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Vergleich von deutschen und neuseeländischen Milchproduktionssystemen mit dem Schwerpunkt Tiergesundheit
Vergleich von deutschen und neuseeländischen Milchproduktionssystemen mit dem Schwerpunkt Tiergesundheit
In der vorliegenden Arbeit wird ein Vergleich von deutschen (D) und neuseeländischen (N) Milchproduktionssystemen mit dem Fokus auf tiergesundheitliche Aspekte durchgeführt. Dazu wurden acht Betriebe in Deutschland besucht und insgesamt 350 Milchkühe untersucht und in Neuseeland sechs Betriebe besucht und insgesamt 363 Kühe untersucht. Von den untersuchten Tieren wurden die Gesundheits- und Leistungsparameter Rückenfettdicke (RFD), Body-Condition-Score (BCS), Lahmheitsscore (LHS), Milchleistung (ML) sowie somatischer Zellscore (SCS) erfasst. Diese Daten wurden anschließend im Rahmen einer Mischmodell-Varianzanalyse mittels einer REML-Schätzmethodik unter Verwendung der Statistiksoftware SAS 9.3 ausgewertet. Die Konditionsbeurteilung der Milchkühe ergibt, dass neuseeländische Milchkühe eine signifikant geringere Rückenfettdicke und einen signifikant geringeren Body- Condition-Score aufweisen als deutsche Milchkühe. Dabei ist die Spannbreite der Messwerte in Neuseeland weitaus geringer als in Deutschland. Die Gründe hierfür liegen mitunter an der einheitlichen Fütterung in Neuseeland, welche Weidegras als Hauptbestandteil hat. Außerdem sorgt die tägliche körperliche Aktivität durch das Gehen zum Melkstand oder beim Umtrieb von einer Weide zur anderen für einen sportlichen und schlanken Körperbau neuseeländischer Milchkühe. In Deutschland hingegen wird bei intensiver Landwirtschaft meist eine Mischration aus Raufutter (Stroh, Heu), Kraftfutter (Hülsenfrüchte, Getreide) und Grundfutter (Silage) gefüttert. Diese Energie kann bei entsprechender Genetik für eine hohe Milchleistung bzw. den Aufbau von Körperfettreserven genutzt werden. Teilweise führt dies auch zu überkonditionierten Tieren. Die Unterschiede in der Fütterung sind auch ein Grund für einen weiteren signifikanten Unterschied zwischen Deutschland und Neuseeland: Deutsche Kühe erreichen Milchleistungen von durchschnittlich 9458 kg Milch an durchschnittlich 324 Laktationstagen (Deutsche Holsteins). Demgegenüber liegt die Leistung neuseeländischer Milchkühe nur bei ca. 4470 l Milch an durchschnittlich 220 Laktationstagen (Neuseeländische Holsteins). Die unterschiedlichen Leistungen haben mehrere Ursachen. In beiden Ländern wird züchterisch auf eine hohe Milchleistung selektiert, wobei in Neuseeland ein noch bedeutenderer Fokus auf einem hohen Gehalt an Milchinhaltsstoffen liegt. Trotz der ähnlichen Zuchtziele weisen Deutsche Holsteins und neuseeländische Holstein (Friesians) signifikant unterschiedliche Milchleistungen auf. Dies lässt sich mit den verschiedenen Haltungs- und Fütterungssystemen erklären. In Neuseeland wird bei ganzjähriger Weidehaltung je nach Wetterbedingungen ein nicht zu vernachlässigender Anteil an Energie für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur benötigt. Lange Laufwege sorgen zudem für körperliche Aktivität, welche ebenfalls Energie benötigt. Außerdem bedeutet ein großes Euter ein Hindernis beim Gehen und stellt ein größeres Risiko für die Entstehung von Mastitiden dar. In Deutschland hingegen spielen die Umwelteinflüsse eine untergeordnete Rolle. Ein weiterer Grund für die unterschiedlichen Leistungen in beiden Ländern ist das Bezahlsystem. Während in Neuseeland ausschließlich nach den Milchinhaltsstoffen bezahlt wird, wird in Deutschland ein Grundpreis pro Liter Milch veranschlagt, von welchem je nach Fett- und Eiweißgehalt der Milch noch eine geringe Bonuszahlung bzw. ein Abzug erfolgt. Daten aus der Literatur belegen, dass eine optimale (nicht zu adipöse) Körperkondition mit einer hohen Milchleistung assoziiert ist. Für die Auswertung beider Länder im Einzelnen ist dies