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Belastungssituationen im Medizinstudium – eine qualitative Interviewstudie als Grundlage für Präventionsmaßnahmen
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Published: | September 14, 2022 |
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Zielsetzung: Medizinstudierende weisen national wie international hohe Prävalenzen für Depressivität [1] sowie erhöhte Inzidenzen für Burn-out [2] auf. Um dieser Entwicklung möglichst früh zu begegnen, ist die Integration präventiver, die mentale Gesundheit stärkender Angebote bereits im Studium von zentraler Bedeutung [3]. Die Analyse der Bedarfe und Bedürfnisse von Medizinstudierenden ist ein bedeutender Ausgangspunkt für die Konzeption effektiver Angebote. Ergänzend erscheinen retrospektiv wahrgenommene belastende Erfahrungen, z. B. aus der Perspektive von Assistenzärzt*innen relevant, um Angebote sowohl für den ersten Studienabschnitt als auch für spätere Semester ableiten zu können.
Ziel der Studie ist es, ein kollegiales Unterstützungssystem aufzubauen sowie typische Belastungssituationen als Falldarstellungen digital aufzubereiten. Durch Diskussion dieser sollen Studierende für Belastungssituationen sensibilisiert und präventiv auf den Umgang mit ihnen vorbereitet werden.
Methoden: Es wurden im Zeitraum von Dezember 2021 bis Februar 2022 N=24 leitfadengestützte teil-narrative Interviews mit Medizinstudierenden verschiedener Fachsemester, PJ-Studierenden und Assistenzärzt*innen durchgeführt, mittels Audioaufnahmegerät aufgezeichnet und verbatim transkribiert. Anhand von Leitfragen wurde nach dem Erleben von und Erfahrungen mit Belastungs- und Ausnahmesituationen sowie dem (möglichen) Umgang damit gefragt. Außerdem wurde erhoben, welche Unterstützungsangebote aus Sicht der Befragten sinnvoll und möglich wären, um die psychische Gesundheit zu erhalten. Die qualitative Auswertung erfolgt mit der Software MAXQDA anhand der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz.
Ergebnisse: Belastungssituationen lassen sich im ersten Studienabschnitt in Belastungen durch bestehende Verhältnisse (z. B. durch bestimmte Prüfungsformate) und typische Verhaltensweisen der Medizinstudierenden (z. B. perfektionistische Leistungsansprüche) unterteilen. Im zweiten Studienabschnitt erscheinen in einer ersten Analyse die strukturelle Überlastung durch organisationale Vorgaben und Personalmangel, die Belastung durch interpersonale Konflikte sowie auf personaler Ebene erneut perfektionistische Leistungsansprüche gepaart mit mangelnder Regeneration und Ausgleich ursächlich.
Diskussion: Bereits die vorklinische Phase scheint für Präventionsbemühungen relevant zu sein. So soll auf Verhältnisebene in einem ersten Schritt ab dem Sommersemester 2022 ein Peer-Support-System für die ersten vier Semester eingeführt werden. In einem zweiten Schritt ist eine Ausweitung auf krisenhafte Ausnahmesituationen in der Klinik vorgesehen. Auf Verhaltensebene soll Prävention in Form von Aufklärung, gemeinsamer Besprechung und Diskussion digitaler Falldarstellungen sowie Strategienvermittlung für den Umgang mit Belastungssituationen umgesetzt werden und so einen Teil zu einem gesundheitsförderlichen Setting beitragen.
Literatur
- 1.
- Rotenstein LS, Ramos MA, Torre M, Segal JB, Peluso MJ, Guille C, Sen S, Mata DA. Prevalence of Depression, Depressive Symptoms, and Suicidal Ideation Among Medical Students: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA. 2016;316(21):2214-2236. DOI: 10.1001/jama.2016.17324
- 2.
- Erschens R, Keifenheim KE, Herrmann-Werner A, Loda T, Schwille-Kiuntke J, Bugaj TJ, Nikendei C, Huhn D, Zipfel S, Junne F. Professional burnout among medical students: Systematic literature review and meta-analysis. Med Teach. 2019;41(2):172-183. DOI: 10.1080/0142159X.2018.1457213
- 3.
- Slavin SJ, Chibnall JT. Finding the Why, Changing the How: Improving the Mental Health of Medical Students, Residents, and Physicians. Acad Med. 2016;91(9):1194-1196. DOI: 10.1097/ACM.0000000000001226