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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Markt und Strategie. Die Marktstudie von ZB MED und ihre Ergebnisse

Market and strategy – results of the ZB MED market study

Fachbeitrag

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  • corresponding author Fabian Gail - ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln, Deutschland
  • Ulrich Korwitz - ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2014;14(3):Doc24

doi: 10.3205/mbi000321, urn:nbn:de:0183-mbi0003210

Published: December 19, 2014

© 2014 Gail et al.
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Zusammenfassung

Für die zukunftsorientierte Aufstellung von ZB MED ist es unabdingbar, genaue Kenntnis über die Märkte und die Zielgruppen zu haben und das Produktportfolio so an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden auszurichten. Aus diesem Grund wurde eine große externe Marktstudie durchgeführt, um verlässliche Fakten als Grundlage für die weitere strategische und operative Ausrichtung zu erhalten. Der Artikel umreißt das methodische Vorgehen der Marktstudie und präsentiert anschließend wichtige Ergebnisse für ZB MED. Zunächst wurden Märkte und Zielgruppen mit Hilfe von Sekundärdaten erfasst und quantifiziert. Auf dieser Grundlage wurde die empirische Erhebung konzipiert, die sich in explorative Interviews zur Vorbereitung, eine Online-Umfrage und anschließende Fokusgruppen-Interviews gliedert. Abschließend wurden die Erkenntnisse mit Hilfe einer Gap-Analyse hinsichtlich des abgeleiteten Handlungsbedarfes für ZB MED ausgewertet. Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf der Erläuterung des methodischen Vorgehens und der Vorstellung einzelner Befragungsergebnisse. Diese gliedern sich nach den relevanten Marktsegmenten: Management von Fachinformation, Publizieren und Vernetzen. Die vorgestellte Marktstudie dient als Grundlage für die Entwicklung neuer Services und die Anpassung bestehender sowie als Fundament für die andauernde Entwicklung der Gesamtstrategie von ZB MED, die den Handlungsrahmen bis zum Jahr 2020 beschreibt.

Schlüsselwörter: ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften, Marktstudie, GAP-Analyse, Ergebnisse, Handlungsempfehlung

Abstract

In order to guarantee a future-oriented positioning of ZB MED it is indispensable to have an exact knowledge of the market and the target groups so that the product portfolio can be aligned to the needs of the customers. For this reason, a large-scale external market study was realized to get reliable facts as a basis for the strategic and operative development of ZB MED. This article describes the methodology of the market study and presents the important results for ZB MED. At first, markets and target groups were identified and quantified with the help of secondary data. On this basis, the empirical investigation was designed. Parts of that were explorative interviews as preparative task, an online survey and subsequent focus group interviews. Finally, the results were analyzed with the aid of a gap analysis to identify needs for action. The main focus of this article is the presentation of the methodological approach and of specific results of the survey. These refer to the relevant market segments: management of information, publication services and networking. The market study presented here is the basis for the development of new services and the adaption of existing ones. It is the groundwork for the continuous development of the ZB MED strategy describing the scope of action till 2020.

Keywords: ZB MED – Leibniz Information Centre for Life Sciences, market study, GAP analysis, results, recommendation


1 Einleitung

Als ZB MED im Jahre 2011 regulär durch externe Gutachterinnen und Gutachter im Auftrag der Leibniz-Gemeinschaft evaluiert wurde, war noch nicht abzusehen, dass mit deren Ergebnis der Startschuss für einen umfassenden Prozess der Strategieentwicklung und Neuorganisation erfolgen sollte. Im Ergebnis der Evaluierung wurde zwar 2012 festgestellt, dass ZB MED eine „unverzichtbare Dienstleistungsfunktion“ erfüllt und im bibliothekarischen Kerngeschäft sehr gut aufgestellt sei. Gleichzeitig heißt es aber: „Für den Fortbestand der Einrichtung ist es notwendig, eine übergeordnete Gesamtstrategie ohne Verzug zu entwickeln und so bald wie möglich schrittweise umzusetzen“ ([1], S. 3). Zum einen dient das der nachhaltigen Ermittlung von Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden und der Ausrichtung an diesen, zum anderen ist die Gesamtstrategie Basis für die Profilierung im Service. Dazu kommen verstärkte anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten.

Seit dieser Evaluierung ist bereits viel passiert und es zeigt sich, dass die Evaluierung eher einen guten Anstoß darstellte, grundsätzliche strategische Fragen systematisch anzugehen. Entsprechend den Forderungen der Evaluierung wurde das Projekt „Strategie- und Neuorganisationsprozess ZB MED“ mit 20 Arbeitspaketen unter der Leitung von Elke Roesner mit Beratung durch Prof. Mumenthaler von der HTW Chur und mit Fabian Gail als Projektassistenten aufgesetzt. Wichtige Arbeitspakete umfassten unter anderem:

  • Die Organisationsstruktur wurde in eine Matrix umgewandelt, in der unterstützende Querschnittsbereiche den Programmbereichen gegenüber stehen, welche die Dienstleistungen für die Kundinnen und Kunden anbieten. In diesem Rahmen wurde auch der Standort Bonn (ehemalige ZBL) mit seinen Funktionen in die neue Matrixstruktur integriert, um die Zusammenarbeit zu verbessern.
  • Auf Grundlage des „Gesetz zu Errichtung einer Stiftung ‚Deutsche Zentralbibliothek für Medizin‘“ vom 19.12.2013 firmiert ZB MED seit dem 1.1.2014 als Stiftung öffentlichen Rechts. In der Kommunikation nach außen tritt sie unter dem Namen „ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften“ auf.
  • Die gemeinsame Berufung einer W2-Professur sowie die Besetzung von drei Doktorandenstellen in Kooperation mit der Universität Bonn sind zum Sommersemester 2015 vorgesehen, die ZB MED-Leitung wird nach dem altersbedingten Ausscheiden des derzeitigen Direktors Ulrich Korwitz durch eine W3-Professur besetzt werden. ZB MED plant hier ein ähnliches Vorgehen wie die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaftswissenschaften in Kiel und Hamburg, an deren Spitze seit mehreren Jahren Prof. Dr. Klaus Tochtermann steht und auch den Forschungsteil der Einrichtung leitet.

Eine Kernforderung aus der Evaluierung bildete die Aufforderung zur Entwicklung eines Forschungskonzeptes und einer übergeordneten Gesamtstrategie. Als zentrale Herausforderung dabei stellte sich die valide Ermittlung der relevanten Zielgruppen und ihrer Bedürfnisse mit Hilfe einer entsprechenden belastbaren, systematischen und überregionalen Markt- und Zielgruppenstudie heraus.

Mit Unterstützung von Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen wurden hierzu Sondermittel bereitgestellt, aus denen sowohl die Projektassistenz als auch die Markstudie selbst finanziert werden konnten.

Zwar wurden bereits zuvor durch ZB MED kleinere Studien durchgeführt, die Mittel von Bund und Land erlaubten jetzt aber den „großen Wurf“. Mit der Beauftragung der Heinold, Spiller & Partner Unternehmensberatung GmbH aus Hamburg konnte ZB MED wichtige Methodenkompetenz einkaufen und nachnutzen sowie die ausdrücklich gewünschte externe Sicht als Grundlage der Strategieentwicklung realisieren.

Auf diese Weise wurde in enger Abstimmung ein empirisches Fundament für die Strategieentwicklung von ZB MED erstellt, als zentraler Baustein des Projektes „Strategie- und Neuorganisationsprozess ZB MED“ [2]. Im Folgenden wird ein Einblick in Methodik und praktisches Vorgehen bei der Erstellung einer Marktstudie gegeben. Die zu Grunde liegende Systematik wird erläutert und auf die Einordnung in den Prozess der Strategieentwicklung verwiesen. Zusätzlich werden ausgewählte Ergebnisse vorgestellt, auf deren Grundlage sich ZB MED auf den Weg von der Bibliothek zum Informationszentrum gemacht hat.