auch zutreffend. Beim Vergleich der somatischen Zellzahl der Milch wird kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Ländern festgestellt, wobei neuseeländische Kühe numerisch einen etwas höheren SCS als deutsche Kühe aufweisen. Dies kann durch die Wetterbedingungen in Neuseeland bedingt sein, welche vor der Datenerfassung vorherrschten. Durch eine längere Regenperiode und dadurch eine schlechtere Weidehygiene kann der Keimdruck gestiegen sein. Ein weiterer Grund kann die Tatsache sein, dass die Zitzen vor dem Ansetzen der Melkzeuge nicht gereinigt werden. Es wird zwar vorgemolken, aber nicht vorgereinigt. Man könnte auch sagen, dass die neuseeländischen Landwirte mit geringerem Aufwand bei ihren Milchkühen denselben SCS (3,40 ± 0,26) erreichen wie deutsche Landwirte (2,92 ± 0,33). Aus den Ergebnissen des Lahmheitsscorings geht hervor, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Ländern gibt, wenngleich neuseeländische Milchkühe einen etwas besseren Lahmheitsscore (N: 1,25 ± 0,07↔ D: 1,35 ± 0,09) aufweisen. Dieser Unterschied wäre aufgrund der Annahme, dass Kühe in Weidehaltung in einem „natürlicheren“ System gehalten werden, noch deutlicher zu erwarten gewesen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Aufgrund der Bodenbeschaffenheit der Treibwege und des Wartebereichs vor der Melkanlage sowie zu hastigen Treibens des Personals können auch in Weidehaltung Risiken für Klauenerkrankungen entstehen. Alle Leistungs- und Gesundheitsparameter eignen sich aufgrund ihrer nicht-invasiven Form gut für das wissenschaftliche Arbeiten. Sie können aber auch als hilfreiche Werkzeuge in der Bestandsbetreuung durch den Landwirt oder Tierarzt bestenfalls zur regelmäßigen Überwachung der Herdengesundheit, aber auch von Einzeltieren, empfohlen werden. Der Vergleich deutscher und neuseeländischer Milchproduktionssysteme zeigt, dass es nicht den „einen Weg“ gibt, um den Anforderungen an die moderne Landwirtschaft gerecht zu werden und im globalen Milchmarkt als Hauptexporteure weltweit zu bestehen. Beide Systeme bieten gleichermaßen Vor- und Nachteile. Während neuseeländische Milchkühe sportlicher und robuster erscheinen und eher die Tendenz einer geringen aber über mehrere Betriebe gleichmäßigen Körperkondition (BCS N: rund 86% der Kühe haben einen BCS zwischen 2-3) aufweisen, haben deutsche Kühe eine größere Spannbreite an Körperkonditionen (jeder 0,25-Scorepunkt zwischen einem BCS von 2,0-4,5 wird min. 19 und max. 47 Mal vergeben). In Deutschland zeigen die Ergebnisse, dass sich sehr unterschiedlich konditionierte Kühe innerhalb eines Betriebes befinden. Dies liegt mitunter an der großen Spannweite der Milchleistung innerhalb der Betriebe (ML D: Min. 3 - max. 71,9l/d), welche im Zusammenhang mit der Körperkondition steht. Bezüglich der Lahmheiten in beiden Ländern scheinen beide Systeme das gleiche Risiko für die Entstehung von Klauenerkrankungen zu bergen (LHS D: 1,35 ± 0,09 ↔ N: 1,25 ± 0,07). Ebenso verhält es sich mit dem somatischen Zellscore, welcher in beiden Ländern keinen signifikanten Unterschied zeigt (SCS D: 2,92 ± 0,33 ↔ N: 3,40 ± 0,26). Der Milchleistung (in Form von Milchmenge), welche für deutsche Landwirte bedeutsam ist, kommt in Neuseeland weniger Bedeutung zu. Neuseeländische Landwirte produzieren vergleichsweise weniger Milch (D: 29,09 ± 2,43 ↔ N: 11,65 ± 2,51), die dafür jedoch einen hohen Gehalt an Milchinhaltsstoffen aufweist. Wünschenswert wäre, dass sich neuseeländische Betriebe die Vorteile der deutschen Landwirtschaft zu Nutzen machen würden und umgekehrt. Durch die Nutzung dieser Synergien können beide Länder ihre Marktposition in der globalen Milchwirtschaft weiter steigern und gleichsam ein hohes Niveau an Tiergesundheit und Tierwohl
Milchproduktionssysteme, globaler Vergleich, Deutschland, Neuseeland, Konditionsbeurteilung, Stoffwechsel, Rückenfettdicke, Body-Condition-Score, Lahmheitsscore, Milchleistung, Somatische Zellzahl, Somatischer Zellscore, Milchrassen, Milchrassenkreuzungen
