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Sozioökonomische Ungleichheit beim Gebrauch psychoaktiver Substanzen
Sozioökonomische Ungleichheit beim Gebrauch psychoaktiver Substanzen
Der Gebrauch psychoaktiver Substanzen ist mit diversen gesundheitlichen und sozialen Risiken verbunden und die Reduzierung des Gebrauchs daher von besonderer Public-Health-Relevanz. Um die Konsummuster in der Gesellschaft greifbar zu machen, und um dementsprechende Präventions- und Interventionsempfehlungen ableiten zu können, ist eine deskriptive statistische Darstellung der Konsummuster sowie die Exploration potenzieller Ursachen zwingend erforderlich. Eine entscheidende Rolle bei der Betrachtung des Gebrauchs psychoaktiver Substanzen auf Bevölkerungsebene spielt die soziale Ungleichheit, denn Studien zufolge scheint das Ausmaß des Substanzmittelgebrauchs nicht gleichmäßig über die unterschiedlichen sozialen Statusgruppen verteilt zu sein. Während innerhalb der sozialepidemiologischen Forschung ein breiter Konsens über den negativen sozialen Gradienten bei Morbidität und Mortalität herrscht (d.h. je niedriger der sozioökonomische Status einer Person, desto größer das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko), ergibt sich ein weniger klares Muster beim sozialen Gradienten des Substanzmittelgebrauchs. Unklarheit existiert ebenso zur weiterführenden Frage nach den potentiellen Ursachen der sozialen Ungleichheit beim Substanzmittelgebrauch. Die vorliegende Dissertation verfolgte das übergeordnete Ziel, mehr Empirie zu einem noch nicht tiefgehend untersuchten Zusammenhang von sozioökonomischem Status und Substanzmittelgebrauch zu generieren. In einem ersten Forschungsvorhaben wurde die Beschaffenheit des sozialen Gradienten beim Substanzmittelgebrauch erforscht, indem in einem explorativen, vergleichenden Ansatz vier verschiedene psychoaktive Substanzen (Tabak, Alkohol, Cannabis, Schmerzmittel) nach drei unterschiedlichen Indikatoren für sozioökonomischen Status (beruflicher Status, berufliche soziale Klasse, Erwerbstätigkeitsstatus) stratifiziert und gegenübergestellt wurden. In einem zweiten Forschungsvorhaben wurde die kausale Verkettung beim Zusammenhang von sozioökonomischem Status und Substanzmittelgebrauch am Beispiel des Medikamentengebrauchs untersucht. Der deutsche Epidemiologische Suchtsurvey (ESA) 2012, ein repräsentativer Datensatz mit einer Stichprobe von n=9.084 aus der 18- bis 64-jährigen deutschen Bevölkerung, diente in beiden Studien als Datengrundlage. Die erste Studie hat gezeigt, dass die Ausrichtung des sozialen Gradienten beim Substanzmittelgebrauch davon abhängt, wie der Zusammenhang konzeptualisiert wurde. Der soziale Gradient variierte, je nachdem welche Substanz im Fokus stand, wie die jeweilige Substanz operationalisiert wurde, und welcher Indikator für sozioökonomischen Status zur Anwendung kam. Generalisierte und vereinheitlichte Aussagen zum sozialen Gradienten beim Substanzmittelgebrauch sind demzufolge als problematisch zu bewerten. Als einziges substanzübergreifendes Konsummuster hat sich gezeigt, dass Männer aus sozial benachteiligten Statusgruppen eher zu problematischem Konsum neigen. Die Ergebnisse der zweiten Studie unterschieden sich ebenfalls wesentlich zwischen Männern und Frauen. Während ein erhöhter Medikamentengebrauch bei Männern aus sozial benachteiligten Statusgruppen fast vollständig auf den schlechteren Gesundheitszustand zurückzuführen war, ergab sich ein unklares Bild beim Medikamentengebrauch unter Frauen. Insgesamt sprechen die Ergebnisse beider Studien dafür, dass eine Verbesserung der prekären Lebensverhältnisse in sozial benachteiligten Statusgruppen eine Reduzierung des Substanzmittelgebrauchs zur Folge haben könnte. Insbesondere der problematische Konsum scheint unter Personen mit niedrigem Sozialstatus als wichtiger Risikofaktor für die Gesundheit zu gelten. Präventiven Maßnahmen an Orten mit sozialer Segregation (z.B. Schulen, Unternehmen, Wohnviertel) kann dementsprechend hohe Relevanz beigemessen werden., Use of psychoactive substances is associated with several health and social consequences, thus use reduction is of great relevance for public health. Descriptive statistics and an exploration of potential causes are required to make consumption patterns visible and to infer proper prevention and intervention measures. A key issue in the monitoring of psychoactive substance use on population level is the societal social inequality. Studies have shown that the distribution of substance use is not equal across different social status groups. While in social-epidemiological studies a broad consensus exists about the negative social gradient of morbidity and mortality (i.e. the lower the socio-economic status of a person, the higher