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Die Rolle der Vergangenheitsbewältigung im Systemwechsel : Fallbeispiel Chile = The Role of Overcoming the Past in a System Change : Case study Chile



Verantwortlichkeitsangabevorgelegt von Ena von Baer

ImpressumAachen : Publikationsserver der RWTH Aachen University 2006

Umfang222 S. : graph. Darst.


Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 2004


Genehmigende Fakultät
Fak07

Hauptberichter/Gutachter


Tag der mündlichen Prüfung/Habilitation
2004-10-13

Online
URN: urn:nbn:de:hbz:82-opus-14400
URL: https://publications.rwth-aachen.de/record/60782/files/Baer_Enavon.pdf

Einrichtungen

  1. Philosophische Fakultät (700000)

Inhaltliche Beschreibung (Schlagwörter)
Politik (frei) ; Vergangenheitsbewältigung (frei) ; Politischer Wandel (frei) ; Chile (frei)

Thematische Einordnung (Klassifikation)
DDC: 320

Kurzfassung
Seit dem 19.Jahrhundert hat es in verschiedenen Ländern der Welt Übergänge von autoritären zu liberaldemokratischen Systemen gegeben. Die Transformation von autoritären und totalitären Regime ist zu einem zentralen Thema politikwissenschaftlicher Forschung geworden. Ziel dieser Arbeiten war, die Ursachen, die Elemente und den Verlauf der Transformationen zu analysieren. Die Form des Umgangs mit der Vergangenheit im Transformationsprozeß wurde aber nur am Rande berücksichtigt.In Deutschland wurde nach 1945 für diesen Problemkomplex das Konzept der Vergangenheitsbewältigung als Resultat der Auseinandersetzung mit dem Erbe der Diktatur entwickelt. Eine Wiederbelebung erfuhr dieser Begriff mit dem Systemwechsel in der ehemaligen DDR und dem Verlangen nach der Aufarbeitung der Vergangenheit dieser Diktatur. Trotz der regen Diskussion über die Vergangenheitsbewältigung existiert bis heute keine allgemein anerkannte Definition, geschweige denn eine Theorie der Vergangenheitsbewältigung. Im Allgemeinen kann unter Vergangenheitsbewältigung der Umgang mit dem Erbe diktatorischer Regime verstanden werden.Aber nicht nur in Deutschland, sondern in jedem Land, welches einen Transformationsprozeß erlebt, stellen sich die Fragen nach der Wahrheit der während der Diktatur begangenen Verbrechen, nach der Verantwortung der Täter, nach Amnestie oder Strafverfolgung, nach der Wiedergutmachung für die Opfer und nicht zuletzt nach der Versöhnung der Gesellschaft. In der vorliegenden Arbeit wird diese Problematik aufgegriffen. Das spezifische Ziel der Studie ist die Erstellung einer Analyse der Rolle der Vergangenheitsbewältigung im Systemwechsel. Grundthese ist, daß die Vergangenheitsbewältigung ein zentrales Element im Systemwechsel darstellt, und daß sich beide Prozesse gegenseitig beeinflussen. Die Rolle der Vergangenheitsbewältigung in der Transition wird anhand des Fallbeispiels der Demokratisierung in Chile analysiert. Aus der These, daß die Vergangenheitsbewältigung ein zentrales Element im Systemwechsel ist, ergibt sich auch das zweite Ziel dieser Arbeit: die Bereitstellung von Bausteinen für eine Theorie der Vergangenheitsbewältigung. Die Erstellung einer vollständigen Theorie der Vergangenheitsbewältigung kann aber in dieser Arbeit nicht geleistet werden, da sie sinnvoller Weise anhand einer komparativen Analyse von Vergangenheitsbewältigungsprozessen in verschiedenen Ländern durchgeführt werden müßte. Deswegen beschränkt sich diese Studie auf die Bereitstellung von Bausteinen für eine Theorie der Vergangenheitsbewältigung.Um den Zielen der Arbeit nachzugehen werden als erstes die zu benutzenden Begriffe erläutert. Dabei wird Literatur sowohl zum Thema Systemwechsel als auch zur Vergangenheitsbewältigung bearbeitet. Eine eingehende Analyse der unterschiedlichen Theorien des Systemwechsels ergab die Theorieintegration von Merkel als den besten Leitfaden für die Studie des Fallbeispieles. Deswegen werden anhand Modells von Merkel die Phasen der Transition in Chile abgegrenzt. Danach werden die Wege der Vergangenheitsbewältigung, die in jeder Etappe beschritten wurden, beschrieben. Außerdem wird analysiert, welche Akteure sich an dem Prozeß der Vergangenheitsbewältigung beteiligten und welche Interessen diese verfolgten. Wege und Akteure werden auf den Ebenen des Politischen Systems und der Politischen Kultur analysiert.Zwischen 1970 und 1973 litt das chilenische politische System unter seiner Unfähigkeit, die unterschiedlichen Forderungen und Konfrontationen der sozialen und politischen Gruppen zu handhaben. Chile bewegte sich in diesen Jahren von einer begrenzten hin zu einer allgemeinen Krise, welche sich in einer wachsenden politischen Polarisierung und einer Desinstitutionalisierung der Arten der Konfrontation kristallisierte. Diese Situation mündete in dem 1973 durch die Streit- und Polizeikräfte durchgeführten Putsch. Nach dem Putsch übernahm eine Militärjunta die Regierungskontrolle. Chile lebte fünfzehn Jahre unter unterschiedlichen Arten von Ausnahmezuständen, was die Menschenrechtsverletzungen begünstigte. Schätzungen nach wurden bis Dezember 1973 18.000 Personen festgenommen, bis 1975 waren es zwischen 40.000 und 50.000. Außerdem waren viele