Schweizer, Helen
2020
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Schweizer, Helen (2020): Vergleich von deutschen und neuseeländischen Milchproduktionssystemen mit dem Schwerpunkt Tiergesundheit. Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät
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Abstract

In der vorliegenden Arbeit wird ein Vergleich von deutschen (D) und neuseeländischen (N) Milchproduktionssystemen mit dem Fokus auf tiergesundheitliche Aspekte durchgeführt. Dazu wurden acht Betriebe in Deutschland besucht und insgesamt 350 Milchkühe untersucht und in Neuseeland sechs Betriebe besucht und insgesamt 363 Kühe untersucht. Von den untersuchten Tieren wurden die Gesundheits- und Leistungsparameter Rückenfettdicke (RFD), Body-Condition-Score (BCS), Lahmheitsscore (LHS), Milchleistung (ML) sowie somatischer Zellscore (SCS) erfasst. Diese Daten wurden anschließend im Rahmen einer Mischmodell-Varianzanalyse mittels einer REML-Schätzmethodik unter Verwendung der Statistiksoftware SAS 9.3 ausgewertet. Die Konditionsbeurteilung der Milchkühe ergibt, dass neuseeländische Milchkühe eine signifikant geringere Rückenfettdicke und einen signifikant geringeren Body- Condition-Score aufweisen als deutsche Milchkühe. Dabei ist die Spannbreite der Messwerte in Neuseeland weitaus geringer als in Deutschland. Die Gründe hierfür liegen mitunter an der einheitlichen Fütterung in Neuseeland, welche Weidegras als Hauptbestandteil hat. Außerdem sorgt die tägliche körperliche Aktivität durch das Gehen zum Melkstand oder beim Umtrieb von einer Weide zur anderen für einen sportlichen und schlanken Körperbau neuseeländischer Milchkühe. In Deutschland hingegen wird bei intensiver Landwirtschaft meist eine Mischration aus Raufutter (Stroh, Heu), Kraftfutter (Hülsenfrüchte, Getreide) und Grundfutter (Silage) gefüttert. Diese Energie kann bei entsprechender Genetik für eine hohe Milchleistung bzw. den Aufbau von Körperfettreserven genutzt werden. Teilweise führt dies auch zu überkonditionierten Tieren. Die Unterschiede in der Fütterung sind auch ein Grund für einen weiteren signifikanten Unterschied zwischen Deutschland und Neuseeland: Deutsche Kühe erreichen Milchleistungen von durchschnittlich 9458 kg Milch an durchschnittlich 324 Laktationstagen (Deutsche Holsteins). Demgegenüber liegt die Leistung neuseeländischer Milchkühe nur bei ca. 4470 l Milch an durchschnittlich 220 Laktationstagen (Neuseeländische Holsteins). Die unterschiedlichen Leistungen haben mehrere Ursachen. In beiden Ländern wird züchterisch auf eine hohe Milchleistung selektiert, wobei in Neuseeland ein noch bedeutenderer Fokus auf einem hohen Gehalt an Milchinhaltsstoffen liegt. Trotz der ähnlichen Zuchtziele weisen Deutsche Holsteins und neuseeländische Holstein (Friesians) signifikant unterschiedliche Milchleistungen auf. Dies lässt sich mit den verschiedenen Haltungs- und Fütterungssystemen erklären. In Neuseeland wird bei ganzjähriger Weidehaltung je nach Wetterbedingungen ein nicht zu vernachlässigender Anteil an Energie für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur benötigt. Lange Laufwege sorgen zudem für körperliche Aktivität, welche ebenfalls Energie benötigt. Außerdem bedeutet ein großes Euter ein Hindernis beim Gehen und stellt ein größeres Risiko für die Entstehung von Mastitiden dar. In Deutschland hingegen spielen die Umwelteinflüsse eine untergeordnete Rolle. Ein weiterer Grund für die unterschiedlichen Leistungen in beiden Ländern ist das Bezahlsystem. Während in Neuseeland ausschließlich nach den Milchinhaltsstoffen bezahlt wird, wird in Deutschland ein Grundpreis pro Liter Milch veranschlagt, von welchem je nach Fett- und Eiweißgehalt der Milch noch eine geringe Bonuszahlung bzw. ein Abzug erfolgt. Daten aus der Literatur