2 Bedürfnisse erfragen

2.1 Markt- und Zielgruppenanalyse

Die systematische, empirische Erhebung von Bedürfnissen durch Bibliotheken und Informationszentren als Grundlage für die Gestaltung des Angebotes erfolgt in einem schwierigen Umfeld. Die Menge der verfügbaren Informationen wächst kontinuierlich an, die Medienformate und Zugriffsoptionen sind im ständigen Wandel begriffen, die Qualität der Inhalte wird immer unüberschaubarer. Bibliotheken geraten in ihrer Vermittlerfunktion zwischen Autorinnen und Autoren sowie Leserinnen und Lesern durch den Vormarsch des Internets unter Druck. Dabei geht es ihnen genauso wie zahlreichen Verlagen und Handelsunternehmen, die durch die Nutzung von Online-Angeboten und digitaler Formate teilweise einfach umgangen werden können. Den Produzierenden fällt es immer leichter, ihre Leistungen direkt den Konsumierenden anzubieten ohne hierzu auf professionelle Mittler angewiesen zu sein. Gleichzeitig erlebt das traditionelle Geschäftsmodell der Bibliotheken eigentlich sogar eine Renaissance: Nutzen statt Besitzen ist der Schlachtruf in der „Share-Economy“. Ob als Carsharing oder in der Überlassung privater Unterkünfte als Ferienwohnung, durch die Vernetzungsmöglichkeiten des Internets wachsen die Angebote zur gemeinschaftlichen Nutzung von Eigentum derzeit in alle Richtungen und machen deutlich, wie zeitgemäß doch der Ansatz von Bibliotheken eigentlich ist.

Angesichts der Herausforderungen des rasanten technologischen Fortschrittes und der Beschränkungen des Urheberrechtes steht ZB MED als Einrichtung der Informationsinfrastruktur vor besonderen Problemen. So gilt es, die herausragenden gedruckten und digitalen Inhalte auch überregional in der gewünschten Form zugänglich zu machen. Zusätzlich müssen die Arbeitsweisen der Lebenswissenschaftlerinnen und Lebenswissenschaftler für die Entwicklung neuer Services bekannt sein, um konkrete Probleme für die Forschenden in Medizin, Gesundheits-, Ernährungs-, Umwelt- und Agrarwissenschaften auch wirklich lösen zu können. Dabei bewegt sich ZB MED in sehr dynamischen Märkten, mit deren Veränderungsgeschwindigkeit sie Schritt halten muss.

Um die eigenen Ressourcen mit entsprechenden Dienstleitungen möglichst effizient einsetzen zu können, müssen die relevanten Märkte identifiziert und auf Zukunftsfähigkeit überprüft werden. Ebenso gilt es, die Zielgruppen zu identifizieren und Informationen über Bedarfe der Zielgruppen zu sammeln. Das Ziel ist es, in der Folge die Ressourcen für Dienstleistungen auf den Märkten und für die Zielgruppen einzusetzen, für die es den höchsten Nutzen bringt und deren Unterstützung dem satzungsgemäßen Auftrag dient. Zu diesem Zweck ist eine Positionierung und Schwerpunktsetzung von großer Bedeutung, was durch die Formulierung einer längerfristigen und empirisch untermauerten Strategie erfolgt. Gleichzeitig dient diese der Orientierung – sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ZB MED als auch für die Geldgeber. In der vorgestellten Markstudie geht es somit explizit nicht darum, bestehende Dienstleistungen von ZB MED entlang existierender Nutzerinnen und Nutzer zu prüfen, sondern um eine sehr offene Ermittlung von Arbeitsweisen, Bedarfen und Potentialen für die langfristige strategische Ausrichtung. Die Marktstudie von ZB MED wurde von Heinold, Spiller & Partner Unternehmensberatung GmbH im Jahr 2013 durchgeführt und gliedert sich in drei Teile: Markt- und Zielgruppenanalyse, empirische Erhebung und Gap-Analyse.

Mit der Markt- und Zielgruppenanalyse wurde durch Ehrhardt Heinold das Feld für die folgende empirische Erhebung abgesteckt. Dabei handelt es sich um das Ergebnis von „desk research“ als Auswertung existierender Studien, interner Dokumente und zahlreicher Gespräche. Auf diese Weise wurden alle Märkte erfasst, auf denen sich ZB MED mit seinen aktuellen Dienstleistungen bewegt. Außerdem erfasste Herr Heinold alle aktuellen, aber auch potentiellen Zielgruppen. Es folgte die Bewertung, sowohl hinsichtlich der reinen Größe der Märkte und Zielgruppen als auch bezüglich ihres Potentials für ZB MED.

Aktuelle technische Trends und Wettbewerber auf den Märkten fanden dabei ebenso Berücksichtigung wie z.B. neu entstehende Berufsgruppen und Studiengänge im Bereich der Gesundheitswissenschaften. Die identifizierten Hauptmärkte wurden soweit möglich in homogene Teilmärkte segmentiert. Als Maßgabe für die strategische Bewertung wurde von Herrn Heinold der Ansatz des „blue ocean“ gewählt. Im Gegensatz zu einem „red ocean“ sucht ZB MED ungesättigte Märkte, d.h. Märkte, in denen keine „Haie“ für eine scharfe Konkurrenzsituation sorgen. Im Idealfall geht es vielmehr darum, durch die intelligente Entwicklung von Services neue Märkte zu schaffen und in bestehenden die „ökologischen Nischen“ im öffentlichen Interesse zu besetzen und auf diese Weise die Forschungsinfrastruktur in Deutschland voran zu bringen. Mit dieser Maßgabe begegnete ZB MED auch der besonderen Situation als öffentlich finanzierter Einrichtung, deren Marktverständnis von den Bewertungskriterien renditeorientierter privatwirtschaftlicher Einrichtungen abweicht. Im Ergebnis konnte durch diese Analyse im ersten Schritt ein erstes Raster aus Märkten und Zielgruppen entwickelt werden, das die Vorlage für die systematische Abfrage der Zielgruppen in der empirischen Erhebung bildete. Tabelle 1 [Tab. 1] zeigt die betrachteten Zielgruppen, Tabelle 2 [Tab. 2] stellt die verschiedenen Märkte von ZB MED dar.

Dieser Artikel konzentriert sich bei der Auswertung der Markstudie auf den Hauptmarkt „Management von Fachinformationen“ bzw. seine Teilmärkte „Recherchieren und Beschaffen“ und „Verarbeiten und Organisieren“. Ferner liegt ein Fokus auf dem Teilmarkt „Publikationsdienstleistungen“ im Hauptmarkt „Publizieren“. Die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden, um die sich der Hauptmarkt „Vernetzung“ dreht, wurden vor allem im Hinblick auf die eigene Community und die Zielgruppe der „Multiplikatoren“ (vor allem Bibliothekarinnen und Bibliothekare) in die Auswertung einbezogen (siehe Kapitel 3.5)

Die empirische Erhebung bildet den zweiten Teil der Markstudie und gliedert sich wiederum in drei Teile. Sie wurde durch Gert und Hanne Autz von der in_to_mind GmbH begleitet, die für die empirischen Arbeiten mit Herrn Heinold kooperierten. So wie die Markstudie das Herzstück des Projektes „Strategie- und Neuorganisationsprozess ZB MED“ ist, so ist die empirische Erhebung und die Befragung der Kundinnen und Kunden das Herzstück der Markstudie selbst. Sie wird im folgenden Kapitel detaillierter behandelt.

Den dritten Teil der Markstudie bildet die Gap-Analyse, in der die Bewertung der gewonnenen Erkenntnisse durch einen Abgleich mit dem aktuellen Angebot von ZB MED erfolgte. „Gap“ bezeichnet auf Englisch die „Lücke“, mit welcher hier der Unterschied zwischen der aktuellen Situation und einer ermittelten idealen Situation bezeichnet wird. Dabei wird unterschieden zwischen einer „strategischen Lücke“ und der Frage „Was soll getan werden?“ und einer „operativen Lücke“, bei der die Frage gestellt wird, „Wie sollen wir es tun?“ (vgl. Abbildung 1 [Abb. 1]).

