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Neuroendokrine Parameter zur Erfassung der akuten Alkoholtoleranz beim Menschen
Neuroendokrine Parameter zur Erfassung der akuten Alkoholtoleranz beim Menschen
Hintergrund: Unter akuter Alkoholtoleranz versteht man die Abnahme von Alkoholwirkungen im Verlauf einer einzigen Trinkepisode, die rascher einsetzt und stärker ausgeprägt ist, als allein aufgrund fallender Alkoholspiegel erklärbar wäre. Nach neueren Vorstellungen liegen dabei neuroadaptative Vorgänge im Gehirn zugrunde, deren Aufklärung von hohem Interesse hinsichtlich der Entstehung von Alkoholtoleranz ist. Stark ausgeprägte akute Toleranz ist unter anderem genetisch bedingt und wird als Risikofaktor für hohen Alkoholkonsum angesehen. Die Steuerung entsprechender Experimente ist bisher schwierig, weil bei oraler Alkoholaufnahme der zeitliche Verlauf der Blutalkoholkonzentration nur sehr vage vorhergesagt werden kann. Dies bedeutet, daß bei oraler Alkoholaufnahme die Varianz in Maximum und Zeitpunkt des Maximums erreichter RBAK um ein Drittel höher liegt als bei intravenöser Applikation. Die Abnahme von Alkoholeffekten wurde in der humanexperimentellen Literatur bisher zumeist nur anhand der subjektiven Angaben über die empfundene Alkoholintoxikation untersucht. Dies ist zwar ein valides Maß, jedoch nicht zuverlässig quantifizierbar und gibt keine Auskunft über die zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen. Ziel der vorliegenden Arbeit „Neuroendokrine Parameter zur Erfassung der akuten Alkoholtoleranz beim Menschen“ war zum einen die Verringerung der hohen experimentellen Varianz durch eine neue Methode der Alkoholinfusion, bei der die Blutalkoholkonzentration durch Alkohol-Clamp-Technik über einen längeren Zeitraum konstant gehalten werden kann; zum anderen sollte ein objektives Toleranzmaß gewonnen werden, das zudem noch Aussagen über zugrundeliegende zentralnervöse Mechanismen zulässt. Methoden und Probanden: 15 Probanden im Alter von 20 bis 32 Jahren wurden radomisiert über 4 (n = 8) bzw. 6 Stunden (n = 7) an je einem Alkohol- und einem Placeboinfusionstag untersucht. Alkohol wurde als 6%ige Lösung in Abhängigkeit von Körpergewicht, Alter und Geschlecht so infundiert, dass innerhalb von 20 Minuten die RBAK-Zielkonzentration von 0,6 ‰ erreicht und durch regelmäßige Atemalkoholbestimmung über den Untersuchungszeitraum ±0.05 ‰ stabil gehalten werden konnte. Ab dem Zeitpunkt konstanter RBAK war eine Änderung der Alkoholwirkung im Verlauf somit ausschließlich auf neuroadaptative Vorgänge zurückzuführen. Die Placeboinfusion bestand aus reiner Ringer-Lactat-Lösung. Während der Alkohol- bzw. Placeboinfusion wurden Blutentnahmen zur Bestimmung von LH, ACTH und Cortisol durchgeführt, des weiteren erfolgten wiederholte Messungen von Körperschwanken, subjektivem Intoxikationsempfinden und Herzratenveränderung. Als diagnostische Stimulationsmethode wurde der Naloxontest (Naloxonhydrochlorid 0,125 mg/kg KG) verwendet, der auf Ebene des Hypothalamus die HPA-Achse stimuliert. Ergebnisse: Entgegen unserer Erwartungen war in unserer Studie kein Alkoholeffekt auf die Stimulierbarkeit des HPA-Systems, d.h. keine akute Adaptation des hypothalamischen Neurohormonsystems, nachweisbar. Für die durch Naloxon stimulierte Hormonsekretion fand sich keine Interaktion zwischen Alkoholinfusion und Zeitpunkt der Naloxoninjektion, d.h. es fand sich kein Unterschied zwischen langen und kurzen Versuchen. Eine Alkoholwirkung auf die naloxonstimulierte LH-Sekretion, sedierende Items bei der Erfassung subjektiven Intoxikationsempfindens und auf das Körperschwanken konnte nachgewiesen werden, nicht jedoch auf die Sekretion der weiteren gemessenen Hormone (Cortisol und ACTH), stimulierende Items der Erfassung subjektiven Intoxikationsempfindens und die gemessenen Herzraten. Diskussion: Das Ergebnis der vorliegenden Studie wird dahingehend interpretiert, dass es zur Ausbildung akuter Toleranz eines dynamischen Alkoholverlaufs bedarf. Möglicherweise gelingt der Nachweis akuter Alkoholtoleranz weniger bei über einen längeren Zeitraum gleich bleibender Alkoholkonzentration („steady state“), wie in der Studie durchgeführt, als vielmehr bei der Beobachtung gleicher Konzentrationen (d.h. Schnittpunkte der parabelförmigen Alkoholverlaufskurve zu zwei Punkten gleicher Alkoholkonzentration) bei sich dynamisch ändernder Alkoholkonzentration. Bezüglich dieser Voraussetzung sollten weitere Studien erfolgen, die dieselben gewählten Parameter zum gleichen Alkoholspiegel, jeweils am auf- und absteigenden Schenkel einer parabelförmigen Alkoholverlaufskurve, untersuchen. Grundlage dieser Experimente sollte jedoch weiterhin die hier angewandte Alkohol-Clamp-Technik sein, da diese eine vor allem im Vergleich zu oraler Alkoholaufnahme geringere Streuung der gemessenen RBAK-Werte gewährleistet.
