Logo Logo
Hilfe
Kontakt
Switch language to English
Untersuchung der Affinität und Funktionalität von Bispyridiniumverbindungen an nikotinischen Acetylcholinrezeptoren der Subtypen αβδγ (Torpedo californica) und α7 (Homo sapiens)
Untersuchung der Affinität und Funktionalität von Bispyridiniumverbindungen an nikotinischen Acetylcholinrezeptoren der Subtypen αβδγ (Torpedo californica) und α7 (Homo sapiens)
Bei der Behandlung von Vergiftungen mit phosphororganischen Verbindungen gibt es immer noch therapeutische Lücken. Insbesondere bei Vergiftungen mit Soman oder Tabun kann die gehemmte AChE nicht mehr adäquat reaktiviert werden. Die Hydrolyse des Neurotransmitters Acetylcholin wird nicht mehr katalysiert, so dass es zur Akkumulation dieses Agonisten im synaptischen Spalt und zur Desensitisierung der mAChR und nAChR kommt. Die muskarinisch innervierten Systeme können mit Atropin kompetitiv antagonisiert werden, aber für die direkte Intervention an den nikotinischen Effektorsystemen sind keine Wirkstoffe verfügbar. Bispyridiniumverbindungen zeigten in vitro eine Wiederherstellung der Muskelfunktion und in vivo eine Erhöhung der Überlebensrate, ohne dabei die AChE zu reaktivieren. Um aufzuklären, ob der Effekt Rezeptor vermittelt ist und was genau am Rezeptor bewirkt wird, wurden hierfür aussagekräftige Screeningmethoden entwickelt, etabliert und eingesetzt: - Radioligand-Rezeptor-Bindungsassay - Bilayer-basierte Elektrophysiologie - Muskelkraftuntersuchungen am Rattendiaphragma Für die Untersuchung der Affinität von Liganden an nAChR und mAChR wurden Ligand-Rezeptor-Bindungsassays auf Basis der Filtrationstechnik und Radioisotopen entwickelt. Hierfür wurden Plasmamembranpräparationen eingesetzt, die im Fall der humanen mAChR kommerziell erworben, bei humanen α7 nAChR und Muskeltyp-nAChR (Torpedo californica) selbst hergestellt wurden. Um zu erkennen, welchen Effekt die zu testenden Substanzen auf den nAChR ausüben, wurde eine Bilayer-basierte elektrophysiologische Methode entwickelt, die im Gegensatz zu der Patch Clamp-Technik nicht auf ganze Zellen angewiesen ist. Diese SSM-basierte Elektrophysiologie wurde so konzipiert, dass der desensitisierte, pathophysiologische nAChR gezielt herbeigeführt wurde und die Testsubstanzen auf ihre resensitisierende Wirkung, d.h. Eigenschaft als Typ II PAM untersucht wurden. Auch die Muskelkraftmessungen mittels indirekter elektrischer Feldstimulation stellen ein Modell dar, das die Gegebenheiten einer Nervenkampfstoffvergiftung wiedergeben soll. Bei Soman vergifteten Ratten-Zwerchfellhemisphären wurde der pharmakologische Effekt der drei tert-Butyl-Bispyridinium-Regioisomeren MB327, PTM0001 und PTM0002 untersucht. Es stellte sich heraus, dass es klare Korrelationen zwischen den Effekten auf Rezeptor- und Gewebeebene gibt. Die Kombination dieser drei verschiedenen Screeningmethoden brachte zu Tage, dass positiv allosterische Modulatoren des nAChR therapeutisch von Interesse sind. Hierbei werden nicht orthosterische, sondern allosterische Bindungsstellen adressiert. Insbesondere Typ II PAM, die in der Lage sind, den desensitisierten in einen funktionalen Rezeptorzustand zu überführen (sogenannte „Resensitizer“), könnten zur Therapie von Nervenkampfstoffen eingesetzt werden. Auch ohne Reaktivierung inhibierter AChE (z.B. bei einer Soman-Vergiftung) ist die Wiederherstellung der Muskelkraft möglich; der pharmakologische Effekt ist rezeptorvermittelt. Erste Struktur-Wirkungsbeziehung deuten darauf hin, dass die Alkylkette zwischen den beiden Heteroaromaten kurz, idealerweise ein Propyl-Linker sein soll. Auch das Substitutionsmuster wirkt sich auf die Aktivität aus, wenngleich in etwas geringerem Ausmaß. Da die Leitsubstanz MB327 und seine Strukturanaloga noch nicht für einen Medikament tauglichen Wirkstoff geeignet sind, muss noch nach weiteren, besseren Wirkstoffen gesucht werden. In einem iterativen Prozess aus virtuellen (Molecular Modeling), präparativen (zielgerichtete