Konkret bedeutet eine strategische Lücke, dass auf einem relevanten Markt für eine relevante Zielgruppe kein Angebot von ZB MED existiert. Eine operative Lücke ergibt sich entsprechend, wenn zwar ein Angebot vorliegt, dass in seiner Form jedoch ungeeignet ist, die existierenden Bedürfnisse anzusprechen und zu befriedigen. Mit der Gap-Analyse findet die Übertragung der Befragungsergebnisse auf ZB MED in Kombination mit den aufgezeigten Möglichkeiten zur Marktpositionierung aus der Markt- und Zielgruppenanalyse statt. Die Ergebnisse selbst wurden Gegenstand zahlreicher Diskussionen in den internen und externen Gremien der Strategieentwicklung. Die Auswertung der Marktstudie und die strategischen Schlüsse von ZB MED sind Gegenstand einer weiteren Veröffentlichung [2]. Schwerpunkte des vorliegenden Artikels sind das Vorgehen für eine erfolgreiche Marktstudie sowie die Präsentation ausgewählter Befragungsergebnisse.

2.2 Empirische Erhebung

2.2.1 Explorative Interviews

Die empirische Erhebung selbst, die entlang des Rasters der Markt- und Zielgruppenanalyse erfolgte, gliedert sich ebenfalls wieder in drei Teile: Explorative Interviews, Online-Erhebung, Fokusgruppen-Interviews.

Angesichts des hohen Aufwands einer repräsentativen quantitativen Befragung mit Hilfe eines Online-Fragebogens ist es entscheidend, den zu Grunde liegenden Fragebogen gründlich vorzubereiten. Die Fragen müssen nicht nur verständlich formuliert sein, sie müssen sich auch an der Arbeits- und Lebenswirklichkeit der Befragten orientieren und Erkenntnisse liefern, die für zu treffende Entscheidungen von Bedeutung sind. Aus diesem Grund wurden, abweichend von der ursprünglichen Planung, zunächst explorative Interviews geführt. Solche qualitativen Erhebungen dienen dazu, das zu untersuchende „Feld“ zu eröffnen. Gerade wenn es darum geht, Unbekanntes in Erfahrung zu bringen, ist dies der geeignete erste Schritt. Mit „qualitativ“ ist dabei nicht die Wertigkeit der Befragung bezeichnet, sondern in Abgrenzung zu „quantitativ“ ein hermeneutischer Ansatz der empirischen Sozialforschung. Hier wird z.B. mit einzelnen Gesprächen versucht, individuelle Lebens- und Arbeitssituationen zu verstehen. Im Anschluss kann dann induktiv von solchen Einzelfällen auf das Allgemeine gefolgert und Hypothesen generiert werden. Diese können dann mit quantitativen Methoden repräsentativ geprüft werden (vgl. [3], S. 378-80]. Ganz praktisch bedeutete dies für ZB MED, dass zunächst einzelne Mitglieder der identifizierten Zielgruppen in relativ offenen Gesprächen interviewt wurden (Tabelle 3 [Tab. 3]). Dies geschah mit Hilfe eines Leitfadens, der sich an den zuvor identifizierte Märkten und der Arbeitswirklichkeit der Befragten orientierte.

Die 15 Gespräche wurden jeweils von Herrn Autz geführt, unter teilnehmender Beobachtung eines Vertreters oder einer Vertreterin von ZB MED. Mit Einverständnis der Interviewten wurden die Gespräche zur späteren Auswertung aufgezeichnet. Der Leitfaden diente dabei vor allem der Sicherstellung einer vollständigen Abdeckung aller Themen. Er wurde im Zuge eines persönlichen, offenen Gesprächs eher beiläufig abgefragt. Auf diese Weise konnte der befragte Experte bzw. die Expertin selbst Schwerpunkte im Gespräch setzen, die dann ggf. vertieft wurden. Die Vertreterinnen und Vertreter von ZB MED brachten sich hier vor allem im Vorfeld der Entwicklung des Leitfadens mit ein, im Gespräch selbst wurden lediglich einzelne Nachfragen zu speziellen Themen gestellt und diese so fachlich vertieft.

Das Führen qualitativer Interviews ist ein methodisches Handwerk und nicht mit einem einfachen Gespräch zu verwechseln, auch wenn dies auf den ersten Eindruck so wirken mag. Im Zentrum stehen die zu Befragenden und ihre Auffassungen, Werte, Meinungen und Einschätzungen entlang der vorformulierten Themen. Es ist in jedem Fall zu vermeiden, sich als Interviewer in Argumentationen zu verstricken oder Rechtfertigungen zu liefern. Auch die Formulierung eigener Ansichten und Positionen sollte nur sehr vorsichtig und überlegt erfolgen. Im Zentrum der Interviews stehen die zu Befragenden mit ihren Wertsetzungen und Problemlagen ihrer Arbeitswirklichkeit, welche die Grundlage für die Entwicklung forschungsfördernder Services von ZB MED bilden.

2.2.2 Online-Umfrage

Nachdem die Markt- und Zielgruppenanalyse (Kapitel 2.1) das Raster der Zielgruppen und Märkte bzw. Themenfelder festgelegt hatte und die explorativen Interviews Einblicke in die jeweiligen Arbeitswelten und konkreten Problemlagen ermöglichten, konnte mit der Entwicklung des Online-Fragebogens begonnen werden. Es galt ein sehr breites Spektrum an Themen und Zielgruppen abzufragen, welches sowohl nach der persönlichen Rolle (z.B. Promovierende, Studierende) als auch der Institution (z.B. universitär, außeruniversitär) differenziert wurde. Auf diese Weise entstanden 28 Kategorien der Befragung (Tabelle 4 [Tab. 4]).

Durch entsprechende Eintragungen zu Beginn des Fragebogens (Anhang 1 [Anh. 1]) ordneten sich die Befragten selber in ihre Rollen ein und die Fragen wurden so an die jeweiligen Rollen angepasst. Die größten Abweichungen innerhalb der gestellten Fragen ergaben sich für die Zielgruppe der Bibliothekarinnen und Bibliothekare, da hier sehr spezielle Themen wie z.B. die gewünschte Rolle von ZB MED bei Lizenzverhandlungen angesprochen wurden. Fragen zum Themenfeld „Publizieren“ wurden z.B. dagegen stärker an Forschende gerichtet als an Studierende.

Insgesamt ergibt sich durch die Zusammenführung von Märkten und Zielgruppen ein Online-Fragebogen mit 114 Seiten (Anhang 1 [Anh. 1]). Die tatsächliche Anzahl an Fragen und damit die Länge des Fragebogens für einen Befragten oder eine Befragte unterscheidet sich stark durch die unterschiedlichen Rollen und die jeweilig gestellten Fragen und Antwortmöglichkeiten. Entlang des Themenkomplexes „Recherche“ wurde gefragt wer, wo, in welchem Umfang und wie recherchiert, welche Aspekte dabei besonders wichtig sind und welche Werkzeuge genutzt werden. Zum Thema „Beschaffen“ wurden die am häufigsten genutzten Medien und gewünschten Formate und Beschaffungskanäle abgefragt sowie die Zahlungsbereitschaft für digitale Zugänge eruiert. Es folgten im Bereich „Publizieren“ Fragen zu existierenden Bedarfen sowie existierenden und gewünschten Formaten der Vermittlung von Informationskompetenz und zu gewählten Publikationswegen unter besonderer Berücksichtigung von Open Access, im Themengebiet „Verarbeiten und Organisieren“ Fragen zur Nutzung von Literaturverwaltungssystemen.

Die Online-Umfrage fand zwischen dem 17. Juli und dem 1. September 2013 statt, der sogenannten „Feldzeit“. Die Antworten erfolgten entlang vorformulierter Antwortoptionen, als Angabe eines Grades der Zustimmung oder Ablehnung zu einer formulierten Aussage, mittels einer stufigen Antwortskala oder auch durch die Angabe in Prozenten. Fragen mit offenen Antwortmöglichkeiten wurden bewusst vermieden und nur abschließend eingesetzt, da sich solche innerhalb quantitativer Methodik und der großen Zahl der Fragebögen nur schwer auswerten lassen.

