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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Bibliotheken an neuen Medizinstandorten

Libraries at new university medical centres

Kurzbeitrag AGMB Jahrestagung in Würzburg 2022

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GMS Med Bibl Inf 2022;22(2):Doc26

doi: 10.3205/mbi000544, urn:nbn:de:0183-mbi0005448

Published: December 20, 2022

© 2022 Krause et al.
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Zusammenfassung

In den letzten Jahren wurden an einigen Universitäten in Deutschland und Österreich neue medizinische Fakultäten gegründet und neue Studiengänge geschaffen. Die Neugründungen werden mit dem Aufbau bibliothekarischer Services begleitet und zum Teil entstehen neue Räumlichkeiten für die Bibliotheken. Wir stellen die Rahmenbedingungen und Herangehensweisen an den Universitätsbibliotheken Linz, Augsburg und Bielefeld vor.

Schlüsselwörter: Medizinbibliotheken, neue Standorte Universitätsmedizin, Bibliotheksangebote, Literaturversorgung, Bibliotheksbau

Abstract

In recent years, new medical faculties and degree programmes have been established at several universities in Germany and Austria. The new medical schools are accompanied by the development of library services and new library buildings. We present the framework conditions and strategies at the university libraries of Linz, Augsburg and Bielefeld.

Keywords: medical libraries, new university medical centres, library services, literature supply, library buildings


Austausch zwischen neuen Medizinbibliotheken

An den Universitäten Linz, Augsburg und Bielefeld wurden in den Jahren 2014 bis 2018 neue medizinische Fakultäten gegründet. Für die jeweiligen Universitätsbibliotheken stellen sich viele Fragen, die zum Teil sehr ähnlich sind wie an etablierten Medizinbibliotheken, sich zum Teil aber auch deutlich unterscheiden. Deshalb haben wir, die Fachreferentinnen an den neuen Medizinstandorten, uns sehr gefreut, dass wir uns bei der AGMB-Tagung 2019 in Göttingen kennen gelernt haben. Es gab viele gemeinsame Themen und die Zeit auf der AGMB war viel zu kurz. Es entstand die Idee, einen gemeinsamen Workshop zu organisieren, mit Anbindung an die AGMB. Aus diesem ursprünglich geplanten einmaligen Workshop entwickelte sich ein regelmäßiger Austausch: Seit Juli 2021 treffen sich nun Vertreterinnen der Universitätsbibliotheken Linz, Oldenburg, Augsburg und Bielefeld einmal im Semester online. Unterstützt werden wir von Claudia Jirausch von der Universitätsbibliothek Leipzig als Moderatorin, die auch die Perspektive eines etablierten Standorts einbringt. Die Frage, wie lange die neuen Medizinstandorte als „neu“ gelten und damit wie lange wir die halbjährlichen Treffen weiterführen werden, ist dabei noch offen. Bisher zumindest stehen, je nach Standort, noch einige „Meilensteine“ bevor, wie der Bezug neuer Bibliotheksräumlichkeiten, das erste Durchlaufen aller Semester und damit die ersten Absolvent*innen des Studiengangs Humanmedizin oder das Erreichen des angestrebten Vollausbaus in Bezug auf die Zahl der Studierenden und die Zahl der Professor*innen.

Die bisherigen Austauschtreffen umfassten verschiedene Aspekte der Literatur- und Informationsversorgung, bibliothekarische Services und die neu entstehenden Lernräume. Zunächst ging es um die jeweiligen Rahmenbedingungen der Universitätsmedizin wie neue Studiengänge, die Zusammenarbeit mit Kooperationskrankenhäusern und das bisher an der Universität vorhandene Fächerspektrum. Auch die Rahmenbedingungen auf Bibliotheksseite wurden verglichen, wie die Verankerung der neuen Medizinbibliotheken im Bibliothekssystem und personelle Ressourcen. Weiterhin ging es um die Herangehensweisen beim Bestandsaufbau, sowohl in Bezug auf die Entwicklung des elektronischen Zeitschriften- und Datenbankportfolios als auch in Bezug auf Studienliteratur und Lernplattformen. Dabei spielte auch der Versorgungsauftrag der Universitätsbibliothek eine Rolle, mit den Fragen, welche (klinischen) Benutzergruppen von der Universitätsbibliothek mitversorgt werden und welche inhaltlichen Bereiche abgedeckt werden sollen. Nicht zuletzt ging es um Angebote zur Vermittlung von Informationskompetenz, die Beteiligungen mit Bibliotheksinhalten im Curriculum der neuen Studiengänge und die Entwicklung von forschungsnahen Angeboten beispielsweise zur systematischen Literaturrecherche. Weitere Themen waren die Zusammenarbeit mit den medizinischen Fakultäten in Gremien, mit den Dekanaten, Studiendekanaten und Studierendenvertretungen, sowie erste Erfahrungen zur Nutzung der neuen Bibliotheksangebote. Kürzlich sind Kolleginnen von neuen Medizinstandorten an privaten Hochschulen zur Runde neu hinzugekommen. Der Austausch liefert wertvolle Informationen und Denkanstöße, auch wenn aufgrund der Unterschiede im jeweiligen Bibliothekssystem und der Struktur der Universitätsmedizin vieles nicht direkt übertragbar ist.


