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Elektroenzephalogramm und FOS-Expression bei der chirurgischen Kastration von Saugferkeln unter Lokalanästhesie
Elektroenzephalogramm und FOS-Expression bei der chirurgischen Kastration von Saugferkeln unter Lokalanästhesie
An einem Wirbeltier darf ohne Betäubung ein mit Schmerzen verbundener Eingriff nicht vorgenommen werden (TierSchG § 5). Dieser Grundsatz gilt seit dem 1.1.2021 auch für die Kastration von unter acht Tage alten Ferkeln. Die Untersuchung, ob Lokalanästhesie eine ausreichende Schmerzausschaltung für diesen Eingriff gewährleistet und die Forderung des Tierschutzgesetzes erfüllt, ist Ziel einer umfassenden, aus mehreren Abschnitten bestehenden Gesamtstudie. Die vorliegende Arbeit präsentiert Ergebnisse aus dem ersten Studienteil, in dem die nozizeptive Reaktion der Ferkel auf die Kastration unter Isoflurannarkose untersucht wurde. Änderungen im EEG und in der FOS-Expression im Dorsalhorn des Rückenmarks wurden ergänzend zu den „klassischen“ hämodynamischen und neurohumoralen Parametern erhoben, um ein Gesamtbild der nozizeptiven Reaktion zu erhalten. Mittels eines noxischen ZZR wurde in jedem Tier die individuelle Isoflurandosierung bestimmt, um das Narkosestadium III.1 (nach Guedel), das Stadium der Hypnose, zu erreichen. Bupivacain 0,5 %, Lidocain 2 %, Mepivacain 20 mg/ml oder Procain 4 %, wurden i.t. mit zusätzlichem subkutanem Depot injiziert. Nach einer Einwirkzeit von 20 Minuten erfolgte die Kastration. Als Vergleich diente eine Gruppe, der Kochsalz injiziert wurde und eine Gruppe, in der die Eingriffe lediglich simuliert wurden. Während dem ZZR und während der einzelnen Kastrationsschritte wurde die kortikale Aktivität mittels eines Zweikanal-EEGs aufgezeichnet. Die Änderung der Wellenaktivität im Vergleich zur Baseline wurde über 90 Sekunden im Spektralbereich von >030 Hz ausgewertet und als Spektrogramm dargestellt. Nach Abschluss der Messungen wurden die Ferkel in Narkose schmerzfrei euthanasiert. Unmittelbar danach wurden lumbale (L1, L2, L3) und sakrale (S13) Abschnitte des Rückenmarkes entnommen. Nach histologischer Aufarbeitung der Gewebeproben und immunhistochemischer Färbereaktion von Gewebeschnitten, wurde die FOS-Expression im Dorsalhorn mittels einer semiquantitativen Bewertungsmethode evaluiert. Die EEG-Auswertung des ZZR s zeigte ein biphasisches Reaktionsmuster, welches in dem gewählten Versuchsaufbau das Reaktionsmuster von Ferkeln auf einen peripheren noxischen Reiz über 90 s darstellt. Ähnliche Muster traten nach dem Hautschnitt und nach der Samenstrangdurchtrennung bei den Tieren auf, die ohne Analgesie kastriert wurden. In den Lokalanästhesie-Gruppen und in der Handling-Gruppe waren die EEG-Reaktionen nicht vorhanden bzw. deutlich geringer. Nach der i.t. und s.sc. Injektion einer Substanz treten in allen Gruppen zumindest kurze, signifikante Reaktionen auf. Die FOS-Expression war, außer in der Bupivacain-Gruppe, in den Lokalanästhesie-Gruppen und in der Handling-Gruppe im Vergleich zur NaCl-Gruppe verringert. Auf der Grundlage der EEG- und FOS-Daten kann davon ausgegangen werden, dass in dem gewählten Versuchsaufbau, die Verwendung von Lokalanästhetika zur Saugferkelkastration, sehr wahrscheinlich die nozizeptive Übertragung peripherer Noxen auf die Großhirnrinde vermindert. Die geringere nozizeptive Aktivierung wurde ebenfalls auf Ebene des Rückenmarks festgestellt. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit den signifikant reduzierten Abwehrbewegungen und kardiovaskulären Reaktionen bei der Kastration durch die Anwendung eines Lokalanästhetikums (SALLER et al., 2020). Weitere Untersuchungen am wachen Tier sind notwendig um den Schmerz während der Saugferkelkastration und seine Verringerung durch Lokalanästhetika in der Gesamtheit seiner Dimensionen zu beurteilen., No procedure involving pain may be performed on vertebrates without anesthesia (TierSchG § 5). Since 1.1.2021, this principle also applies to the castration of piglets less than eight days old. The investigation of whether local anesthesia provides sufficient analgesia for this procedure and fulfills the requirements of the Animal Welfare Act is the aim of a comprehensive overall study consisting of several sections. The present paper presents results from the first part of the study, in which the nociceptive response of piglets to castration under isoflurane anesthesia was investigated. Changes in EEG and FOS expression in the spinal dorsal horn were collected in addition to the "classical" hemodynamic and neurohumoral parameters to obtain an overall picture of the nociceptive response. Using a noxious interdigital pinch, the individual isoflurane dosage was determined in each animal individually, to reach anesthetic stage III.1 (according to Guedel), the stage of hypnosis. Bupivacaine 0.5%, lidocaine 