Wie auch das Führen qualitativer Interviews ist das Aufstellen eines zielführenden quantitativen Fragebogens ein eigenes Handwerk. Gerade angesichts der Komplexität der Markt- und Zielgruppen war externer methodischer Sachverstand hier äußerst hilfreich, denn die Auswahl der Frageform und Antwortoptionen können erhebliche Auswirkungen auf den empirischen Gehalt einer Studie haben. Neben der Zweckmäßigkeit für die Gewinnung nutzbarer Informationen muss dabei immer versucht werden, die Meinung der Befragten z.B. durch die Formulierung der Frage selbst und die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten so gering wie möglich zu beeinflussen. Wenngleich die Abstimmung zu den fachlichen Inhalten des Online-Fragebogens trotz externer Begleitung nach wie vor einen hohen Aufwand für ZB MED bedeutete, so kann dieser Aufwand für den Erfolg der Marktstudie doch als gute Investition betrachtet werden.

Neben der inhaltlich zielführenden und methodisch sauberen Formulierung war die Programmierung des Fragebogens durch die Firma in_to_mind GmbH ein weiterer wichtiger Schritt. Programmierung und Formulierung erfolgten in einem kontinuierlichen Austausch über die jeweils aktualisierte und getestete Version zwischen dem externen Dienstleister sowie Elke Roesner, Birte Lindstädt, Ulrike Ostrzinski und Fabian Gail auf der Seite von ZB MED. Die größte Herausforderung bildete jedoch die Sicherstellung der Repräsentativität und damit vor allem die Gewinnung einer ausreichenden Zahl und Durchmischung von Befragungsteilnehmerinnen und Befragungsteilnehmern. Auf diesen Aspekt wird in Kapitel 2.3 noch detaillierter eingegangen.

2.2.3 Fokusgruppen-Interviews

Den letzten Teil der empirischen Erhebung im Rahmen der Markstudie von ZB MED bildeten die Fokusgruppen-Interviews. Hierbei handelt es sich ebenfalls um qualitative Interviews, im Unterschied zu den explorativen Interviews aus Kapitel 2.2.1 allerdings um vertiefende Interviews mit stringenter Struktur, die zudem in Gruppen erfolgten. Während zu Beginn der Erhebung sehr offen gefragt wurde, um das Feld für die folgende Befragung abzustecken und die jeweiligen Arbeitssituationen zu verstehen, müssen jetzt gewonnene Erkenntnisse fokussiert und gezogene Schlüsse geprüft werden. Konkret bedeutet dies, dass neue Produktideen bzw. Abwandlungen bestehender Produkte Vertreterinnen und Vertretern der Zielgruppen vorgestellt werden.

Die resultierenden Diskussionen werden ebenfalls anhand entsprechender Leitfäden moderiert und durch die teilnehmende Beobachtung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von ZB MED begleitet. Neben der stärkeren Fokussierung der Fragestellung und der Vorstellung konkreter Produktideen macht gerade die Gruppensituation einen weiteren Unterschied zu den explorativen Interviews aus, da hier eine gewisse Gesprächsdynamik entsteht. Der Austausch von Argumenten und die Diskussion von Standpunkten in einer Gruppendiskussion liefern wichtige Einblicke für das Verständnis der Sicht von Kundinnen und Kunden und helfen, zu einer abschließenden Bewertung der Erkenntnisse und zum Übertrag auf konkrete Dienstleistungen zu gelangen.

Neben der Moderation und der Gewinnung von Teilnehmenden ist aus jetziger Sicht für die gelungene Durchführung solcher Fokusgruppen-Interviews vor allem die Vorbereitung der jeweiligen Präsentationen und des Gesprächsleitfadens als erfolgskritisch zu nennen. Um in knapp bemessener Zeit und Aufmerksamkeitsspanne viele Aspekte beleuchten zu können, müssen grundlegende Gedanken und zu diskutierende Optionen klar, eindeutig und möglichst visuell präsentiert werden. Für die Nachbereitung ist es wichtig, sich über das Format des Protokolls bzw. der Aufzeichnungen zu einigen, damit eine Diskussion und Auswertung der Ergebnisse auch über den Kreis der direkten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sinnvoll möglich ist. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels sind die Fokusgruppen-Interviews in ZB MED noch nicht abgeschlossen.

2.3 Repräsentativität der Befragung

Eine wichtige Anforderung von ZB MED und deren Geldgebern für die Marktstudie war Repräsentativität, also die Sicherstellung, dass sich aus den erhobenen Informationen auch empirisch valide Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit ziehen lassen, die ja nicht komplett befragt werden kann. Der übliche Weg hierzu wäre die zufällige Auswahl einer Stichprobe von ausreichender Größe aus der Grundgesamtheit. Hierfür müsste diese allerdings nicht nur bekannt, sondern auch erreichbar sein. Ein vollständiges Adressverzeichnis aller ermittelten Mitglieder der Zielgruppen zu erstellen, um eine Zufallsstichprobe zu ziehen, ist jedoch nicht realistisch und vom Aufwand her auch nicht als wirtschaftlich tragbar anzusehen. An Stelle einer Zufallsstichprobe wurde daher der pragmatische Ansatz einer systematisch ausgewählten Stichprobe gewählt, wobei der Versuch, die Grundgesamtheit zu erreichen, nicht aus den Augen verloren wurde. Zentraler Erfolgsfaktor für die Repräsentativität ist die koordinierte Gewinnung von Befragungsteilnehmerinnen und Befragungsteilnehmern. Das beauftragte Unternehmen in_to_mind GmbH lieferte hierzu vor allem technischen Support z.B. durch das Aufbereiten von Datensätzen und die Einweisung in das Programm Supermailer, mit dem individualisierte Einladungen zur Befragung verschickt wurden. Die Kontaktaufnahme erfolgte durch ZB MED selbst, denn der Status als öffentliche Einrichtung mit der entsprechenden Vernetzung versprach gerade im Bereich der Forschung und der Bibliotheken einen einfacheren Zugang. Nur der Bereich der Industrie verblieb bei der Gewinnung von Kontakten in externer Hand.

Für die Befragung wurde der Ansatz gewählt, gezielt Institutionen innerhalb der ermittelten Zielgruppen über deren Leitungen anzusprechen, um dann innerhalb dieser Institutionen mittels der internen E-Mail-Verteiler jeweils Vollerhebungen durchzuführen. Unterstützt durch entsprechende Begleitschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und des NRW Landesministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung (MIWF) konnten so die folgenden Institutionen für die Teilnahme durch den Direktor Herrn Korwitz eingeladen werden:

  • Alle Professorinnen und Professoren und alle wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den deutschen Universitäten und Hochschulen bzw. deren Dekanate für die Fächer Medizin, Gesundheit, Ernährung, Agrar, Umwelt,
  • alle Studierenden an den deutschen Universitäten und Hochschulen über die Dekanate für die Fächer Medizin, Gesundheit, Ernährung, Agrar, Umwelt und über die Studierendensekretariate an den jeweiligen Universitäten und Hochschulen,
  • alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bibliotheken der Universitäten, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und forschenden Industrieunternehmen in den relevanten Fächern, teilweise auch zusätzlich über Verteilerlisten von ZB MED,
  • alle Max Planck-Institute, alle Institute der Leibniz-Gemeinschaft, alle Fraunhofer-Institute, alle Helmholtz-Zentren, Forschungsinstitute des Bundes und der Länder sowie Dachverbände in den für ZB MED relevanten Fächern,
  • alle forschenden Pharma-Unternehmen,
  • die 20 bedeutendsten, im Lebensmittelbereich forschenden Unternehmen,
  • alle Landesämter in den Bereichen Medizin, Gesundheit, Ernährung, Agrar, Umwelt,
  • die Kassenärztlichen Vereinigungen in den Bundesländern Sachsen, Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, mit der Bitte, jeweils eine Zufallsstichprobe von 500 niedergelassenen Ärzten anzuschreiben (diese Auswahl wurde vom Bundesverband empfohlen),
  • 22 nicht dem Universitätsbereich angehörende Großkliniken oder Klinikverbände,
  • einzelne Dachverbände in den Bereichen Medizin, Gesundheit, Ernährung, Agrar, Umwelt.