Chilenen gezwungen, ins Exil zu gehen oder verloren ihre Arbeit wegen politisch motivierter Maßnahmen. Nach dem Bericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission und ihrer Nachfolgeorganisation verloren 3.179 Menschen ihr Leben.Nach dem Scheitern des von unten erzwungenen Systemwechsel kam es in Chile ende der 80er Jahre zu einem Ausgehandelten Weg zur Transition. Die Opposition und die Regierung gerieten in die charakteristische Pattsituation, die in diese Transitionsform mündet. Dieses Szenario hatte grundlegende Konsequenzen für die Vergangenheitsbewältigung. Die kommende demokratische Regierung mußte sich auch in ihren Handlungen in Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung an die Regeln ausgehandelten Transition halten. Außerdem mußte sie angesichts der Pattsituation die Meinung des anderen Lagers in der Ausführung ihrer Vergangenheitsbewältigungsmaßnahmen mit einrechnen. Die Vergangenheitsbewältigung ist ein Prozeß, der in einem Übergang von einem autoritären hin zu einem demokratischen politischen System stattfindet. Da die Vergangenheitsbewältigung in den Prozeß der Transition eingebettet ist, beeinflußt letztere ihren Ablauf. Ein Beispiel dafür ist der Einfluß, den die Art des Endes des autoritären Systems auf die möglichen Vergangenheitsbewältigungsmaßnahmen hat. Außerdem verändert sich die Vergangenheitsbewältigung im Zuge der Transition. In diesem Sinne unterscheiden sich die nötigen Vergangenheitsbewältigungsmaßnahmen gemäß den unterschiedlichen Etappen der Transiton. In der Etappe der Institutionalisierung der Demokratie werden sowohl die Grundlagen der kommenden neuen Demokratie festgelegt, als auch die der Vergangenheitsbewältigung. Außerdem offenbaren sich schon in dieser Zeit die Konfliktlinien der Vergangenheitsbewältigung. Abhängend vom Voranschreiten der Konsolidierung der Demokratie unterscheiden sich sowohl die Ziele als auch die Wege der Vergangenheitsbewältigung. In den ersten Jahren sind sowohl Symbole und Wiedergutmachungsmaßnahmen als auch die Enthüllung der Wahrheit der Menschenrechtsverletzungen wichtig, um den Druck auf das politische System zu mildern. Sobald die Demokratie konsolidierter ist, kann der strafrechtliche Weg der Vergangenheitsbewältigung vertieft werden, ohne die Demokratie zu gefährden. Die Vergangenheitsbewältigung findet sowohl im politischen System als auch in der politischen Kultur statt. Im politischen System werden die Wege der Vergangenheitsbewältigung und somit die durchzuführenden Maßnahmen gegenüber den in der Vergangenheit begangenen Delikten festgelegt. Auf der Ebene der politischen Kultur bezieht sich die Vergangenheitsbewältigung auf die unterschiedliche Einschätzung der gemeinsamen Geschichte, die eine Gesellschaft in der Transition hat. Der Fall Chile zeigt aber, daß die Enthüllung der Menschenrechtsverletzungen des vorherigen Regimes und die Diskussion um die Interpretation der Geschichte die getrennten Gruppen zwar näher bringen kann, sie aber nicht Nötigerweise zu einer gemeinsamen Geschichte führt. Dank der unterschiedlichen Vergangenheitsbewältigungsmaßnahmen aber auch der Diskussion der Gesellschaft um die Geschichte wird die Vergangenheit durch das politische System und die politische Kultur verarbeitet. Es findet aber keine Bewältigung der Vergangenheit statt. Dieses kann an den immer wieder aufkommenden Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit in der chilenischen Transition beobachtet werden. Der Lauf der Zeit kann vielleicht die Vergangenheit vergessen machen, er kann sie aber nicht überwinden. Die unbewältigte Vergangenheit verhindert jedoch nicht das demokratische Zusammenleben einer Gesellschaft. Das demokratische Zusammenleben einer Gesellschaft braucht nicht unbedingt als Grundlage eine gemeinsame Geschichte, dagegen ist der Glaube an Institutionen, welche die Kanalisierung der Konflikte ermöglichen, unumgänglich und somit die nötige Grundlage einer demokratischen politischen KulturDas erste Ziel der Vergangenheitsbewältigung ist, die Auseinandersetzung der Gesellschaft mit ihrer Unrechtsvergangenheit. In den ersten Jahren der Transition ist der Druck auf das politische System so groß, daß die Vergangenheitsbewältigungsmaßnahmen zunächst das Ziel der Befriedung des politischen Systems haben. Wenn das politische System auf die inputs der unterschiedlichen Akteure der Vergangenheitsbewältigung nicht reagiert, werden diese eine Lösung außerhalb der demokratischen Regeln suchen. In diesem Zusammenhang leistet die Vergangenheitsbewältigung, einen Beitrag zur Konsolidierung der neuen Demokratie. Außerdem dienen die Vergangenheitsbewältigungsmaßnahmen der Legitimierung der unterschiedlichen Institutionen der neuen Demokratie.Entscheidend für die Erreichung der Ziele der Vergangenheitsbewältigung sind die ausgesuchten Wege. Die Anwendung dieser Wege hängt von der Art und auch von der Phase der Transition ab. Unterschiedliche Akteure nehmen an dem Vergangenheitsbewältigungsprozeß teil. Wie es anhand des chilenischen Falles verfolgt werden kann, suchen die Akteure im politischen System ihre Interessen durchzusetzen.

