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Vergleich der Morphologie des Vokaltraktes beim Singen und Sprechen – eine MRT-basierte Untersuchung von 15 Gesangsstudenten
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Published: | September 2, 2014 |
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Zusammenfassung
Hintergrund: Nach vorangegangenen Untersuchungen mit Etablierung einer Technik zur 3D-Vokaltrakt-Modellierung sollen in der vorliegenden Arbeit die spezifischen morphologischen Veränderungen des Vokaltraktes beim Singen analysiert werden, da wesentliche klangliche Eigenschaften professioneller Stimmen mit charakteristischen Einstellungen des Vokaltraktes verbunden werden.
Material und Methoden: Fünfzehn Gesangsstudenten der Hochschule für Musik „Carl Maria v.Weber“ Dresden (5 Tenöre und 10 Bässe) wurden aufgefordert in einem 3T MR Tomograf (Fa. Siemens) einen Ton für ca. 10 Sekunden auszuhalten.
Dabei sollten die Vokale /a/, /e/, /i/, /o/ und /u/ auf der Tonhöhe A3 (220Hz) ausgehalten werden. Die Aufgabe wurde jeweils in zwei unterschiedlichen Phonationsarten gefordert. Zum einen in einer an das Sprechen angelehnten Stimmgebung, zum anderen in einer an den klassischen Gesang angelehnten Phonation.
Eine anschl. 3D-Rekonstruktion der MR-Daten und weiterführende Messungen wurden ebenso wie eine Untersuchung von zusätzlich gewonnen Audioaufnahmen mittels Langzeit Spektrum Analyse (LTAS) durchgeführt.
Ergebnisse: Für die Vokaltraktkonfiguration beim Singen zeigte sich im Vergleich zum Sprechen eine signifikante Absenkung des Kehlkopfes um durchschnittlich 7 mm, eine Tendenz zur Vergrößerung des endolaryngealen Volumens sowie eine teils deutliche Vergrößerung der Pharynxweite. Bei den Vokalen /a/, /o/ und /u/ zeigte sich dadurch eine Verminderung des Verhältnisses von innerer Kehlkopfweite zu Pharynxweite.
Diskussion: Die mittels MRT erhobenen 3D-Datensätze der Gesangsstudenten zeigen deutliche Unterschiede der Vokaltraktkonfiguration beim Singen und beim Sprechen. Dabei scheint dem Verhältnis von Larynxeingangs- zu Pharynxweite eine besondere Bedeutung zuzukommen, wobei unsere Daten durch überproportionale Erweiterung des Pharynx eine Verkleinerung dieses Quotienten zeigen.
Fazit: Der Untersuchungsansatz soll zur longitudinalen Untersuchung der artikulatorischen Anpassungen beispielsweise während des Gesangsstudiums und zum Vergleich mit professionellenSängern genutzt werden. Perspektivisch erhoffen sich die Autoren einen Beitrag zur Verbesserung der Vorhersage von stimmlichen Entwicklungen im gesangspädagogischen Bereich.
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Hintergrund
Beim klassischen Gesang sind wesentliche klangliche Eigenschaften professioneller Stimmen mit charakteristischen Einstellungen des Vokaltraktes verbunden.
Nach vorangegangenen Untersuchungen mit Etablierung einer Technik zur 3-dimensionalen Vokaltrakt-Modellierung sollen in der vorliegenden Arbeit die spezifischen morphologischen Veränderungen des Vokaltraktes beim Singen analysiert werden.
Sundberg hatte bereits 1974 argumentiert, dass Pharynxräume oberhalb der Glottis, welche unabhängig von Einstellungsvorgängen zur Vokalausprägung sind, a.e. zur Ausbildung der Formantverstärkung im Bereich von 2,8 kHz bei der männlichen Sängerstimme genutzt werden [1]. Morphologische Daten hierzu sind bislang rar.
Mittels Magnetresonanztomografie (MRT) basierter Modellierung lassen sich Einstellungsvorgänge während gehaltener Phonation morphometrisch analysieren. Unser Ziel war es, die supraglottische Konfiguration des Vokaltrakts während der Phonation dreidimensional zu untersuchen.