belegen, dass eine optimale (nicht zu adipöse) Körperkondition mit einer hohen Milchleistung assoziiert ist. Für die Auswertung beider Länder im Einzelnen ist dies auch zutreffend. Beim Vergleich der somatischen Zellzahl der Milch wird kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Ländern festgestellt, wobei neuseeländische Kühe numerisch einen etwas höheren SCS als deutsche Kühe aufweisen. Dies kann durch die Wetterbedingungen in Neuseeland bedingt sein, welche vor der Datenerfassung vorherrschten. Durch eine längere Regenperiode und dadurch eine schlechtere Weidehygiene kann der Keimdruck gestiegen sein. Ein weiterer Grund kann die Tatsache sein, dass die Zitzen vor dem Ansetzen der Melkzeuge nicht gereinigt werden. Es wird zwar vorgemolken, aber nicht vorgereinigt. Man könnte auch sagen, dass die neuseeländischen Landwirte mit geringerem Aufwand bei ihren Milchkühen denselben SCS (3,40 ± 0,26) erreichen wie deutsche Landwirte (2,92 ± 0,33). Aus den Ergebnissen des Lahmheitsscorings geht hervor, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Ländern gibt, wenngleich neuseeländische Milchkühe einen etwas besseren Lahmheitsscore (N: 1,25 ± 0,07↔ D: 1,35 ± 0,09) aufweisen. Dieser Unterschied wäre aufgrund der Annahme, dass Kühe in Weidehaltung in einem „natürlicheren“ System gehalten werden, noch deutlicher zu erwarten gewesen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Aufgrund der Bodenbeschaffenheit der Treibwege und des Wartebereichs vor der Melkanlage sowie zu hastigen Treibens des Personals können auch in Weidehaltung Risiken für Klauenerkrankungen entstehen. Alle Leistungs- und Gesundheitsparameter eignen sich aufgrund ihrer nicht-invasiven Form gut für das wissenschaftliche Arbeiten. Sie können aber auch als hilfreiche Werkzeuge in der Bestandsbetreuung durch den Landwirt oder Tierarzt bestenfalls zur regelmäßigen Überwachung der Herdengesundheit, aber auch von Einzeltieren, empfohlen werden. Der Vergleich deutscher und neuseeländischer Milchproduktionssysteme zeigt, dass es nicht den „einen Weg“ gibt, um den Anforderungen an die moderne Landwirtschaft gerecht zu werden und im globalen Milchmarkt als Hauptexporteure weltweit zu bestehen. Beide Systeme bieten gleichermaßen Vor- und Nachteile. Während neuseeländische Milchkühe sportlicher und robuster erscheinen und eher die Tendenz einer geringen aber über mehrere Betriebe gleichmäßigen Körperkondition (BCS N: rund 86% der Kühe haben einen BCS zwischen 2-3) aufweisen, haben deutsche Kühe eine größere Spannbreite an Körperkonditionen (jeder 0,25-Scorepunkt zwischen einem BCS von 2,0-4,5 wird min. 19 und max. 47 Mal vergeben). In Deutschland zeigen die Ergebnisse, dass sich sehr unterschiedlich konditionierte Kühe innerhalb eines Betriebes befinden. Dies liegt mitunter an der großen Spannweite der Milchleistung innerhalb der Betriebe (ML D: Min. 3 - max. 71,9l/d), welche im Zusammenhang mit der Körperkondition steht. Bezüglich der Lahmheiten in beiden Ländern scheinen beide Systeme das gleiche Risiko für die Entstehung von Klauenerkrankungen zu bergen (LHS D: 1,35 ± 0,09 ↔ N: 1,25 ± 0,07). Ebenso verhält es sich mit dem somatischen Zellscore, welcher in beiden Ländern keinen signifikanten Unterschied zeigt (SCS D: 2,92 ± 0,33 ↔ N: 3,40 ± 0,26). Der Milchleistung (in Form von Milchmenge), welche für deutsche Landwirte bedeutsam ist, kommt in Neuseeland weniger Bedeutung zu. Neuseeländische Landwirte produzieren vergleichsweise weniger Milch (D: 29,09 ± 2,43 ↔ N: 11,65 ± 2,51), die dafür jedoch einen hohen Gehalt an Milchinhaltsstoffen aufweist. Wünschenswert wäre, dass sich neuseeländische Betriebe die Vorteile der deutschen Landwirtschaft zu Nutzen machen würden und umgekehrt. Durch die Nutzung dieser Synergien können beide Länder ihre Marktposition in der globalen Milchwirtschaft weiter steigern und gleichsam ein hohes Niveau an Tiergesundheit und Tierwohl