeltes. Zu diesem Zweck bedarf es der Teilnahme der durchführenden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Kliniken an den Vorschlagsverfahren zur Aktualisierung des DRG-Systems durch das dafür zuständige Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) und die Verteidigung der Methode gegen die verschiedenen Interessen der beteiligten Akteure.

DOI
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