Herangehensweisen zum Aufbau der Literatur- und Informationsversorgung

Wie geht man beim Aufbau einer neuen Medizinbibliothek vor? Gibt es dafür theoretische Grundlagen oder Erfahrungsberichte? Als Beispiel sei das Thema Bestandsaufbau herausgegriffen: Aus dem US-amerikanischen Raum gibt dazu es einige Berichte aus den Jahren 2003 bis 2019 [1], [2], [3]. So wurde für den Bestandsaufbau der Medizinbibliothek des Florida State University College of Medicine bereits im Jahr 2003 eine angestrebte E-only-Herangehensweise und ein detailliertes Punktesystem zur Ermittlung der wichtigsten benötigten Zeitschriften beschrieben. Die in diesem Punktesystem verwendeten Faktoren sind: Gedruckte Zeitschriftenbestände anderer Medizinbibliotheken vergleichbarer Standorte, Zeitschriften von Bestandsempfehlungslisten für Medizinbibliotheken, Zeitschriften, die für bestimmte Datenbanken ausgewertet werden, sowie Zeitschriften, aus denen in den Vorjahren am häufigsten über den von der US-amerikanischen National Library of Medicine (NLM) organisierten Dokumentenlieferdienst DOCLINE bestellt wurde [1]. Viele dieser Orientierungspunkte sind nicht direkt auf den europäischen Raum anwendbar bzw. sind mittlerweile nicht mehr in der Anfang der 2000er Jahre bestehenden Form verfügbar. Zudem haben in den letzten knapp 20 Jahren die Bedeutung großer Verlagspakete gegenüber Einzelabonnements sowie der Open-Access-Transformation weiter zugenommen. Die Grundzüge des Modells, an denen sich der Bestandsaufbau orientieren kann, sind jedoch weiterhin übertragbar: Bestände von Referenz-Medizinbibliotheken, Listen von Zeitschriften, die für bestimmte Datenbanken oder evidenzbasierte klinische Entscheidungsfindungstools ausgewertet werden, und Zeitschriften, die über überregionale Dokumentenlieferdienste besonders häufig nachgefragt werden. Zusätzlich könnten bibliometrische Indikatoren hinzugezogen werden. Für den Aufbau des Zeitschriften- und Datenbankportfolios spielten an unseren Standorten schlussendlich diese Vorüberlegungen aber keine entscheidende Rolle. Stattdessen wurden vor Ort die Zeitschriftenbedarfe unter Berücksichtigung der lokalen Schwerpunkte erhoben.

Ähnlich wie beim Bestandsaufbau ist auch bei anderen Themen unsere Erfahrung, dass an den neuen medizinischen Fakultäten nicht der Wunsch besteht, die Literatur- und Informationsversorgung sowie die Bibliothek als Lernort komplett „neu“ anzugehen. Viel häufiger geht es darum, sich an Good-Practice-Beispielen anderer Medizinstandorte und der Literaturversorgung für die bestehenden Fakultäten der Universität zu orientieren. Aus diesem Grund profitieren wir an den neuen Standorten alle auch sehr stark von den Erfahrungen und Vorbildern anderer Medizinbibliotheken. Für den Standort Augsburg beispielsweise fanden zu Beginn der Erarbeitung des Bibliothekskonzepts Besuche und Gespräche mit allen Fachreferatskolleg*innen an den anderen bayerischen Universitätsmedizin-Standorten sowie mit den Medizinbibliotheken der Universität Münster und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg statt. Daneben haben wir von zahllosen Anregungen anderer Medizinbibliotheken und der Teilnahme an Tagungen wie der AGMB und der EAHIL profitiert. Wir freuen uns deswegen, auch zukünftig weiter in den Austausch zu kommen.


