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Die Bedeutung der Kombination von Mobilfunk- und Festnetzstichproben für epidemiologische Telefonsurveys
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Published: | September 20, 2011 |
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Hintergrund: Ein wachsender Teil der Bevölkerung besitzt keinen Festnetzanschluss. Aktuelle Schätzungen besagen, dass 11% der Deutschen mittlerweile ausschließlich über einen Mobilfunkanschluss zu erreichen sind. Entsprechend wurden in der Umfrageforschung der letzten Jahre duale Stichprobenansätze entwickelt, die beide Auswahlrahmen berücksichtigen. Im vorliegenden Beitrag soll am Beispiel einer psychiatrisch-epidemiologischen Studie zum Pathologischen Glücksspielen untersucht werden, inwieweit der hieraus resultierende erhöhte Kostenaufwand durch die Reduktion eines möglichen Coverage-Bias zu rechtfertigen ist.
Methode: Basierend auf einer Zufallsstichprobe von Festnetztelefonnummern wurden insgesamt 14.022 Personen befragt. Weitere 13.273 Personen einer Zufallsstichprobe von Mobilfunktelefonnummern wurden auf das Nicht-Vorliegen eines Festnetzanschlusses gescreent. Von denjenigen Personen, die ausschließlich Mobilfunk nutzten, wurden 1.001 telefonisch befragt. Grundgesamtheit beider Zufallsstichproben sind Personen im Alter zwischen 14 und 64 Jahren. Die standardisierte Befragung umfasste neben soziodemografischen Merkmalen die Sektion Glücksspiel des Composite International Diagnostic Interviews zur Bestimmung der Diagnose Pathologisches Glücksspielen nach DSM-IV. Die Datenanalyse erfolgte mittels logistischer Regressionen unter Berücksichtigung des komplexen Stichprobendesigns.
Ergebnisse: Verglichen mit der Festnetzstichprobe waren Befragte der Mobilfunkstichprobe jünger, häufiger männlich, verfügten über eine geringere formale Schulbildung und waren häufiger erwerbslos. Keine signifikanten Unterschiede fanden sich in Bezug auf das Merkmal Migrationshintergrund. Die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Diagnose Pathologisches Glücksspielen war bei Befragten der Mobilfunkstichprobe verglichen mit der Festnetzstichprobe um den Faktor 2,5 erhöht (OR 95%-CI: 1,9-3,5). Bei Adjustierung für die genannten bedeutsamen soziodemografischen Merkmale ergibt sich ein Odds Ratio von 1,6 (adj. OR 95%-CI:1,2-2,2). Gegenüber der Festnetzstichprobe erhöht sich die Punktschätzung für die Lebenszeitprävalenz Pathologischen Glücksspielens in der Bevölkerung auf Basis der kombinierten Stichprobe um 11%. Schlussfolgerungen: Im vorliegenden Beispiel zeigt sich ein substanzieller Coverage-Bias bei Beschränkung auf eine Festnetzstichprobe. Dieser kann auch durch umfangreiche Berücksichtigung soziodemografischer Merkmale im Rahmen von Gewichtungsprozeduren nur teilweise kompensiert werden. Im Zuge der sinkenden Verbreitung von Festnetzanschlüssen ist eine zunehmende Relevanz von Dual-Frame-Stichprobenansätzen zu erwarten.