Alkoholtoleranz, Neuroendokrine Parameter, Alkohol-Clamp-Technik
Steffin, Birgit
2006
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Steffin, Birgit (2006): Neuroendokrine Parameter zur Erfassung der akuten Alkoholtoleranz beim Menschen. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Hintergrund: Unter akuter Alkoholtoleranz versteht man die Abnahme von Alkoholwirkungen im Verlauf einer einzigen Trinkepisode, die rascher einsetzt und stärker ausgeprägt ist, als allein aufgrund fallender Alkoholspiegel erklärbar wäre. Nach neueren Vorstellungen liegen dabei neuroadaptative Vorgänge im Gehirn zugrunde, deren Aufklärung von hohem Interesse hinsichtlich der Entstehung von Alkoholtoleranz ist. Stark ausgeprägte akute Toleranz ist unter anderem genetisch bedingt und wird als Risikofaktor für hohen Alkoholkonsum angesehen. Die Steuerung entsprechender Experimente ist bisher schwierig, weil bei oraler Alkoholaufnahme der zeitliche Verlauf der Blutalkoholkonzentration nur sehr vage vorhergesagt werden kann. Dies bedeutet, daß bei oraler Alkoholaufnahme die Varianz in Maximum und Zeitpunkt des Maximums erreichter RBAK um ein Drittel höher liegt als bei intravenöser Applikation. Die Abnahme von Alkoholeffekten wurde in der humanexperimentellen Literatur bisher zumeist nur anhand der subjektiven Angaben über die empfundene Alkoholintoxikation untersucht. Dies ist zwar ein valides Maß, jedoch nicht zuverlässig quantifizierbar und gibt keine Auskunft über die zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen. Ziel der vorliegenden Arbeit „Neuroendokrine Parameter zur Erfassung der akuten Alkoholtoleranz beim Menschen“ war zum einen die Verringerung der hohen experimentellen Varianz durch eine neue Methode der Alkoholinfusion, bei der die Blutalkoholkonzentration durch Alkohol-Clamp-Technik über einen längeren Zeitraum konstant gehalten werden kann; zum anderen sollte ein objektives Toleranzmaß gewonnen werden, das zudem noch Aussagen über zugrundeliegende zentralnervöse Mechanismen zulässt. Methoden und Probanden: 15 Probanden im Alter von 20 bis 32 Jahren wurden radomisiert über 4 (n = 8) bzw. 6 Stunden (n = 7) an je einem Alkohol- und einem Placeboinfusionstag untersucht. Alkohol wurde als 6%ige Lösung in Abhängigkeit von Körpergewicht, Alter und Geschlecht so infundiert, dass innerhalb von 20 Minuten die RBAK-Zielkonzentration von 0,6 ‰ erreicht und durch regelmäßige Atemalkoholbestimmung über den Untersuchungszeitraum ±0.05 ‰ stabil gehalten werden konnte. Ab dem Zeitpunkt konstanter RBAK war eine Änderung der Alkoholwirkung im Verlauf somit ausschließlich auf neuroadaptative Vorgänge zurückzuführen. Die Placeboinfusion bestand aus reiner Ringer-Lactat-Lösung. Während der Alkohol- bzw. Placeboinfusion wurden Blutentnahmen zur Bestimmung von LH, ACTH und Cortisol durchgeführt, des weiteren erfolgten wiederholte Messungen von Körperschwanken, subjektivem Intoxikationsempfinden und Herzratenveränderung. Als diagnostische Stimulationsmethode wurde der Naloxontest (Naloxonhydrochlorid 0,125 mg/kg KG) verwendet, der auf Ebene des Hypothalamus die HPA-Achse stimuliert. Ergebnisse: Entgegen unserer Erwartungen war in unserer Studie kein Alkoholeffekt auf die Stimulierbarkeit des HPA-Systems, d.h. keine akute Adaptation des hypothalamischen Neurohormonsystems, nachweisbar. Für die durch Naloxon stimulierte Hormonsekretion fand sich keine Interaktion zwischen Alkoholinfusion und Zeitpunkt der Naloxoninjektion, d.h. es fand sich kein Unterschied zwischen langen und kurzen Versuchen. Eine Alkoholwirkung auf die naloxonstimulierte LH-Sekretion, sedierende Items bei der Erfassung subjektiven Intoxikationsempfindens und auf das Körperschwanken konnte nachgewiesen werden, nicht jedoch auf die Sekretion der weiteren gemessenen Hormone (Cortisol und ACTH), stimulierende Items der Erfassung subjektiven Intoxikationsempfindens und die gemessenen Herzraten. Diskussion: Das Ergebnis der vorliegenden Studie wird dahingehend interpretiert, dass es zur Ausbildung akuter Toleranz eines dynamischen Alkoholverlaufs bedarf. Möglicherweise gelingt der Nachweis akuter Alkoholtoleranz weniger bei über einen längeren Zeitraum gleich bleibender Alkoholkonzentration („steady state“), wie in der Studie durchgeführt, als vielmehr bei der Beobachtung gleicher Konzentrationen (d.h. Schnittpunkte der parabelförmigen Alkoholverlaufskurve zu zwei Punkten gleicher Alkoholkonzentration) bei sich dynamisch ändernder Alkoholkonzentration. Bezüglich dieser Voraussetzung sollten weitere Studien erfolgen, die dieselben gewählten Parameter zum gleichen Alkoholspiegel, jeweils am auf- und absteigenden Schenkel einer parabelförmigen Alkoholverlaufskurve, untersuchen. Grundlage dieser Experimente sollte jedoch weiterhin die hier angewandte Alkohol-Clamp-Technik sein, da diese eine vor allem im Vergleich zu oraler Alkoholaufnahme geringere Streuung der gemessenen RBAK-Werte gewährleistet.