the risk for morbidity and mortality), the characteristics of the social gradient of substance use remain unclear. Ambiguity also exists regarding potential causes of social inequalities in the use of psychoactive substances. The greater aim of the present dissertation was to add clarity to the the scarcely explored association of socio-economic status and substance use by providing further empirical evidence. In the first of two research projects, characteristics of the social gradient of substance use were examined by applying a comparative assessment. Four different substances (tobacco, alcohol, cannabis, analgesics) were stratified by three different indicators of socio-economic status (occupational status, occupational social class, employment status). In the second research project, causal pathways from socio-economic status to an exemplarily selected substance (medicine use) were investigated to explore potential causes of social inequalities in substance use. The German Epidemiological Survey of Substance Abuse (ESA) 2012, a representative sample of n=9.084 participants drawn from the 18- to 64-year-old German population, was used as data basis in both studies. The first study showed that the direction of the social gradient of substance use depends on the conceptualization of the association. The social gradient varied by the considered substance, its operationalization, and the applied indicator of socio-economic status. Generalized and simplified conclusions about the social gradient of substance use are therefore critical. The only consistent consumption pattern across different substances was that of underprivileged males who tended to engage in problematic use. Results of the second study also varied by gender. While an increased use of medicines among males of socially deprived status groups can be fully explained by their poorer health status, ambiguous results were found for females. Taken as a whole, results of both studies indicated that an improvement of deprived conditions in life among people of lower social status groups could induce a reduction of substance use. In particular, problematic use among underprivileged individuals seems to be a major hazard for human health. Places with social segregation (e.g. schools, workplaces, neighbourhoods) are thus of great relevance for preventive measures.
Not available
Maron, Julian
2020
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Maron, Julian (2020): Sozioökonomische Ungleichheit beim Gebrauch psychoaktiver Substanzen. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Der Gebrauch psychoaktiver Substanzen ist mit diversen gesundheitlichen und sozialen Risiken verbunden und die Reduzierung des Gebrauchs daher von besonderer Public-Health-Relevanz. Um die Konsummuster in der Gesellschaft greifbar zu machen, und um dementsprechende Präventions- und Interventionsempfehlungen ableiten zu können, ist eine deskriptive statistische Darstellung der Konsummuster sowie die Exploration potenzieller Ursachen zwingend erforderlich. Eine entscheidende Rolle bei der Betrachtung des Gebrauchs psychoaktiver Substanzen auf Bevölkerungsebene spielt die soziale Ungleichheit, denn Studien zufolge scheint das Ausmaß des Substanzmittelgebrauchs nicht gleichmäßig über die unterschiedlichen sozialen Statusgruppen verteilt zu sein. Während innerhalb der sozialepidemiologischen Forschung ein breiter Konsens über den negativen sozialen Gradienten bei Morbidität und Mortalität herrscht (d.h. je niedriger der sozioökonomische Status einer Person, desto größer das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko), ergibt sich ein weniger klares Muster beim sozialen Gradienten des Substanzmittelgebrauchs. Unklarheit existiert ebenso zur weiterführenden Frage nach den potentiellen Ursachen der sozialen Ungleichheit beim Substanzmittelgebrauch. Die vorliegende Dissertation verfolgte das übergeordnete Ziel, mehr Empirie zu einem noch nicht tiefgehend untersuchten Zusammenhang von sozioökonomischem Status und Substanzmittelgebrauch zu generieren. In einem ersten Forschungsvorhaben wurde die Beschaffenheit des sozialen Gradienten beim Substanzmittelgebrauch erforscht, indem in einem explorativen, vergleichenden Ansatz vier verschiedene psychoaktive Substanzen (Tabak, Alkohol, Cannabis, Schmerzmittel) nach drei unterschiedlichen Indikatoren für sozioökonomischen Status (beruflicher Status, berufliche soziale Klasse, Erwerbstätigkeitsstatus) stratifiziert und gegenübergestellt wurden. In einem zweiten Forschungsvorhaben wurde die kausale Verkettung beim Zusammenhang von sozioökonomischem Status und Substanzmittelgebrauch am Beispiel des Medikamentengebrauchs untersucht. Der deutsche Epidemiologische Suchtsurvey (ESA) 2012, ein repräsentativer