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Medizininformatische Unterstützung des Medikationsprozesses in der pädiatrischen Akut- und Intensivmedizin: Erfahrungsbericht und lessons learned
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Published: | February 26, 2021 |
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Hintergrund: In der pädiatrischen Intensivmedizin sind sowohl die Verordnung als auch die Applikation und Bewertung der Medikamentendosis gewichtsabhängig. Hierdurch kann sich die Dosisrate, d.h. die pro Zeiteinheit und kg Köpergewicht verabreichte Wirkstoffmenge, bei unmittelbar benachbarten Patienten um Zehnerpotenzen unterscheiden. Daher sind patientenindividuelle Medikamentenkonzentrationen bei kontinuierlich verabreichten Medikamenten in Deutschland verbreitet. Diese erlauben eine feste Dosisraten-Laufraten-Beziehung und ermöglichen eine einfachere Applikation. Allerdings bergen sie ein erhöhtes Risiko von Fehlern bei der Zubereitung und dramatischen Folgen bei Verwechslung. Die Verwendung standardisierter Medikamentenkonzentrationen vereinfacht den Prozess und steigert die Patientensicherheit [1]. Für eine einfache Applikation und schnelle Interpretation der Medikamentendosierungen ist dann allerdings die Anzeige von gewichtsbezogenen Dosisraten am Infusionsgerät erforderlich. Wir berichten über Erfahrungen und Herausforderungen bei der Implementierung eines QR-Code-unterstützten Medikationsprozesses in der pädiatrischen Intensivmedizin.
Methoden: Es wurde ein Workflow etabliert, bei dem auf Basis von Therapiedaten und Patientengewicht aus dem Patientendatenmanagementsystem (Integrated Care Manager, Drägerwerk, Lübeck, Deutschland) ein Medikamentenetikett mit QR-Code erzeugt wird. Anhand des Etikettes wird das Medikament zubereitet und mithilfe des QR-Codes werden die Daten (Bezeichnung/Wirkstoff, Konzentration, Applikationseinheit, Patientengewicht, Patienten-ID) in das Infusionsgerät (B. Braun Space, B. Braun, Melsungen, Deutschland) übernommen. Der Datenexport aus dem Patientendatenmanagementsystem erfolgt mit Hilfe der integrierten Skriptsprachen. Ein PowerShell-Skript dient zur Erzeugung der Beschreibungssprache TSPL für TC300-Labeldrucker (TSC, Neu Taipei Stadt, Taiwan) unter strikter Vermeidung jedweder Dosis- oder Einheitenberechnung, die sämtlich in den Medizinprodukten erfolgt. Dies ermöglicht die Anzeige gewichtsbezogener Dosisraten auf dem Spritzenpumpendisplay. Durch einen Abgleich der Patienten-ID (QR-Code auf Patientenarmband oder Identifikationskarte) wird die Patientensicherheit zusätzlich erhöht. Es wurde eine strukturierte Befragung der anwendenden Pflegekräfte im Februar 2020 durchgeführt (selbstentwickelter Kurzfragebogen mit 6 Fragen).
Ergebnisse: Am 27.05.2019 wurde mit der Einführung des QR-Code-unterstützten Medikationsprozesses auf vier Betten der kinderkardiologischen Intensivstation sowie in der Kinderanästhesie des Universitätsklinikums Bonn begonnen. Der Pilotbereich wurde am 14.10.2019 um vier kinderkardiochirurgische Betten erweitert. Der Workflow wurde bisher 44111-mal angewandt. Die Prozesse wurden agil weiterentwickelt. Durch die technischen und prozessualen Sicherheitsmechanismen konnten mehrere Fehler in den beteiligten Medizinprodukten im Rahmen von Tests unter Laborbedingungen identifiziert werden. Diese wurden an die Hersteller adressiert. Während der Pilotierungsphase traten insgesamt 114 bekannte Störungen der technischen Infrastruktur auf, die durch eine Redundanz abgefangen werden konnten. Im Rahmen einer Wartung des Patientendatenmanagementsystems kam es einmalig für 7h zu einem geplanten Ausfall des Prozesses ohne Redundanz. Eine Befragung der Pflegekräfte (19 ausgefüllte Fragebögen von 27 Pflegekräften) ergab eine gute Bewertung für Usability und Patientensicherheit (Median jeweils „Note” 2 für Patientensicherheit, Verständlichkeit, Patientenidentifikation und Handhabung). 74% der Befragten möchten den Prozess weiter nutzen (Note 1 und 2), 21% stehen einer weiteren Nutzung indifferent gegenüber (Note 3) und eine Pflegekraft (5%) möchte den Prozess nicht mehr nutzen. Die ärztliche Leitungsebene der betroffenen Intensivbereiche bewertet den Prozess als eindeutig der Patientensicherheit dienlich, sodass nun ein Rollout auf alle pädiatrischen Intensivbereiche geplant ist.
Zusammenfassung: Nach unserer Einschätzung bzw. der Einschätzung der Anwender führt der beschriebene Prozess zu einer einfacheren und sichereren Verordnung, Herstellung sowie Applikation von Spritzenpumpenmedikamenten. Die manuellen Sicherheitsschritte vor der Applikation erzeugen allerdings zusätzlichen Aufwand bei der Pflegekraft. Eine weitere Verbesserung könnte hier durch eine ISO11073-konforme Medizingerätekommunikation erreicht werden.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.