Material und Methoden
Fünfzehn Gesangsstudenten der Hochschule für Musik „Carl Maria v.Weber“ Dresden (fünf Tenöre und zehn Bässe) wurden aufgefordert in einem 3Tesla Magnetresonanz Tomograf (Firma Siemens) einen Ton für ca. 10 Sekunden auszuhalten.
Dabei sollten die Vokale /a/, /e/, /i/, /o/ und /u/ auf der Tonhöhe A3 (220 Hz) ausgehalten werden. Die Aufgabe wurde jeweils in zwei unterschiedlichen Phonationsarten gefordert. Zum einen in einer an das Sprechen angelehnten Stimmgebung, zum anderen in einer an den klassischen Gesang angelehnten Phonation. Die MRT-Aufnahmen wurden mittels einer 12-Elemente Kopf-Hals-Spule mit folgenden Einstellungsparametern erstellt: Schichtdicke: 1.5 mm, Bildanzahl: 52, Bildorientierung: coronar, Matrix: 192 x 192, Sichtfeld: 250 x 250 mm. Die erzielbare Auflösung betrug somit ca. 1,3 mm/Pixel.
Zur Analyse wurden die MRT-Daten (insgesamt 2 x 5 x 15 = 150 Datensätze) einer 3-dimensionalen Rekonstruktion unterzogen. Hierfür wurden die Bilder nach zentralpfadgestützer Transformation des Bildstapels entlang der Luftweichteilgrenze mittels aktiver Kontouren segmentiert.
Anhand der zweidimensionalen Vokaltraktsegmente konnten Flächen- und Volumenmaße auf Basis des zentralpfadbasierten Koordinatensystems ermittelt werden.
Zudem erfolgte eine Untersuchung von zusätzlich gewonnen Audioaufnahmen mittels Langzeit Spektrum Analyse (LTAS).
Zur vergleichenden Analyse wurden fünf gut reproduzierbare Maße definiert: dies waren ein endolaryngeales Volumen (ELV) – vom Bereich Taschenfalten bis Aryhöcker, ein hypopharyngeales Volumen (HPV) direkt oberhalb der Aryhöcker und ein jeweilig zugehöriges Flächenmaß am kranialen Rand des jeweiligen Bereiches (ELA und HPA).
Zudem wurde die Larynxhöhe als Position des Kehlkopfes in Relation zur Halswirbelsäule gemessen.
Ergebnisse
Im Vergleich zwischen sängerischer und sprechhafter Tongebung zeigte sich in der LTAS-Analyse bei allen Probanden eine charakteristische Anhebung der Schallintensität im Frequenzbereich des Sängerformanten bei 2,8 kHz.
Für die Vokaltraktkonfiguration beim Singen zeigte sich im Vergleich zum Sprechen eine signifikante Absenkung des Kehlkopfes um durchschnittlich 7 mm, eine Tendenz zur Vergrößerung des endolaryngealen Volumens sowie eine teils deutliche Vergrößerung der Pharynxweite (um ca. 15–30%) insbesondere für die Vokale /a/, /o/ und /u/. Bei den Vokalen /a/, /o/ und /u/ zeigte sich dadurch im Durchschnitt eine Verminderung des Verhältnisses von innerer Kehlkopfweite zu Pharynxweite.
Diskussion und Fazit
Die Daten stützen die Bedeutung der supraglottischen und hypopharyngealen Einstellungsvorgänge für die professionelle (männliche) Sängerstimme im klassischen Gesang.
Der Untersuchungsansatz soll zur longitudinalen Untersuchung der artikulatorischen Anpassungen beispielsweise während des Gesangsstudiums und zum Vergleich mit arrivierten Sängern genutzt werden. Perspektivisch erhoffen sich die Autoren einen Beitrag zur Verbesserung der Vorhersage von stimmlichen Entwicklungen im gesangspädagogischen Bereich.