Durch die Anonymität der Befragung gibt es leider keine Möglichkeit, vollständig nachzuvollziehen, inwiefern die Weiterleitung der Einladungen zur Befragung jeweils innerhalb der kontaktierten Institutionen auch erfolgt ist. Insgesamt ergaben sich allerdings erfreuliche Anzahlen verwertbarer Fragebögen (Tabelle 5 [Tab. 5]).

Insgesamt konnte für die Marktstudie von ZB MED auf 2.387 verwertbare Fragebögen zugegriffen werden. Um eine möglichst breite Streuung der Befragung sicherstellen und um Verzerrungen herausfiltern zu können, wurde im Rahmen der Befragung zusätzlich nach den ersten beiden Ziffern der Postleitzahl gefragt. So konnte die Beurteilung der Repräsentativität der Befragungsergebnisse nicht nur hinsichtlich der Auswahl und der Anzahl in den jeweiligen Zielgruppen vorgenommen werden, sondern auch hinsichtlich ihrer räumlichen Verteilung innerhalb Deutschlands.

Neben der Zusammensetzung der Stichprobe hängt die Repräsentativität einer Befragung von weiteren Einflussfaktoren ab. So wird zunächst eine tolerierte Abweichung (Alpha) definiert, die für diesen Fall 5% beträgt. Hinzu kommt die Standardabweichung, die sich aus der Streuung der Antworten um den jeweiligen Mittelwert errechnet. Aus diesen beiden Werten und dem konkreten Stichprobenumfang sowie der Größe der Antwortskala ergibt sich das Konfidenzintervall. 95% der so berechneten Intervalle enthalten den tatsächlichen Grundgesamtheitsparameter. Je nach Größe des Konfidenzintervalls im Kontext der zugehörigen Frage kann also ermittelt werden, ob das ermittelte Ergebnis eine repräsentative Aussage ermöglicht oder nicht (vgl. [3], S. 268-9 und [4], S. 10-2). Nicht repräsentative Aussagen wurden entsprechend herausgefiltert. Gleiches galt für die Antworten von Zielgruppen, für die nicht mindestens 50 ausgefüllte Fragebögen vorlagen. Aus diesem Grund wurden die Antworten von Zielgruppen im Bereich der Praktiker, soweit dies durch die Einheitlichkeit der Fragestellung möglich war, aggregiert. Zusätzlich wurde ein Fokusgruppen-Interview, abweichend von der ursprünglichen Planung, dafür genutzt, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zu befragen, die nicht im ausreichenden Umfang an der Befragung teilgenommen haben. Die Ergebnisse dieses Interviews konnten zwar nicht in die quantitative Erhebung einfließen, lieferten jedoch trotzdem wichtige Einblicke in diesen Bereich.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass der doch erhebliche Aufwand zur Gewinnung von Befragungsteilnehmerinnen und Befragungsteilnehmern von ZB MED-Seite mit großem Erfolg belohnt wurde. Der hohe Differenzierungsgrad ermöglichte den präzisen Abgleich der Antworten innerhalb der verschiedenen Rollen. Die hohe Beteiligung bei einer zentralen Zielgruppe wie den Forschenden (Professorinnen und Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Promovierende) unterstreicht die Aussagekraft und den Wert dieser Marktstudie für ZB MED.


3 Zentrale Ergebnisse der Marktstudie von ZB MED

3.1 Allgemeine Erkenntnisse

Der vollständige Endbericht zur Marktstudie von ZB MED von Herrn Heinold umfasst 135 Seiten und kann an dieser Stelle nur ansatzweise wiedergegeben werden [4]. Die Auswertung der Ergebnisse im Ende August abgeschlossenen Projekt „Strategie- und Neuorganisationsprozess ZB MED“ ist zudem Gegenstand einer weiteren Veröffentlichung [2], so dass in diesem Kapitel zunächst nur auf einzelne wichtige Befragungsergebnisse der Online-Umfrage selbst eingegangen wird. Ein grundsätzliches Ergebnis zur Verwendung der erhobenen Informationen für die Ausrichtung von ZB MED soll mit der ZB MED-Matrix (Abbildung 2 [Abb. 2]) jedoch schon an dieser Stelle zur besseren Orientierung in den folgenden Kapiteln gezeigt werden.

Mit Hilfe der Ergebnisse der Marktstudie und im Rahmen der anschließenden Diskussion in den Strategiegremien wurden sowohl die Zielgruppen von ZB MED als auch die zu strategischen Handlungsfeldern weiterentwickelten Märkte priorisiert und zueinander in Beziehung gesetzt. Hier wird deutlich, dass zum Beispiel die Bibliotheken als Multiplikatoren bei den Zielgruppen an Bedeutung gewinnen, während die Anwenderinnen und Anwender von Wissen, zu denen auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gehören, eher in den Hintergrund treten. Die Forschenden bleiben an wichtigster Stelle stehen und die ihnen angebotenen Dienstleistungen richten sich natürlich auch an Studierende und Menschen aus der Praxis, soweit diese in einer forschenden Rolle tätig sind. Die noch leeren Felder zwischen den Achsen gilt es nun aktuell mit entsprechend bedarfsorientierten Dienstleistungen zu füllen.

Die aufgeführten Märkte bzw. strategischen Handlungsfelder dienen in den folgenden Kapiteln auch zur Gliederung der präsentierten Ergebnisse. Diese Märkte orientieren sich am Wissenschaftskreislauf im Arbeitszyklus Forschender (Abbildung 3 [Abb. 3]), der mit Hilfe der Ergebnisse der Befragung durch das Dienstleistungsangebot von ZB MED abgedeckt wird.

Ein weiteres eher allgemeines Ergebnis aus der Auswertung der Online-Umfrage ist die Akzeptanz des Begriffes „Lebenswissenschaften“, die vor dem Hintergrund der zu prüfenden, verstärkt interdisziplinären Aufstellung von ZB MED von Bedeutung ist. Bei der Frage, ob sich die Befragten mit ihrer Tätigkeit in diesem Begriff wiederfinden, antworten 88% der Endnutzerinnen und Endnutzer (Gesamtheit der Befragten) mit „ja“. Da trotz entsprechender Bemühungen auch fachfremde Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Befragung teilnahmen, ist dies als sehr guter Wert für die Neuerfindung von ZB MED als „Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften“ zu betrachten.

Besonders interessant bei der Untersuchung disziplinübergreifender Interessen der Forschenden ist Tabelle 6 [Tab. 6] zur Frage nach Fachgebieten, die jenseits des eigenen als interessant angesehen werden.

Tabelle 6 [Tab. 6] zeigt die als interessant genannten Fachdisziplinen jenseits der eigenen, wobei der Grad der Färbung die Stärke der Korrelation zwischen Fachgebieten anzeigt. Aus Sicht von ZB MED wird deutlich, dass es einen großen Zusammenhang zwischen Medizin- und Gesundheits- sowie zwischen Gesundheits- und Ernährungswissenschaften gibt. Ebenfalls groß ist der Zusammenhang zwischen Umwelt- und Agrarwissenschaften untereinander, sowie ebenfalls mit den Ernährungswissenschaften, die so eine Art Scharnier zwischen den Fächern der Lebenswissenschaften bei ZB MED bilden. Das zudem insgesamt recht hohe Interesse an Thematiken der Sozial- und Naturwissenschaften spricht für die weiter zu stärkende Vernetzung der zentralen Fachbibliotheken, wie sie im Rahmen von GOPORTIS ja bereits erfolgt. Möglicherweise zeigt sich in der starken Korrelation mit Mathematik- und Naturwissenschaften auch ein verstärktes Interesse an Methodenwissen, was in den Fokusgruppen-Interviews weiter verfolgt werden wird.