Datensatz mit einer Stichprobe von n=9.084 aus der 18- bis 64-jährigen deutschen Bevölkerung, diente in beiden Studien als Datengrundlage. Die erste Studie hat gezeigt, dass die Ausrichtung des sozialen Gradienten beim Substanzmittelgebrauch davon abhängt, wie der Zusammenhang konzeptualisiert wurde. Der soziale Gradient variierte, je nachdem welche Substanz im Fokus stand, wie die jeweilige Substanz operationalisiert wurde, und welcher Indikator für sozioökonomischen Status zur Anwendung kam. Generalisierte und vereinheitlichte Aussagen zum sozialen Gradienten beim Substanzmittelgebrauch sind demzufolge als problematisch zu bewerten. Als einziges substanzübergreifendes Konsummuster hat sich gezeigt, dass Männer aus sozial benachteiligten Statusgruppen eher zu problematischem Konsum neigen. Die Ergebnisse der zweiten Studie unterschieden sich ebenfalls wesentlich zwischen Männern und Frauen. Während ein erhöhter Medikamentengebrauch bei Männern aus sozial benachteiligten Statusgruppen fast vollständig auf den schlechteren Gesundheitszustand zurückzuführen war, ergab sich ein unklares Bild beim Medikamentengebrauch unter Frauen. Insgesamt sprechen die Ergebnisse beider Studien dafür, dass eine Verbesserung der prekären Lebensverhältnisse in sozial benachteiligten Statusgruppen eine Reduzierung des Substanzmittelgebrauchs zur Folge haben könnte. Insbesondere der problematische Konsum scheint unter Personen mit niedrigem Sozialstatus als wichtiger Risikofaktor für die Gesundheit zu gelten. Präventiven Maßnahmen an Orten mit sozialer Segregation (z.B. Schulen, Unternehmen, Wohnviertel) kann dementsprechend hohe Relevanz beigemessen werden.

Abstract

Use of psychoactive substances is associated with several health and social consequences, thus use reduction is of great relevance for public health. Descriptive statistics and an exploration of potential causes are required to make consumption patterns visible and to infer proper prevention and intervention measures. A key issue in the monitoring of psychoactive substance use on population level is the societal social inequality. Studies have shown that the distribution of substance use is not equal across different social status groups. While in social-epidemiological studies a broad consensus exists about the negative social gradient of morbidity and mortality (i.e. the lower the socio-economic status of a person, the higher the risk for morbidity and mortality), the characteristics of the social gradient of substance use remain unclear. Ambiguity also exists regarding potential causes of social inequalities in the use of psychoactive substances. The greater aim of the present dissertation was to add clarity to the the scarcely explored association of socio-economic status and substance use by providing further empirical evidence. In the first of two research projects, characteristics of the social gradient of substance use were examined by applying a comparative assessment. Four different substances (tobacco, alcohol, cannabis, analgesics) were stratified by three different indicators of socio-economic status (occupational status, occupational social class, employment status). In the second research project, causal pathways from socio-economic status to an exemplarily selected substance (medicine use) were investigated to explore potential causes of social inequalities in substance use. The German Epidemiological Survey of Substance Abuse (ESA) 2012, a representative sample of n=9.084 participants drawn from the 18- to 64-year-old German population, was used as data basis in both studies. The first study showed that the direction of the social gradient of substance use depends on the conceptualization of the association. The social gradient varied by the considered substance, its operationalization, and the applied indicator of socio-economic status. Generalized and simplified conclusions about the social gradient of substance use are therefore critical. The only consistent consumption pattern across different substances was that of underprivileged males who tended to engage in problematic use. Results of the second study also varied by gender. While an increased use of medicines among males of socially deprived status groups can be fully explained by their poorer health status, ambiguous results were found for females. Taken as a whole, results of both studies indicated that an improvement of deprived conditions in life among people of lower social status groups could induce a reduction of substance use. In particular, problematic use among underprivileged individuals seems to be a major hazard for human health. Places with social segregation (e.g. schools, workplaces, neighbourhoods) are thus of great relevance for preventive measures.