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Interprofessionelles Peer Learning im Rahmen der Entwicklung einer OSCE-Station – Reflexionen über Gruppen-, Arbeits- und Lernprozesse aus Sicht der Peers
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Published: | September 20, 2019 |
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Das didaktische Format Peer Learning wird international seit geraumer Zeit erfolgreich unter anderem im Rahmen der Qualifizierung von Gesundheitsprofessionen – insbesondere im Medizinstudium – genutzt [1]. Ob es sich auch für interprofessionelles Lernen und Lehren bewährt, und inwiefern damit auch Kompetenzen zur interprofessionellen Zusammenarbeit entwickelt und gefördert werden können, ist aber noch wenig diskutiert und erforscht. Mit dem Ziel, Peererfahrungen in einer interprofessionell zusammengesetzten Studierendengruppe zu untersuchen, wurde eine begrenzte qualitative Erhebung durchgeführt: Angehende Lehrende für Gesundheits-(fach-)berufe aus den Disziplinen Physiotherapie, Logopädie, Pflege, Hebammenwesen und Ergotherapie haben im Rahmen ihres Masterstudiums „Health Professions Education“ gemeinsam eine OSCE-Station entwickelt, durchgeführt und evaluiert. Gegenstand der Befragung war, wie sich Gruppenprozesse, insbesondere Rollen- und Aufgabenverteilungen sowie Arbeits- und Lehr-Lernprozesse, vor dem Hintergrund der vielfältigen beteiligten Gesundheitsprofessionen, gestalteten. Die Datenbasis umfasst qualitative Befunde aus acht leitfadengestützten fokussierten Einzelinterviews. Die Ergebnisse verweisen auf ein ambivalentes Bild. Für die Studierenden erwies sich die interprofessionelle Zusammensetzung der Peers für ihren Lernprozess als förderlich. Sie lernten u. a. relevante Handlungsfelder der anderen Berufsgruppen, die Strukturierung derer Ausbildungen sowie dort angewendete Lehr-/Lernmethoden kennen. Ebenso bereichernd stellte sich die in den gemeinsamen Absprachen herausgestellte Perspektivenvielfalt dar. Die Interviewten bewerteten zudem den Gruppen- und Arbeitsprozess als meist angenehm und gleichberechtigt. Daneben zeigen die Befunde aber auch konfliktträchtige Situationen für den Lernprozess. Als nachteilig wurde z. B. empfunden, dass es aufgrund unterschiedlicher Vorkenntnisse und Verständnisse der einzelnen Peers zu Verzögerungen im Arbeitsprozess kam. Darüber hinaus wurde von Rollenkonflikten zwischen den Peers berichtet, die die ohnehin im Masterstudium komplexe Rollenidentität der Studierenden verschärfen können. Insgesamt kann festgestellt werden: Interprofessionelles Peer Learning kann für die Entwicklung, Durchführung und Evaluation einer OSCE-Station eine nutzbare Ressource sein. Als Lehr-Lernformat bietet es vielfältige Potentiale (ex. [2]) – nicht zuletzt für einen gemeinsamen Reflexionsprozess über unterschiedliche Denktraditionen, Handlungslogiken und die konkrete Zusammenarbeit bei der Aufgabenbearbeitung – und verdient mehr Aufmerksamkeit. Zukünftige Forschungsvorhaben, die sich mit grundlegenden Fragen des Peer Assisted Learning im interprofessionellen Kontext befassen oder die interprofessionelle Interaktionen der Lernenden genauer in den Blick nehmen, sind indiziert – vor allem, um weitere Implikationen für die Bildungsforschung wie auch für die Bildungspraxis herauszuarbeiten.
Literatur
- 1.
- Klapper B, Schirlo C. Special edition booklet: Interprofesssional Training – Published by the Robert Bosch Stiftung und the Gesellschaft für Medizinische Ausbildung. GMS J Med Educ. 2016;33(2):Doc38. DOI: 10.3205/zma001037
- 2.
- Herinek D, Reichel K, Ewers M. Von und mit Tutor*innen interprofessionell lernen. In: Ewers M, Paradis E, Herinek D, editors. Interprofessionelles Lernen, Lehren und Arbeiten. Gesundheits- und Sozialprofessionen auf dem Weg zu kooperativer Praxis. Weinheim: Beltz Juventa; 2019.