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Prävalenz und Ausprägung von Schilddrüsenerkrankungen, Schilddrüsenhormonwerten und Vitamin D-Mangel bei sporadischem und familiär gehäuftem Ovarialkarzinom sowie deren Zusammenhang mit der Tumorbiologie
Prävalenz und Ausprägung von Schilddrüsenerkrankungen, Schilddrüsenhormonwerten und Vitamin D-Mangel bei sporadischem und familiär gehäuftem Ovarialkarzinom sowie deren Zusammenhang mit der Tumorbiologie
Das Ovarialkarzinom, eine seltene und mit meist schwerwiegendem Verlauf einhergehende Erkrankung, ist in bis zu 20 % der Fälle mit prädisponierenden Mutationen, meist in den BRCA-Genen, assoziiert (23,24). Es handelt sich um ein hormonabhängiges Karzinom (4,99), dessen Entwicklung in der Literatur neben Östrogen unter anderem mit Schilddrüsenhormonen in Verbindung gebracht wird (3,10,11). Schilddrüsen- und Vitamin D-Rezeptoren gehören wie Östrogenrezeptoren zur Superfamilie der nukleären Rezeptoren, deren Aktivierung tiefgreifende Effekte auf Zellproliferation und -differenzierung und dementsprechend auf eine etwaige Tumorentwicklung hat (84). Aufgrund der großen strukturellen Ähnlichkeit wird eine Wirkung der Schilddrüsenhormone auch über Östrogenrezeptoren vermutet (3,4,7–9). Schilddrüsenhormone scheinen ihre Wirkung auf Ovarialkarzinomzellen zusätzlich über alternative, von Rezeptoren unabhängige, Signalwege auszuüben (12,96). In dieser Arbeit wurde ein Kollektiv von 66 Ovarialkarzinom-Patientinnen (32 mit / 34 ohne pathologische BRCA -Keimbahnmutation) untersucht. Ziel war der Vergleich von BRCA -positiven Patientinnen mit BRCA -negativen (Patientinnen ohne BRCA -Keimbahnmutation) in Bezug auf Schilddrüsenparameter und Vitamin D, sowie in Bezug auf anamnestische Angaben, Tumoreigenschaften, Therapie und Krankheitsverlauf. Diese Vergleiche wurden anhand von Untersuchungen zu Unterschieden zwischen den beiden Gruppen, Korrelationen zu Tumoreigenschaften und Entwicklung von Laborparametern im zeitlichen Verlauf gezogen. Dafür wurden wiederholt Blutentnahmen durchgeführt, nach Dokumentensichtung von Arztbriefen, OP-Berichten und Tumorboardempfehlungen mit den Patientinnen anhand eines Fragebogens ausführliche Anamnesen erhoben, und die Daten über eine Zeitspanne von im Median 26 Monaten ausgewertet. Ein Vergleich der Schilddrüsenparameter / Vitamin D-Werte zwischen Ovarialkarzinom- Patientinnen mit und ohne BRCA -Keimbahnmutation ist zum Zeitpunkt der Datenerhebung in der Literatur noch nicht beschrieben. Anhand der erhobenen Daten und Werte konnte Folgendes aufgezeigt werden: 1. BRCA -negative Patientinnen weisen höhere Werte an Schilddrüsenhormonen auf als BRCA -positive Patientinnen, wobei der Unterschied für fT4 signifikant ausfiel, während sich für fT3 ein Trend abzeichnete. Dabei lagen die medianen Serumspiegel jeweils im euthyreoten Bereich. 2. BRCA -negative Patientinnen mit Beteiligung der Lymphknoten (N1) weisen höhere fT4-Spiegel auf als Patientinnen mit tumorfreien Lymphknoten, ein Umstand der kongruent ist mit der beobachteten schlechteren Prognose bei höheren Schilddrüsenhormonwerten (11,93). 3. Bei BRCA -negativen Patientinnen stiegen TSH- (signifikativ, p=.043) und fT3-Werte (nicht signifikativ, p=.068) von prätherapeutisch zu postoperativ. Im weiteren Verlauf der Therapie stiegen die TSH-Werte weiter an (nicht signifikativ, p=.398), während die fT3-Werte posttherapeutisch auf den Ausgangswert zurückkehrten. Für alle anderen Werte und (Unter-) Gruppen (entsprechend dem Gesamtkollektiv sowie der Untergruppe der BRCA -positiven Patientinnen) zeigten sich keine Unterschiede der Werte im zeitlichen Verlauf. Alle medianen Serumspiegel lagen jeweils im Normbereich. 