2%, mepivacaine 20 mg/ml or procaine 4% were injected intratesticularly with an additional subcutaneous depot. After an exposure time of 20 minutes, castration was performed. A group injected with saline and a group in which the procedures were only simulated served as a comparison. Following the interdigital pinch and during each castration step, cortical activity was recorded using a two-channel EEG. The change in wave activity compared to baseline values was evaluated over 90 seconds in the spectral range of >030 Hz and displayed as a spectrogram. After completion of the measurements, piglets were euthanized under anesthesia. Immediately thereafter, lumbar (L1, L2, L3) and sacral (S13) segments of the spinal cord were harvested. After histological processing of tissue samples and immunohistochemical staining reaction of tissue sections, FOS expression in the dorsal horn was evaluated by a semiquantitative scoring approach. EEG evaluation of the interdigit pinch revealed a biphasic response pattern, which in the applied experimental setup represents the response pattern of piglets to a peripheral noxious stimulus over 90 s. Similar patterns occurred after skin incision and after dissection of the spermatic cord in animals castrated without analgesia. In the local anesthesia groups and in the handling group, the EEG responses were absent or significantly smaller, respectively. After intratesticular and subscrotal injection of a substance, at least brief significant responses occurred in all groups. FOS expression was decreased, except in the bupivacaine group, in the local anesthetic groups and in the handling group compared with the NaCl group. On the basis of the EEG and FOS data, it can be assumed that in the applied experimental setup, the use of local anesthetics for suckling piglet castration, most likely decreased the nociceptive transmission of peripheral noxious agents to the cerebral cortex. The decreased nociceptive activation was also found at the level of the spinal cord. These results are consistent with significantly reduced defensive movements and cardiovascular responses during castration with the use of a local anesthetic (SALLER et al., 2020). Further studies on the awake animal are necessary to assess pain during suckling piglet castration and its reduction by local anesthetics in all its dimensions.
Elektroenzephalogramm, FOS, Ferkelkastration, Lokalanästhesie, Nozizeption
Reiser, Judith
2022
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Reiser, Judith (2022): Elektroenzephalogramm und FOS-Expression bei der chirurgischen Kastration von Saugferkeln unter Lokalanästhesie. Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät
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Abstract

An einem Wirbeltier darf ohne Betäubung ein mit Schmerzen verbundener Eingriff nicht vorgenommen werden (TierSchG § 5). Dieser Grundsatz gilt seit dem 1.1.2021 auch für die Kastration von unter acht Tage alten Ferkeln. Die Untersuchung, ob Lokalanästhesie eine ausreichende Schmerzausschaltung für diesen Eingriff gewährleistet und die Forderung des Tierschutzgesetzes erfüllt, ist Ziel einer umfassenden, aus mehreren Abschnitten bestehenden Gesamtstudie. Die vorliegende Arbeit präsentiert Ergebnisse aus dem ersten Studienteil, in dem die nozizeptive Reaktion der Ferkel auf die Kastration unter Isoflurannarkose untersucht wurde. Änderungen im EEG und in der FOS-Expression im Dorsalhorn des Rückenmarks wurden ergänzend zu den „klassischen“ hämodynamischen und neurohumoralen Parametern erhoben, um ein Gesamtbild der nozizeptiven Reaktion zu erhalten. Mittels eines noxischen ZZR wurde in jedem Tier die individuelle Isoflurandosierung bestimmt, um das Narkosestadium III.1 (nach Guedel), das Stadium der Hypnose, zu erreichen. Bupivacain 0,5 %, Lidocain 2 %, Mepivacain 20 mg/ml oder Procain 4 %, wurden i.t. mit zusätzlichem subkutanem Depot injiziert. Nach einer Einwirkzeit von 20 Minuten erfolgte die Kastration. Als Vergleich diente eine Gruppe, der Kochsalz injiziert wurde und eine Gruppe, in der die Eingriffe lediglich simuliert wurden. Während dem ZZR und während der einzelnen Kastrationsschritte wurde die kortikale Aktivität mittels eines Zweikanal-EEGs aufgezeichnet. Die Änderung der Wellenaktivität im Vergleich zur Baseline wurde über 90 Sekunden im Spektralbereich von >030 Hz ausgewertet und als Spektrogramm dargestellt. Nach Abschluss der Messungen wurden die Ferkel in Narkose schmerzfrei euthanasiert. Unmittelbar danach wurden lumbale (L1, L2, L3) und sakrale (S13) Abschnitte des Rückenmarkes entnommen. Nach histologischer Aufarbeitung der Gewebeproben und immunhistochemischer Färbereaktion von Gewebeschnitten, wurde die FOS-Expression im Dorsalhorn mittels einer semiquantitativen Bewertungsmethode evaluiert. Die EEG-Auswertung des ZZR s zeigte ein biphasisches