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Studienstart in ein COVID-19-bedingtes Online-Semester – Depressivität und Einflussfaktoren bei Medizinstudierenden zweier Modellstudiengänge
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Published: | September 15, 2021 |
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Fragestellung: Die COVID-19 bedingte Online-Lehre und damit einhergehende Herausforderungen (z. B. weniger soziale Ressourcen) können sich negativ auf die psychische Gesundheit von Studierenden auswirken [1]. Auch unabhängig von der COVID-19 Pandemie sind für Medizinstudierende Prävalenzen für depressive Störungen beschrieben [2], die bislang wenig in ihren Ursachen geklärt sind [3]. Um das Studium präventiv für die psychische Gesundheit zu gestalten, bedarf es entsprechender Aufklärung:
- Welche Veränderungen zeigen Studierende für Depressivität und protektive Konstrukte im Verlauf des ersten Semesters, welches pandemiebedingt vorwiegend online stattfindet?
- Zeigen sich für diese Veränderungen standortspezifische Effekte?
- Worin unterscheiden sich Studierende, die keine Depressivität über das Semester hinweg zeigen?
Methode: 176 Erstsemester-Studierende (68% weiblich; M=21.90 Jahre) zweier Modellstudiengänge (nAugsburg=81; nDüsseldorf=95) wurden im Nov 2020 und Jan 2021 per Online-Fragebogen zu Depressivität (PHQ-9) und protektiven Konstrukten (akademische Selbstkontrolle, akademisches Selbstkonzept, allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung, Emotionsregulation, kognitive Selbstregulation, motivationale Selbstregulation und Empathie) befragt.
Ergebnisse: Die Varianzanalysen (repeated ANOVA mit trennendem Faktor Standort) belegen eine signifikante Zunahme der Depressivität während des ersten Semesters (η²=.33) ohne Interaktion für den Standort. Im Mittel starten die Studierenden im Bereich „keine Depressivität“ (Mt1=4.6, SD=3.7) mit Entwicklungen zu „milder Depressivität“ (Mt2=7.6, SD=4.9). Gleichzeitig nimmt die Mehrheit der protektiven Faktoren über die Zeit hinweg signifikant ab (η²=.03 bis .24), am deutlichsten die akademische Selbstkontrolle (η²=.25). Ein Interaktionseffekt Standort x Zeit kann für das akademische Selbstkonzept nachgewiesen werden (η²=.03).
Hinsichtlich der Depressivitätsveränderungen während des Semesters lassen sich vier Subgruppen unterscheiden: Studierende, die über das erste Semester hinweg keine Depressivität aufweisen, Studierende mit Depressivitätszunahme (=Risikogruppe I), Studierende mit stabiler Depressivität (=Risikogruppe II) und Studierende mit Depressivitätsabnahme. Die prozentuale Verteilung der Subgruppen zeigt Abbildung 1 [Abb. 1]. Studierende ohne Depressivität zeigen u. a. signifikant höhere und stabilere Werte der Selbstwirksamkeit und des akademischen Selbstkonzepts im Vergleich zu den Risikogruppen I und II (repeated ANOVA mit trennendem Faktor Subgruppe). (Effektstärke Cohen’s η²=.01 (kleiner Effekt), .06 (mittlerer Effekt) und .14 (großer Effekt)).
Diskussion: Bereits im ersten COVID-19 bedingten Online-Semester zeigt sich eine deutliche Depressivitätszunahme. Um das Depressivitätsrisiko bei Medizinstudierenden zu reduzieren und die psychische Gesundheit zu erhalten, sollten verhaltenspräventive Maßnahmen (z. B. zur Förderung der Selbstwirksamkeit) zielgruppengerecht entwickelt und deren Effekte evaluiert werden.
Literatur
- 1.
- Grubic N, Badovinac S, Johri AM. Student mental health in the midst of the COVID-19 pandemic: A call for further research and immediate solutions. Int J Soc Psychiatry. 2020;66(5):517-518. DOI: 10.1177/0020764020925108
- 2.
- Rotenstein LS, Ramos MA, Torre M, Segal JB, Peluso MJ, Guille C, Sen S, Mata DA. Prevalence of Depression, Depressive Symptoms, and Suicidal Ideation Among Medical Students: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA. 2016;316(21):2214-2236. DOI: 10.1001/jama.2016.17324
- 3.
- Puthran R, Zhang MWB, Tam WW, Ho RC. Prevalence of depression amongst medical students: a meta-analysis. Med Educ. 2016;50(4):456-468. DOI: 10.1111/medu.12962