4. In der BRCA -positiven Gruppe ergaben sich Hinweise auf eine positive Korrelation zwischen kumulativer Dauer einer hormonellen Kontrazeption und fortgeschrittenem FIGO-Stadium bei Erstdiagnose (logistische Regressionsanalyse p=.009, Variable Dauer der hormonellen Kontrazeption p=.051). Weiterführend konnten Belege für einige in der Literatur beschriebene Sachverhalte gefunden werden: 5. BRCA -positive Patientinnen zeigen ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben auf als BRCA -negative Patientinnen. 6. BRCA -positive Patientinnen sind bei Erstdiagnose signifikant jünger als BRCA -negative Patientinnen. 7. BRCA -positive Patientinnen weisen signifikant häufiger eine positive Familienanamnese für Ovarial- / Mammakarzinome, sowie eine persönliche Anamnese für Zweitkarzinome (meist Mammakarzinome) auf als BRCA -negative Patientinnen. In Bezug auf Tumoreigenschaften, Schilddrüsenerkrankungen und Vitamin D-Werte konnte kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden. Diese Arbeit legt den Fokus auf die Charakterisierung des Patientenkollektivs und beschreibt erstmals die Schilddrüsenfunktion zu unterschiedlichen Zeitpunkten einer Ovarialkarzinomerkrankung vor und unter dem Einfluss der Therapie, immer vergleichend zwischen Patientinnen mit und ohne BRCA -Keimbahnmutation. Die beobachteten Unterschiede der Schilddrüsenhormonwerte sind richtungsweisend für weitere Untersuchungen und weisen auf prognostische und potentiell therapeutische Zusammenhänge beim sporadischen im Vergleich zum familiären Ovarialkarzinom hin. Nach unizentrischer Erhebung und Auswertung sind multizentrische Untersuchungen geplant, um die Fallzahl zu erweitern und somit präzisere statistische Aussagen zu ermöglichen. Hiervon würden wir uns ein immer eindeutigeres Bild vom Zusammenhang der Schilddrüsenhormone und des Vitamin D-Status mit der Erkrankung Ovarialkarzinom und den prädisponierenden Mutationen erhoffen. Idealerweise könnten derartige Erkenntnisse richtungsweisend für allfällige therapeutische Anwendungen sein.
Schilddrüsenhormone, Vitamin D, Ovarialkarzinom, BRCA-Mutation
Kuhn, Regina Elisabeth
2022
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Kuhn, Regina Elisabeth (2022): Prävalenz und Ausprägung von Schilddrüsenerkrankungen, Schilddrüsenhormonwerten und Vitamin D-Mangel bei sporadischem und familiär gehäuftem Ovarialkarzinom sowie deren Zusammenhang mit der Tumorbiologie. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Das Ovarialkarzinom, eine seltene und mit meist schwerwiegendem Verlauf einhergehende Erkrankung, ist in bis zu 20 % der Fälle mit prädisponierenden Mutationen, meist in den BRCA-Genen, assoziiert (23,24). Es handelt sich um ein hormonabhängiges Karzinom (4,99), dessen Entwicklung in der Literatur neben Östrogen unter anderem mit Schilddrüsenhormonen in Verbindung gebracht wird (3,10,11). Schilddrüsen- und Vitamin D-Rezeptoren gehören wie Östrogenrezeptoren zur Superfamilie der nukleären Rezeptoren, deren Aktivierung tiefgreifende Effekte auf Zellproliferation und -differenzierung und dementsprechend auf eine etwaige Tumorentwicklung hat (84). Aufgrund der großen strukturellen Ähnlichkeit wird eine Wirkung der Schilddrüsenhormone auch über Östrogenrezeptoren vermutet (3,4,7–9). Schilddrüsenhormone scheinen ihre Wirkung auf Ovarialkarzinomzellen zusätzlich über alternative, von Rezeptoren unabhängige, Signalwege auszuüben (12,96). In dieser Arbeit wurde ein Kollektiv von 66 Ovarialkarzinom-Patientinnen (32 mit / 34 ohne pathologische BRCA -Keimbahnmutation) untersucht. Ziel war der Vergleich von BRCA -positiven Patientinnen mit BRCA -negativen (Patientinnen ohne BRCA -Keimbahnmutation) in Bezug auf Schilddrüsenparameter und Vitamin D, sowie in Bezug auf anamnestische Angaben, Tumoreigenschaften, Therapie und Krankheitsverlauf. Diese Vergleiche wurden anhand von Untersuchungen zu Unterschieden zwischen den beiden Gruppen, Korrelationen zu