Synthesen) und pharmakologischen Methoden werden diese hier vorgestellten Screeningmethoden einen wichtigen Platz einnehmen., Treatment of nerve agent poisoning still comprises therapeutic gaps. Especially in the case of soman or tabun poisoning, the inhibited AChE cannot be reactivated adequately. The hydrolysis of the neurotransmitter acetylcholine is reduced, resulting in accumulation of this agonist in the synaptic cleft and desensitization of mAChRs and nAChRs. Musca-rinic based effector systems allow a competitive antagonism, but drugs for direct intervention at nicotinic acetylcholine receptors are missing. Bispyridinium compounds showed in vitro a recovery of muscle force and in vivo increased survival without reactivation of the AChE. However, it was unknown if and which effect was receptor-mediated. For enlightenment of the mechanism and search of more effective substances, screening methods were developed, established and used: - Radioligand-receptor-binding assay - Bilayer-based electrophysiology - Muscle force measurements using rat diaphragm hemispheres Ligand-receptor binding assays basing on filtration technique and radioisotopes allow the estimation of the affinity of chemical substances toward the mAChRs and nAChRs. The plasma membrane preparations used for this purpose were purchased (in the case of human mAChR) or prepared (in the case of human α7 nAChRs and muscle-type nAChRs (Torpedo californica)). For testing functional effects on the nAChRs, a bilayer-based electrophysiological method (so-called SSM-based electrophysiology) was developed. In contrast to patch clamp techniques, this method depends not on whole cells (“cell-free electrophysiology”). Using SSM-based electrophysiology, the desensitized, pathophysiological receptor state was intentionally induced and type II PAM properties (“resensitizing” effects) of the testing substances evaluated. Additionally, muscle force measurements using indirect electric field stimulation represent a model for OPC poisoning. The application of substances to soman-poisoned rat diaphragm hemispheres detects restoring effects without reactivation of AChE. Combining the results obtained from binding assays, functional receptor assays and diaphragm tests, clear correlations between receptor- and tissue-based screening methods were observed. The results obtained from these different screening methods showed that positive allosteric modulators are therapeutically of interest. Allosteric ligands address binding sites distinct from orthosteric binding sites. Especially type II PAM, which are able to recover the activity of desensitized nAChRs, may be beneficial in treatment of OPC poisoning. When nAChRs are resensitized, restoring of muscle force is possible – even without reactivation of inhibited AChE (e.g. soman poisoning). Initial structure-activity-relations (SAR) implicate that short alkyl spacers between the pyridinium moieties, ideally a propyl chain is advantageous for activity. Additionally, the substitution pattern of the pyridinium moieties influences the manner of activity, albeit to a lesser extent. The leading structure MB327 and its analogous structures lack drug like properties and are not suitable as antidotes. Consequently, more effective drugs have to be identified. As part of an iterative process of virtual (Molecular Modeling), preparative (target-based synthesis) and pharmacological methods, the described screenings methods will take an essential place.
Rezeptor, nikotinisch, Affinität, Funktionalität, Bispyridiniumverbindungen
Niessen, Karin Veronika
2019
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Niessen, Karin Veronika (2019): Untersuchung der Affinität und Funktionalität von Bispyridiniumverbindungen an nikotinischen Acetylcholinrezeptoren der Subtypen αβδγ (Torpedo californica) und α7 (Homo sapiens). Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
[thumbnail of Niessen_Karin.pdf]
Vorschau
PDF
Niessen_Karin.pdf