Eine weitere wichtige allgemeine Erkenntnis ist die Bedeutung der Vermittlung von Informationskompetenz. Dies gilt sowohl für ZB MED als auch im verstärkten Maße für Universitätsbibliotheken. Die im Rahmen der Digitalisierung sich stark wandelnde Informationslandschaft bringt traditionell denkende Bibliothekarinnen und Bibliothekare augenscheinlich in eine Art Identitätskrise. Die Neudefinition als Informations-Profis und eine entsprechende Positionierung gegenüber den Forschenden als zukunftsorientierte Fachleute ist in vollem Gang. Insbesondere das Feld der Vermittlung von Informationskompetenz ist hier von höchster Bedeutung. Um entsprechendes Fachwissen platzieren zu können, muss von Seiten der potentiellen Kundinnen und Kunden allerdings zuerst auch ein Bedarf erkannt werden. Die Umfrage zeigt jedoch, dass dieser immer vor allem bei den anderen erkannt wird (Abbildung 4 [Abb. 4]).

Eine denkbar schlechte Voraussetzung für ZB MED könnte man meinen, um mit neuen Formaten der Vermittlung von Informationskompetenz auf nennenswerte Nachfrage bei freiwilligen Veranstaltungen zu stoßen, z.B. als zentraler Dienstleister für die lokalen Universitätsbibliotheken. Wie es den Anschein hat, sind jedoch Pflichtveranstaltungen zur Informationskompetenz bei den Forschenden dennoch eher die Ausnahme als die Regel (Abbildung 5 [Abb. 5]).

Aus der alltäglichen Erfahrung entsteht der Eindruck, dass durch die hohe Informationsfülle z.B. auch bei unsystematischer Recherche für viele Forschende gar nicht erst das Gefühl eines Mangels an Informationskompetenz zu Stande kommt.

Die Vorstellung und Sammlung von „best-practice“-Beispielen und die Demonstration der Vorteile fachkompetenter Informationsrecherche bilden daher wohl eine gemeinsame Herausforderung von Bibliotheken und Informationszentren zur Etablierung in der Forschung. Glücklicherweise scheint zumindest über die Gesamtheit der Befragten hinweg noch Bewusstsein für den Wert methodisch sauberer Informationsrecherche und -verarbeitung zu bestehen, wie Abbildung 6 [Abb. 6] zeigt.

3.2 Recherchieren und Beschaffen

Im Rahmen der Markstudie bildet „Recherchieren und Beschaffen“ einen Teilmarkt des Hauptmarktes „Management von Fachinformationen“, stellt aber zugleich das aktuell wichtigste Betätigungsfeld von ZB MED dar. „Recherchieren und Beschaffen“ leitet sich dabei aus der Sicht der Kundinnen und Kunden ab, die Fachinformationen finden und erhalten wollen. Der Begriff „Beschaffen“ ist daher nicht mit den Beschaffungsvorgängen im Rahmen der Tätigkeit einer Bibliothek zu verwechseln.

Die identifizierten zentralen Trends, die in diesem Teilmarkt handlungsleitend sein werden, sind die erwähnte drastische Zunahme der Informationsmenge und Beschaffungswege insgesamt sowie die wachsende Vielfalt der Medienformate als Träger von Informationen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bedeutung von Services gegenüber der reinen Bereitstellung von Inhalten wächst, die in größerem Maße „kuratiert“ werden müssen, um den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen Überblick in der Informationslandschaft zu erleichtern. Weitere Trends für „Recherchieren und Beschaffen“ sind die verstärkte Nutzung von mobilen Endgeräten und der Bedarf einer entsprechenden Anpassung von Services und Dienstleistungen an diese Geräte. Metadaten und Referenzierungen gewinnen ebenfalls an Bedeutung, um die passgenaue Auffindbarkeit abzusichern und die intelligente Verknüpfung von Informationen zu erleichtern. Für die Suche stehen immer ausgefeiltere Discovery-Systeme zur Verfügung, die verstärkt nach Relevanz filtern müssen. Ein eher neuer Trend ist die „soziale Suche“, bei der z.B. über soziale Netzwerke Hinweise zu Informationen aus den Literaturhinweisen der befreundeten bzw. fachlich nahen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler formuliert werden. Dieser Trend geht einher mit einer verstärkten Personalisierung der Suche, die sich auch an der jeweiligen individuellen Suchhistorie und ggf. auch an Daten zu den Suchenden orientiert.

Für die Online-Umfrage interessierte ZB MED im Bereich „Recherchieren und Beschaffen“ zunächst vor allem die Nutzung verschiedener Recherchewerkzeuge (Abbildung 7 [Abb. 7] und Abbildung 8 [Abb. 8]).

Wie aus den Grafiken deutlich wird, werden die Angebote von Google in beiden Gruppen stark frequentiert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Medizin und Gesundheit zeigen zudem eine deutliche Präferenz für PubMed. Die Angebote von ZB MED mit MEDPILOT und GREENPILOT werden etwas weniger stark genutzt. Gleichzeitig sind Online-Bibliothekskataloge allgemein relativ stark vertreten.

Jenseits der konkreten Rechercheinstrumente wurden auch die für wichtig erachteten Eigenschaften solcher Instrumente bei den Forschenden insgesamt abgefragt, um zu einer differenzierteren Bewertung der Befragungsergebnisse gelangen zu können (Abbildung 9 [Abb. 9]).

Hier wird deutlich, dass es nicht primär konkrete Funktionalitäten, sondern die Vertrautheit im Umgang und die (korrespondierende) schnelle Erfassung der Suchkriterien ist, die den Befragten wichtig sind.

Zusätzlich zu den verwendeten Recherchetools und den gewünschten Eigenschaften wurden auch die von den Forschenden präferierten Formate der genutzten Quellen im Rahmen der Online-Umfrage erhoben (Abbildung 10 [Abb. 10]).

Ein signifikanter Unterschied bei den Fächern zeigte sich nicht, so dass die Gruppe der Forschenden hier gesamt betrachtet wurde. Es wird deutlich, dass elektronische Fachzeitschriften präferiert werden, es folgt die Nutzung von Open-Access-Angeboten und gedruckten Zeitschriftenartikeln. Forschungsdaten bilden ebenfalls eine wichtige Quelle. Gedruckte Bücher spielen immer noch eine große, wenn auch nachgeordnete Rolle. Ihre Bedeutung wird von den Studierenden allerdings höher eingeschätzt.

Passend zu den präferierten Quellen sind auch die geäußerten Wünsche der Forschenden hinsichtlich der Angaben zu Beschaffungsoptionen aussagekräftig. Von 90% werden hier die „Angaben zur Verfügbarkeit als digitale Quelle“ und von 87% die „Angaben zur Verfügbarkeit als Online-Ausgabe“ genannt.

Interessant, aber interpretationsbedürftig, sind die Ergebnisse zur Frage nach weitergehenden Services eines Informationszentrums wie ZB MED. So ist das Interesse an kostenpflichtiger Auftragsrecherche eher gering. Die Nutzung von Themenportalen mit laufend aktualisierter Literatur wird jedoch durchaus in Betracht gezogen, sodass dieses Thema in den Fokusgruppen weiter vertieft werden wird (vgl. [4], S. 63-4).

3.3 Verarbeiten und Organisieren

Der Bereich „Verarbeiten und Organisieren“ leitet sich von einem Teilmarkt des Hauptmarktes „Management von Fachinformationen“ ab, auf dem es um die Bedürfnisse geht, bereits zugängliche Informationen für die wissenschaftliche Arbeit zu erschließen und am eigenen Arbeitsplatz zu organisieren. Dabei geht es für ZB MED einerseits darum, Software-Tools selbst zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen und sich anderseits als Partner in Kooperationen für die Entwicklung solcher Tools anzubieten bzw. den Zugang auf die eigenen Datenbestände im Interesse der Kundinnen und Kunden zu ermöglichen. Die Bedeutung des Bereiches „Verarbeiten und Organisieren“ basiert unter anderem auf der Annahme aus der Markt- und Zielgruppenanalyse, dass deutlich mehr Informationen beschafft als gelesen bzw. verarbeitet werden. Korrespondierend mit der Annahme einer weiter wachsenden Informationsflut gilt es daher, Techniken und Technologien zu entwickeln, auch aus bereits vorliegenden Informationen oder Daten durch entsprechende Kombinationen Wissen zu generieren.