Reaktionsmuster, welches in dem gewählten Versuchsaufbau das Reaktionsmuster von Ferkeln auf einen peripheren noxischen Reiz über 90 s darstellt. Ähnliche Muster traten nach dem Hautschnitt und nach der Samenstrangdurchtrennung bei den Tieren auf, die ohne Analgesie kastriert wurden. In den Lokalanästhesie-Gruppen und in der Handling-Gruppe waren die EEG-Reaktionen nicht vorhanden bzw. deutlich geringer. Nach der i.t. und s.sc. Injektion einer Substanz treten in allen Gruppen zumindest kurze, signifikante Reaktionen auf. Die FOS-Expression war, außer in der Bupivacain-Gruppe, in den Lokalanästhesie-Gruppen und in der Handling-Gruppe im Vergleich zur NaCl-Gruppe verringert. Auf der Grundlage der EEG- und FOS-Daten kann davon ausgegangen werden, dass in dem gewählten Versuchsaufbau, die Verwendung von Lokalanästhetika zur Saugferkelkastration, sehr wahrscheinlich die nozizeptive Übertragung peripherer Noxen auf die Großhirnrinde vermindert. Die geringere nozizeptive Aktivierung wurde ebenfalls auf Ebene des Rückenmarks festgestellt. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit den signifikant reduzierten Abwehrbewegungen und kardiovaskulären Reaktionen bei der Kastration durch die Anwendung eines Lokalanästhetikums (SALLER et al., 2020). Weitere Untersuchungen am wachen Tier sind notwendig um den Schmerz während der Saugferkelkastration und seine Verringerung durch Lokalanästhetika in der Gesamtheit seiner Dimensionen zu beurteilen.

Abstract

No procedure involving pain may be performed on vertebrates without anesthesia (TierSchG § 5). Since 1.1.2021, this principle also applies to the castration of piglets less than eight days old. The investigation of whether local anesthesia provides sufficient analgesia for this procedure and fulfills the requirements of the Animal Welfare Act is the aim of a comprehensive overall study consisting of several sections. The present paper presents results from the first part of the study, in which the nociceptive response of piglets to castration under isoflurane anesthesia was investigated. Changes in EEG and FOS expression in the spinal dorsal horn were collected in addition to the "classical" hemodynamic and neurohumoral parameters to obtain an overall picture of the nociceptive response. Using a noxious interdigital pinch, the individual isoflurane dosage was determined in each animal individually, to reach anesthetic stage III.1 (according to Guedel), the stage of hypnosis. Bupivacaine 0.5%, lidocaine 2%, mepivacaine 20 mg/ml or procaine 4% were injected intratesticularly with an additional subcutaneous depot. After an exposure time of 20 minutes, castration was performed. A group injected with saline and a group in which the procedures were only simulated served as a comparison. Following the interdigital pinch and during each castration step, cortical activity was recorded using a two-channel EEG. The change in wave activity compared to baseline values was evaluated over 90 seconds in the spectral range of >030 Hz and displayed as a spectrogram. After completion of the measurements, piglets were euthanized under anesthesia. Immediately thereafter, lumbar (L1, L2, L3) and sacral (S13) segments of the spinal cord were harvested. After histological processing of tissue samples and immunohistochemical staining reaction of tissue sections, FOS expression in the dorsal horn was evaluated by a semiquantitative scoring approach. EEG evaluation of the interdigit pinch revealed a biphasic response pattern, which in the applied experimental setup represents the response pattern of piglets to a peripheral noxious stimulus over 90 s. Similar patterns occurred after skin incision and after dissection of the spermatic cord in animals castrated without analgesia. In the local anesthesia groups and in the handling group, the EEG responses were absent or significantly smaller, respectively. After intratesticular and subscrotal injection of a substance, at least brief significant responses occurred in all groups. FOS expression was decreased, except in the bupivacaine group, in the local anesthetic groups and in the handling group compared with the NaCl group. On the basis of the EEG and FOS data, it can be assumed that in the applied experimental setup, the use of local anesthetics for suckling piglet castration, most likely decreased the nociceptive transmission of peripheral noxious agents to the cerebral cortex. The decreased nociceptive activation was also found at the level of the spinal cord. These results are consistent with significantly reduced defensive movements and cardiovascular responses during castration with the use of a local anesthetic (SALLER et al., 2020). Further studies on the awake animal are necessary to assess pain during suckling piglet castration and its reduction by local anesthetics in all its dimensions.