13MB

Abstract

Bei der Behandlung von Vergiftungen mit phosphororganischen Verbindungen gibt es immer noch therapeutische Lücken. Insbesondere bei Vergiftungen mit Soman oder Tabun kann die gehemmte AChE nicht mehr adäquat reaktiviert werden. Die Hydrolyse des Neurotransmitters Acetylcholin wird nicht mehr katalysiert, so dass es zur Akkumulation dieses Agonisten im synaptischen Spalt und zur Desensitisierung der mAChR und nAChR kommt. Die muskarinisch innervierten Systeme können mit Atropin kompetitiv antagonisiert werden, aber für die direkte Intervention an den nikotinischen Effektorsystemen sind keine Wirkstoffe verfügbar. Bispyridiniumverbindungen zeigten in vitro eine Wiederherstellung der Muskelfunktion und in vivo eine Erhöhung der Überlebensrate, ohne dabei die AChE zu reaktivieren. Um aufzuklären, ob der Effekt Rezeptor vermittelt ist und was genau am Rezeptor bewirkt wird, wurden hierfür aussagekräftige Screeningmethoden entwickelt, etabliert und eingesetzt: - Radioligand-Rezeptor-Bindungsassay - Bilayer-basierte Elektrophysiologie - Muskelkraftuntersuchungen am Rattendiaphragma Für die Untersuchung der Affinität von Liganden an nAChR und mAChR wurden Ligand-Rezeptor-Bindungsassays auf Basis der Filtrationstechnik und Radioisotopen entwickelt. Hierfür wurden Plasmamembranpräparationen eingesetzt, die im Fall der humanen mAChR kommerziell erworben, bei humanen α7 nAChR und Muskeltyp-nAChR (Torpedo californica) selbst hergestellt wurden. Um zu erkennen, welchen Effekt die zu testenden Substanzen auf den nAChR ausüben, wurde eine Bilayer-basierte elektrophysiologische Methode entwickelt, die im Gegensatz zu der Patch Clamp-Technik nicht auf ganze Zellen angewiesen ist. Diese SSM-basierte Elektrophysiologie wurde so konzipiert, dass der desensitisierte, pathophysiologische nAChR gezielt herbeigeführt wurde und die Testsubstanzen auf ihre resensitisierende Wirkung, d.h. Eigenschaft als Typ II PAM untersucht wurden. Auch die Muskelkraftmessungen mittels indirekter elektrischer Feldstimulation stellen ein Modell dar, das die Gegebenheiten einer Nervenkampfstoffvergiftung wiedergeben soll. Bei Soman vergifteten Ratten-Zwerchfellhemisphären wurde der pharmakologische Effekt der drei tert-Butyl-Bispyridinium-Regioisomeren MB327, PTM0001 und PTM0002 untersucht. Es stellte sich heraus, dass es klare Korrelationen zwischen den Effekten auf Rezeptor- und Gewebeebene gibt. Die Kombination dieser drei verschiedenen Screeningmethoden brachte zu Tage, dass positiv allosterische Modulatoren des nAChR therapeutisch von Interesse sind. Hierbei werden nicht orthosterische, sondern allosterische Bindungsstellen adressiert. Insbesondere Typ II PAM, die in der Lage sind, den desensitisierten in einen funktionalen Rezeptorzustand zu überführen (sogenannte „Resensitizer“), könnten zur Therapie von Nervenkampfstoffen eingesetzt werden. Auch ohne Reaktivierung inhibierter AChE (z.B. bei einer Soman-Vergiftung) ist die Wiederherstellung der Muskelkraft möglich; der pharmakologische Effekt ist rezeptorvermittelt. Erste Struktur-Wirkungsbeziehung deuten darauf hin, dass die Alkylkette zwischen den beiden Heteroaromaten kurz, idealerweise ein Propyl-Linker sein soll. Auch das Substitutionsmuster wirkt sich auf die Aktivität aus, wenngleich in etwas geringerem Ausmaß. Da die Leitsubstanz MB327 und seine Strukturanaloga noch nicht für einen Medikament tauglichen Wirkstoff geeignet sind, muss noch nach weiteren, besseren Wirkstoffen gesucht werden. In einem iterativen Prozess aus virtuellen (Molecular Modeling), präparativen (zielgerichtete Synthesen) und pharmakologischen Methoden werden diese hier vorgestellten Screeningmethoden einen wichtigen Platz einnehmen.

Abstract

Treatment of nerve agent poisoning still comprises therapeutic gaps. Especially in the case of soman or tabun poisoning, the inhibited AChE cannot be reactivated adequately. The hydrolysis of the neurotransmitter acetylcholine is reduced, resulting in accumulation of this agonist in the synaptic cleft and desensitization of mAChRs and nAChRs. Musca-rinic based effector systems allow a competitive antagonism, but drugs for direct intervention at nicotinic acetylcholine receptors are missing. Bispyridinium compounds showed in vitro a recovery of muscle force and in vivo increased survival without reactivation of the AChE. However, it was unknown if and which effect was receptor-mediated. For enlightenment of the mechanism and search of more effective substances, screening methods were developed, established and used: - Radioligand-receptor-binding assay - Bilayer-based electrophysiology - Muscle force measurements using rat diaphragm hemispheres Ligand-receptor binding assays basing on filtration technique and radioisotopes allow the estimation of the affinity of chemical substances toward the mAChRs and nAChRs. The plasma membrane preparations used for this purpose were purchased (in the case of human mAChR) or prepared (in the case of human α7 nAChRs and muscle-type nAChRs (Torpedo californica)). For testing functional effects on the nAChRs, a bilayer-based electrophysiological method (so-called SSM-based electrophysiology) was developed. In contrast to patch clamp techniques, this method depends not on whole cells (“cell-free electrophysiology”). Using SSM-based electrophysiology, the desensitized, pathophysiological receptor state was intentionally induced and type II PAM properties (“resensitizing” effects) of the testing substances evaluated. Additionally, muscle force measurements using indirect electric field stimulation represent a model for OPC poisoning. The application of substances to soman-poisoned rat diaphragm hemispheres detects restoring effects without reactivation of AChE. Combining the results obtained from binding assays, functional receptor assays and diaphragm tests, clear correlations between receptor- and tissue-based screening methods were observed. The results obtained from these different screening methods showed that positive allosteric modulators are therapeutically of interest. Allosteric ligands address binding sites distinct from orthosteric binding sites. Especially type II PAM, which are able to recover the activity of desensitized nAChRs, may be beneficial in treatment of OPC poisoning. When nAChRs are resensitized, restoring of muscle force is possible – even without reactivation of inhibited AChE (e.g. soman poisoning). Initial structure-activity-relations (SAR) implicate that short alkyl spacers between the pyridinium moieties, ideally a propyl chain is advantageous for activity. Additionally, the substitution pattern of the pyridinium moieties influences the manner of activity, albeit to a lesser extent. The leading structure MB327 and its analogous structures lack drug like properties and are not suitable as antidotes. Consequently, more effective drugs have to be identified. As part of an iterative process of virtual (Molecular Modeling), preparative (target-based synthesis) and pharmacological methods, the described screenings methods will take an essential place.