Im Fokus der Online-Umfrage ging es hier zunächst vor allem um Programme zur Literaturverwaltung. Es wurde untersucht, mit welchen technischen Hilfsmitteln gesammelte Informationen durch die Kundinnen und Kunden im Arbeitsalltag organisiert und so auch zielführender verarbeitet werden (Tabelle 7 [Tab. 7]).

Quer über die Rollen und Fachgebiete der Befragten hinweg zeigt sich in der Online-Umfrage eine deutliche Dominanz von EndNote, mit weitem Abstand gefolgt von Reference Manager und Citavi. Insgesamt wurde im Rahmen der Interpretation der Ergebnisse durch die Strategiegremien deutlich, dass der Bereich „Verarbeiten und Organisieren“ als strategisches Handlungsfeld größer zu sehen ist. Analyseinstrumente, personalisierte Software-Tools sowie die Integration solcher Dienstleistungen in virtuelle Plattformen gewinnen für die Forschung kontinuierlich an Bedeutung. Neue Techniken wie das Data- oder Textmining lösen sich von den hergebrachten Formaten und Leistungen einer klassischen Bibliothek und werden künftig das Bild des Leibniz-Informationszentrums Lebenswissenschaften prägen. Um sich hier profilieren zu können, wird ZB MED den Auftrag aus der Evaluierung der Leibniz-Gemeinschaft 2011 ausführen und verstärkt eigene, anwendungsorientierte Forschung betreiben. Hierzu erfolgen die Besetzung einer W2- und einer W3-Professur im Bereich „Knowledge Discovery“ in Kooperation mit lokalen Universitäten sowie die zusätzliche Besetzung von Doktorandenstellen. Gleichzeitig gilt es, das Profil von ZB MED für Kooperationen zu schärfen, um bestmögliche Services für die Kundinnen und Kunden entwickeln zu können. Ein entsprechendes Forschungskonzept ist in Arbeit, die Vorbereitungen von Besetzungsverfahren laufen. Aus Sicht von ZB MED wird ein ähnliches Vorgehen wie das unseres GOPORTIS-Partners ZBW im Bereich einer verstärkten Forschungsarbeit angestrebt.

3.4 Publikationsdienstleistungen

Der Bereich „Publikationsdienstleistungen“ leitet sich von einem identifizierten Teilmarkt im Hauptmarkt „Publizieren“ ab, in dem sich gemäß der Markstudie noch der Teilmarkt „Publikationssysteme“ befindet, in dem ZB MED auch agiert. Bedient wird hier das Bedürfnis nach der Publikation und Verbreitung von Fachinformationen, welches im wissenschaftlichen Betrieb sowohl für Personen als auch für Institutionen eine Kerntätigkeit und wesentlich für den Aufbau von Reputation ist. Eine besondere Berücksichtigung erfährt in der Online-Umfrage der Bereich der Open-Access-Publikation, da der freie Zugang zu wissenschaftlicher Literatur ein hoch aktuelles Thema ist. Gerade die in weiten Teilen mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschung soll der Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich gemacht werden. In diese Richtung weist zumindest die aktuelle Planung der EU im Rahmen von „Horizon 2020“ sowie zahlreiche Debatten und Initiativen der Wissenschaftspolitik (Allianzinitiative, Open Access u.v.m.). Im Rahmen der Untersuchung des Marktes für Publikationsdienstleistungen sind in jedem Fall die Modelle des „Green Open Access“ (self-archiving bzw. Zweitveröffentlichung in Repositorien, in der Regel kostenfrei) und „Gold Open Access“ (Erstveröffentlichung, oft mit Kosten für Autor/Autorin oder publizierende wissenschaftliche Einrichtung verbunden) zu betrachten.

Die Trends zur wachsenden Menge der Informationen und der Vielfalt ihrer Formate aus „Recherchieren und Beschaffen“ gilt auch für die „Publikationsdienstleistungen“. Letztlich tragen sie sogar in erheblichem Umfang zu dieser Entwicklung bei. Da Open-Access-Veröffentlichungen online erfolgen, entstehen hier immer neue Möglichkeiten der Darstellung und der Erstellung, die zuvor durch das Print-Format eingeschränkt waren. Auch das vorherrschende Format pdf bildet diese Möglichkeitsvielfalt immer noch unzulänglich ab. Insgesamt ist der Ansatz des Open Access auf dem Vormarsch und auch etablierte Verlage betätigen sich zunehmend in diesem Bereich. Je nach Fachbereich ist die Anerkennung solcher Publikationen innerhalb der wissenschaftlichen Community noch etwas geringer, da das Wissen über die hier ebenfalls angewendeten Review-Verfahren oft unzulänglich ist und auch nicht geringe Lobby-Anstrengungen unternommen wurden, den Trend zum Open Access zur Bewahrung traditioneller Geschäftsmodelle auszubremsen. Maßgeblich für die Akzeptanz durch die Forschenden ist aber immer noch der Impact Factor, den auch Open-Access-Zeitschriften inzwischen verstärkt aufweisen können. Hinsichtlich der Sichtbarkeit einer Veröffentlichung, die künftig verstärkt im Mittelpunkt des Interesses liegen dürfte, bietet Open Access Vorteile. Gleichzeitig existiert weiterhin hoher Bedarf an Innovationen z.B. der Entwicklung alternativer Metriken, neuer Verfahren zur Qualitätssicherung, der Nutzung neuer Technologien z.B. zum kollaborativen Publizieren aber auch der Festigung nachhaltiger Geschäftsmodelle.

Gerade der Einsatz für Open Access zeichnete ZB MED bereits in der Vergangenheit aus, nicht zuletzt mit dem eigenen Angebot „German Medical Science“, das Open-Access-Publizieren in Kooperationen mit medizinischen Fachgesellschaften möglich macht. Insgesamt hat sich dieser Bereich in den letzten Jahren als sehr lebendiges Feld erwiesen, mit zahlreichen neuen, auch kommerziellen Anbietern. Der Wettbewerb wächst und verwandelt den Markt, im Sinne der Marktstudie, immer mehr vom „blue ocean“ zum „red ocean“ (siehe Kapitel 1.1). Da aber auch der Markt beständig wächst, scheint es hier dennoch Raum zur Positionierung zu geben.

Die Markt- und Zielgruppenanalyse sieht für ZB MED hier die Gelegenheit, sich mit einem fachlichen Ansatz zu positionieren, gegenüber dem bislang allgemein vorherrschenden institutionellen Ansatz. Die insgesamt schwierige Etablierung nachhaltiger Geschäftsmodelle wiederum bietet einer öffentlich finanzierten Einrichtung die Chancen, hier auch jenseits von Verwertungszwängen rein im Sinne Ihres satzungsgemäßen Auftrages die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden zu befriedigen und die Forschungsinfrastruktur in Deutschland zukunftsorientiert zu bereichern. Dies betrifft in starkem Maße den Bereich Open Access. Die Bedeutung dieser Publikationsform wird von Forschenden als sehr wichtig eingeschätzt (Abbildung 11 [Abb. 11]).

Quer über alle Rollen, Zielgruppen und Fächer hinweg publizieren die Befragten aktuell zu rund 50% in traditionellen Verlagszeitschriften. 25–29% der Veröffentlichungen erfolgen allerdings bereits in Open-Access-Formaten, während die restlichen Veröffentlichungen als „graue Literatur“ (Nicht-Verlagspublikation) erfolgen (Abbildung 12 [Abb. 12]).

