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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

Kombination von Routinedaten mit einem Aktenreview – retrospektive Erkennung von Medikationsfehlern im Krankenhaus

Meeting Abstract

  • Nils Kuklik - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland; Zentrum für Klinische Studien Essen, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Jürgen Stausberg - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Marjan Amiri - Zentrum für Klinische Studien Essen, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Karl-Heinz Jöckel - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 158

doi: 10.3205/18gmds055, urn:nbn:de:0183-18gmds0556

Published: August 27, 2018

© 2018 Kuklik et al.
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Text

Einleitung: Eine relevante Ursache von Komplikationen und Kosten im Gesundheitssystem sind vermeidbare unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Medikationsfehler) während des stationären Krankenhausaufenthalts [1]. In den letzten Jahren wurden verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Krankenhäusern zu erhöhen, insbesondere über eine elektronische Arzneimittelverordnung. Neben der Vermeidung ist die Erkennung von Settings für Medikationsfehler sowie von bisher unbekannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen wichtig zur Verbesserung der Patientensicherheit. Spontanmeldesysteme sind zwar etabliert, leiden jedoch unter einer geringen Meldequote. Routinemäßig zur Verfügung stehende Daten nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz mit ICD-10-GM-Kodes sind eine bedeutende Datenquelle in Krankenhäusern und bislang wenig in die Prozesse der AMTS eingebunden. Um das Potential der Nutzung von ICD-10-GM-Kodes zur Identifizierung von im Krankenhaus aufgetretenen Medikationsfehlern zu ermitteln, wurden in dieser Studie Routinedaten mit einem Review von Patientenakten kombiniert.

Methoden: Als Datenquelle dienten Routinedaten der Jahre 2015 und 2016 aus vier deutschen Krankenhäusern. Es wurde eine Auswahl von insgesamt zehn Kodes der ICD-10-GM analysiert, die sicher und mit hoher Genauigkeit auf unerwünschte Arzneimittelereignisse hinweisen (UAE-Kodes) [2], [3]. In den teilnehmenden Krankenhäusern erfolgte ein retrospektives Review der jeweiligen Patientenakte, falls einer dieser Kodes als Nebendiagnose aufgetreten war. Dabei wurden unter anderem Informationen zum Zeitpunkt des Ereignisses, zu verabreichten Arzneimitteln, zum bestimmungsgemäßen Gebrauch sowie zu potentiellen Medikationsfehlern und zu Fehlerquellen auf einem standardisierten Dokumentationsbogen erfasst. Anschließend wurden die Fälle in einem mehrstufigen Verfahren hinsichtlich eines Arzneimittelzusammenhangs und der Vermeidbarkeit des Ereignisses bewertet.

Ergebnisse: In die Auswertung wurden 1.328 Fälle eingeschlossen, bei denen ein während des Krankenhausaufenthalts entwickeltes Ereignis mit einem Kode der ICD-10-GM in den Routinedaten erfasst war. In 1.244 Fällen (93,7% von 1.328) wurde eine bekannte Nebenwirkung ohne Anhaltspunkt eines Medikationsfehlers identifiziert; in weiteren drei Fällen (0,2%) war die Nebenwirkung bisher nicht in der Fachinformation beschrieben. In 37 Fällen (2,8%) wurde ein Medikationsfehler als wahrscheinliche Ursache für das im Kode beschriebene Ereignis gewertet. Dabei waren Medikationsfehler am häufigsten im Zusammenhang mit Hauteruptionen (ICD-10-GM-Kodes L27.0/L27.1, 9% der Hauteruptionen) und hämorrhagischen Diathesen (D68.33, 8%).

Diskussion: Die Ergebnisse erlauben eine Einschätzung des Potentials ausgewählter ICD-10-GM-Kodes zur Identifizierung vermeidbarer, unerwünschter Arzneimittelwirkungen in Krankenhäusern. Der in der Literatur berichtete Anteil an vermeidbaren Ereignissen an allen nosokomialen unerwünschten Arzneimittelereignissen schwankt von 12% bis zu 28% [4], [5]. Die in dieser Arbeit gefunden Zahlen sind deutlich niedriger. Dies könnte an einer Überschätzung der Bedeutung von Medikationsfehlern in der bisherigen Diskussion zur AMTS liegen. Allerdings kann auch ein generelles „Underreporting“ durch die Nutzung von Routinedaten oder auch ein Einfluss der Selektion der beteiligten Krankenhäuer nicht ausgeschlossen werden. Die Erweiterung des Ansatzes um weitere Nebendiagnosen, um eine Klassifizierung von UAE-Kodes hinsichtlich potentiell vermeidbarer unerwünschter Arzneimittelereignisse und nicht zuletzt um eine Optimierung des Prozesses der UAE-Kodierung in Krankenhäusern kann das Potential von Routinedaten im Rahmen der AMTS weiter erhöhen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Jha AK, Larizgoitia I, Audera-Lopez C, Prasopa-Plaizier N, Waters H, Bates DW. The global burden of unsafe medical care: analytic modelling of observational studies. BMJ Qual Saf. 2013;22(10):809-15.
2.
Kuklik N, Stausberg J, Jöckel KH. Adverse drug events in German hospital routine data: A validation of International Classification of Diseases. 10th revision (ICD-10) diagnostic codes. Plos One. 2017;12(11).
3.
Stausberg J, Hasford J. Drug-related admissions and hospital-acquired adverse drug events in Germany: a longitudinal analysis from 2003 to 2007 of ICD-10-coded routine data. BMC Health Serv Res. 2011;11:134.
4.
Bates DW, Cullen DJ, Laird N, Petersen LA, Small SD, Servi D, et al; ADE Prevention Study Group. Incidence of adverse drug events and potential adverse drug events: Implications for prevention. JAMA. 1995;274(1):29-34.
5.
Dequito AB, Mol PG, van Doormaal JE, Zaal RJ, van den Bemt PM, Haaijer-Ruskamp FM, et al. Preventable and non-preventable adverse drug events in hospitalized patients: a prospective chart review in the Netherlands. Drug Saf. 2011;34(11):1089-100.