Vorstellung der Standorte Linz, Augsburg und Bielefeld

In einem Vortrag auf der AGMB-Tagung 2022 [4] stellen wir die Standorte Linz, Augsburg und Bielefeld vor und gehen auf neue Bibliotheksräumlichkeiten, den Bestandsaufbau, Überlegungen zu den verschiedenen Benutzergruppen und bibliothekarische Services ein. An der Universitätsbibliothek Linz eröffnete im September 2021 die neue Fakultätsbibliothek Medizin. In Augsburg bezog die Teilbibliothek Medizin im Oktober 2019 einen Interimsstandort und wird voraussichtlich im Jahr 2025 in das neue Lehrgebäude der Medizinischen Fakultät mit einziehen. In Bielefeld ist die Fachbibliothek Medizin derzeit ebenfalls in einem Interimsstandort innerhalb der Universitätsbibliothek untergebracht und wird ab ca. 2025 eine neue Erweiterungsfläche beziehen. Es liegt im Interesse der jeweiligen Universitätsbibliothek, die neuen Fakultäten und Teilbibliotheken bestmöglich in die bestehenden Strukturen und Geschäftsgänge zu integrieren und Prozesse nicht zu weit auseinanderlaufen zu lassen. Dadurch ist gerade in der Anfangsphase eine sehr enge Abstimmung zwischen Bibliothek und Fakultät nötig, zur Verwendung der Mittel aber auch zur Vermittlung der Funktionsweise, der Tätigkeitsfelder, Nutzergruppen und Verantwortlichkeiten der Bibliothek und des Fachreferats. An etablierten medizinischen Fakultäten besteht häufig eine historisch gewachsene Zusammenarbeit zwischen Universität und Universitätsklinikum in Erwerbung und Lizenzierung. Im Gegensatz dazu müssen an neuen Standorten, ohne historisch gewachsene Strukturen, die klinischen Benutzergruppen und der Versorgungsauftrag der Universitätsbibliothek zunächst klar definiert werden, um Lizenzverträge entsprechend abschließen zu können. Unterschiede in den Rahmenbedingungen zwischen unseren Standorten spiegeln sich dabei auch in den Strategien für die Literaturversorgung wider. Im Detail haben wir die Standorte Linz, Augsburg und Bielefeld und die jeweiligen Strategien bei Bestandsaufbau und Literaturversorgung in einem Artikel in der Schwerpunktausgabe von GMS MBI „Medizinische Literaturversorgung im Umbruch“ beschrieben [5].


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorinnen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Shearer BS, Nagy SP. Developing an academic medical library core journal collection in the (almost) post-print era: the Florida State University College of Medicine Medical Library experience. J Med Libr Assoc. 2003;91(3):292-302.
2.
Shearer BS, Klatt C, Nagy SP. Development of a new academic digital library: a study of usage data of a core medical electronic journal collection. J Med Libr Assoc. 2009;97(2):93-101.
3.
Dexter N, Muellenbach JM, Lorbeer ER, Rand D, Wilcox ME, Long BA. Building new twenty-first century medical school libraries from the ground up: challenges, experiences, and lessons learned. J Med Libr Assoc. 2019;107(1):6-15. DOI: 10.5195/jmla.2019.493 External link
4.
Krause E, Kathke C, Hable S. Bibliotheken an neuen Medizinstandorten [Abstract]. In: Arbeitsgemeinschaft für medizinisches Bibliothekswesen (AGMB), Hrsg. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für medizinisches Bibliothekswesen (AGMB). Würzburg, 19.-21.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22agmb05. DOI: 10.3205/22agmb05 External link
5.
Krause E, Kathke C, Hable S. Die Newcomer: Literaturversorgung an den drei neuen Medizinstandorten Linz, Augsburg und Bielefeld. GMS Med Bibl Inf. 2022;22(1):Doc06. DOI: 10.3205/mbi000524 External link