Innerhalb des Themenbereiches „Publikationsdienstleistungen“ wurde auch der Frage nachgegangen, inwiefern Forschungsdaten für die Arbeit der Forschenden bzw. für die Entwicklung von Angeboten durch ZB MED eine Rolle spielen könnten. Diese Daten bilden eine wichtige Quelle für die wissenschaftliche Arbeit der Befragten (siehe auch Abbildung 9 [Abb. 9] ). Gerade hinsichtlich der als heikel erachteten Frage nach der Bereitschaft zum Teilen von Forschungsdaten ergaben sich hier folgende Ergebnisse (Abbildung 13 [Abb. 13]).

Im Rahmen der Online-Umfrage wurde zusätzlich die relativ konkrete Idee formuliert, dass Forschungsdaten in einer von einem Informationszentrum betriebenen, zentralen Datenbank gesammelt werden würden. Dies dient der verbesserten Nachnutzung unter Berücksichtigung individueller Rechte. Eine regelmäßige Nutzung nannten hier 11% der Forschenden, 30% könnten sich eine gelegentliche Nutzung vorstellen. 37% der Befragten gaben jedoch als Antwort an „Eventuell, das ist jetzt noch nicht zu beurteilen“. Insgesamt wird hier die Grenze einer quantitativen Befragung deutlich, wenn die Komplexität eines Themenfeldes die Abfrage in standardisierten Antwortmöglichkeiten schwierig macht. Der Themenbereich „Forschungsdaten“ wird daher ebenfalls in den Fokusgruppen weiter vertieft werden. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass in jedem Fall zwischen Datensätzen, die Veröffentlichungen zu Grunde liegen, und anderen unterschieden werden muss.

3.5 ZB MED als Dienstleister für Bibliotheken

Als „Deutsche Zentralbibliothek für Medizin“, wie es weiterhin im offiziellen Namen von ZB MED heißt, war auch die Frage nach einer möglichen „zentralen“ Rolle innerhalb der Bibliothekscommunity ein wichtiger Aspekt der Marktstudie, der auch im Verlauf der explorativen Interviews an Gewicht gewann. Die zahlreiche Teilnahme der Kolleginnen und Kollegen war hier entsprechend hilfreich und motivierend.

Im Hinblick auf ein mögliches verstärktes Engagement von ZB MED im Rahmen der Beschaffung ergab sich bei den befragten Universitätsbibliotheken folgendes Bild (Abbildung 14 [Abb. 14]).

Wie die Grafik zeigt, existiert ein Interesse an allen vorgeschlagenen zentralen Dienstleistungen, wobei ein zentraler Nachweis aller fachspezifischen Open-Access-Angebote besonders präferiert wird. Es wird aber auch deutlich, dass der Anteil der Antworten „Kann ich nicht beantworten“ sehr hoch ist. Daher müssen auch diese Themen noch vertieft werden, bevor eindeutige Schlüsse gezogen werden können. Ähnliches gilt für die in Abbildung 15 [Abb. 15] dargestellten Antworten, wobei es zumindest den Anschein hat, als würden Publikationsfonds nicht generell als Aufgabe für ZB MED angesehen werden.

Etwas klarere Aussagen finden sich bei der Frage nach der möglichen Rolle der „Zentralbibliothek“ für den fachlichen Austausch (Abbildung 16 [Abb. 16]).

Einer Verstärkung des Austausches in bestehenden Gremien wird klar der Vorzug vor der Gründung neuer Gremien gegeben. Der Wunsch nach stärkerer Koordinierung und Förderung des Austausches zeigt sich auch im Wunsch nach der Bereitstellung zentraler Dienste wie z.B. einer Online-Plattform oder der Sammlung von Nutzungsdaten und fachspezifischen Problemlösungen. Dass hier Handlungsbedarf für ZB MED gesehen wird zeigt sich darin, dass nur acht Mal angegeben wurde, dass die aktuelle Rolle von ZB MED genau stimmt.

Insgesamt erfreulich aus Sicht von ZB MED ist, dass insbesondere das eigene Recherche-Tool MEDPILOT in der Fachcommunity bekannt ist und auch Wertschätzung erfährt, wie Abbildung 17 [Abb. 17] zeigt.


4 Fazit und Plädoyer

Wie in den vorangegangen Kapiteln deutlich wurde, ist die methodisch saubere und aussagekräftige Erhebung von Informationen ein sehr aufwendiges Projekt. Ohne entsprechende finanzielle und personelle Unterstützung hätte auch ZB MED dies nicht in dieser Form leisten können. Der Ansatz einer strategischen und längerfristigen Ausrichtung auf Grundlage empirischer Erkenntnisse und entlang der tatsächlichen und zu erwartenden Bedarfe der aktuellen und potentiellen Kundinnen und Kunden ist durch nichts zu ersetzen. Im vollen Bewusstsein der methodischen Ansprüche der empirischen Sozialforschung lohnt sich hier wohl oft auch ein pragmatischer Ansatz. Für viele Institutionen ohne entsprechende Sondermittel lässt sich der hier skizzierte Weg wohl auch in kleinerem Umfang bestreiten. Mit einer engeren Auswahl an Märkten, Zielgruppen und Themen sind auch systematisch vorbereitete und ausgewertete Interviews und Gespräche allein schon ein guter Einstieg in die Erweiterung des Horizontes. Die Vorbereitung und Durchführung solcher Studien in Teams hilft gegen den „Tunnelblick“, der sich möglicherweise durch die eigene Tätigkeit und den damit verbundenen Blickwinkel ergibt. Externe Unterstützung und ein wirklich neutraler Blick helfen zu einer unvoreingenommenen Bewertung von Einschätzungen zu gelangen.

Die Überwindung einer Binnensicht, die zu oft nur das Naheliegende im Blick hat, sich mehr an technischen Mitteln denn an Zwecken orientiert oder sich zu oft in Diskussionen über Machbarkeit und Ressourcen verstrickt, lohnt in jedem Fall die Mühe. Gerade wenn die Erstellung einer Markstudie oder die Durchführung einer Markt- und Zielgruppenanalyse als Auftakt für einen permanenten Dialog mit Kundinnen und Kunden verstanden wird, ist mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen, dass die Bemühungen auch Früchte tragen. Dies wird sich in Form von Services und Produkten auswirken, die deutlich machen, dass die Problemlagen und Interessen der Kundinnen und Kunden verstanden worden sind und ernstgenommen werden. Das Ziel, realistische Chancen und messbare Effekte zu erkennen, wurde erreicht. Zusätzlich diente die umfangreiche Studie der Erweiterung des eigenen Denkhorizontes und zur Reflektion vermeintlicher Wahrheiten in einem sich stetig wandelnden Umfeld. Mit eigenen Mitteln wird ZB MED in Zukunft in Anlehnung an die gemachten Erfahrungen und unter Nutzung der gelernten Methoden kleinere Studien durchführen, um bezüglich der Markt- und Zielgruppen auf den Laufenden zu bleiben.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Stellungnahme zur Deutschen Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) Köln/Bonn. Berlin: Leibniz-Gemeinschaft; 2012 [cited 2014 Sep 10]. Verfügbar unter: http://www.leibniz-gemeinschaft.de/fileadmin/user_upload/downloads/Evaluierung/Senatsstellungnahmen/Senatsstellungnahme-ZB-MED-2012.pdf External link
2.
Roesner E. „Strategieentwicklung und Neuorganisation ZB MED“ oder „Was Shakespeare mit dem Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften verbindet“. Ein Rückblick auf das Projekt „Strategie- und Neuorganisationsprozess ZB MED“. Bibliotheksdienst. 2014 Nov;48(12):985-99. DOI: 10.1515/bd-2014-0122 External link
3.
Schnell R, Hill PB, Esser E. Methoden der empirischen Sozialforschung. 9. Aufl. München: Oldenbourg; 2011.
4.
Heinold EF. Markt- und Zielgruppenstudie. Gap-Analyse und Empfehlungen für die ZB MED – Endbericht. Köln: ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften; 2014. DOI: 10.4126/zbmed2014001 External link
5.
Gap-Analyse. In: Springer Gabler Verlag, Hrsg. Gabler Wirtschaftslexikon [Internet]. Wiesbaden: Springer Gabler; 2014 [cited 2014 Sep 06]. Verfügbar unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/85843/gap-analyse-v5.html External link