Tumoreigenschaften und Entwicklung von Laborparametern im zeitlichen Verlauf gezogen. Dafür wurden wiederholt Blutentnahmen durchgeführt, nach Dokumentensichtung von Arztbriefen, OP-Berichten und Tumorboardempfehlungen mit den Patientinnen anhand eines Fragebogens ausführliche Anamnesen erhoben, und die Daten über eine Zeitspanne von im Median 26 Monaten ausgewertet. Ein Vergleich der Schilddrüsenparameter / Vitamin D-Werte zwischen Ovarialkarzinom- Patientinnen mit und ohne BRCA -Keimbahnmutation ist zum Zeitpunkt der Datenerhebung in der Literatur noch nicht beschrieben. Anhand der erhobenen Daten und Werte konnte Folgendes aufgezeigt werden: 1. BRCA -negative Patientinnen weisen höhere Werte an Schilddrüsenhormonen auf als BRCA -positive Patientinnen, wobei der Unterschied für fT4 signifikant ausfiel, während sich für fT3 ein Trend abzeichnete. Dabei lagen die medianen Serumspiegel jeweils im euthyreoten Bereich. 2. BRCA -negative Patientinnen mit Beteiligung der Lymphknoten (N1) weisen höhere fT4-Spiegel auf als Patientinnen mit tumorfreien Lymphknoten, ein Umstand der kongruent ist mit der beobachteten schlechteren Prognose bei höheren Schilddrüsenhormonwerten (11,93). 3. Bei BRCA -negativen Patientinnen stiegen TSH- (signifikativ, p=.043) und fT3-Werte (nicht signifikativ, p=.068) von prätherapeutisch zu postoperativ. Im weiteren Verlauf der Therapie stiegen die TSH-Werte weiter an (nicht signifikativ, p=.398), während die fT3-Werte posttherapeutisch auf den Ausgangswert zurückkehrten. Für alle anderen Werte und (Unter-) Gruppen (entsprechend dem Gesamtkollektiv sowie der Untergruppe der BRCA -positiven Patientinnen) zeigten sich keine Unterschiede der Werte im zeitlichen Verlauf. Alle medianen Serumspiegel lagen jeweils im Normbereich. 4. In der BRCA -positiven Gruppe ergaben sich Hinweise auf eine positive Korrelation zwischen kumulativer Dauer einer hormonellen Kontrazeption und fortgeschrittenem FIGO-Stadium bei Erstdiagnose (logistische Regressionsanalyse p=.009, Variable Dauer der hormonellen Kontrazeption p=.051). Weiterführend konnten Belege für einige in der Literatur beschriebene Sachverhalte gefunden werden: 5. BRCA -positive Patientinnen zeigen ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben auf als BRCA -negative Patientinnen. 6. BRCA -positive Patientinnen sind bei Erstdiagnose signifikant jünger als BRCA -negative Patientinnen. 7. BRCA -positive Patientinnen weisen signifikant häufiger eine positive Familienanamnese für Ovarial- / Mammakarzinome, sowie eine persönliche Anamnese für Zweitkarzinome (meist Mammakarzinome) auf als BRCA -negative Patientinnen. In Bezug auf Tumoreigenschaften, Schilddrüsenerkrankungen und Vitamin D-Werte konnte kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden. Diese Arbeit legt den Fokus auf die Charakterisierung des Patientenkollektivs und beschreibt erstmals die Schilddrüsenfunktion zu unterschiedlichen Zeitpunkten einer Ovarialkarzinomerkrankung vor und unter dem Einfluss der Therapie, immer vergleichend zwischen Patientinnen mit und ohne BRCA -Keimbahnmutation. Die beobachteten Unterschiede der Schilddrüsenhormonwerte sind richtungsweisend für weitere Untersuchungen und weisen auf prognostische und potentiell therapeutische Zusammenhänge beim sporadischen im Vergleich zum familiären Ovarialkarzinom hin. Nach unizentrischer Erhebung und Auswertung sind multizentrische Untersuchungen geplant, um die Fallzahl zu erweitern und somit präzisere statistische Aussagen zu ermöglichen. Hiervon würden wir uns ein immer eindeutigeres Bild vom Zusammenhang der Schilddrüsenhormone und des Vitamin D-Status mit der Erkrankung Ovarialkarzinom und den prädisponierenden Mutationen erhoffen. Idealerweise könnten derartige Erkenntnisse richtungsweisend für allfällige therapeutische Anwendungen sein.