In a number of countries in the world since the nineteenth century transitions have taken place from authoritarian to liberal democratic systems. The transformation of authoritarian and totalitarian regimes has become a central topic of political science investigations. These studies aimed at analyzing the causes, elements and the course of such transformations. But the form of dealing with the past in the transformation process was only marginally considered.In Germany, after 1945 the concept of overcoming the past was developed for this group of problems as a result of analyzing the inheritance of dictatorship. The concept was revived when the system changed in the former German Democratic Republic and a desire arose to overhaul the past of this dictatorship. Despite the lively discussion about the process of overcoming the past up to now there still does not exist a generally accepted definition, let alone a theory of overcoming the past. Generally speaking one may understand by overcoming the past the method of dealing with the inheritance of dictatorial regimes. Not only in Germany, but in any country that goes through a process of transformation there appears a questioning of the truth regarding the crimes committed during the dictatorship, the responsibility of the authors, the amnesty or criminal prosecution, restitution for the victims and not least the reconciliation of the society. In the present study this set of problems is taken up. The specific goal of the study is to perform an analysis of the role played by the way of overcoming the past in the system change. The basic thesis is that overcoming the past is a central element in the system change and that both processes mutually influence each other. The role of overcoming the past played in a transition is analyzed based on the case example of democratization in Chile.From the thesis that overcoming the past is a central element of the system change derives the second goal of this study: to provide building blocks for a theory of overcoming the past. However, this study can not provide a complete theory as this would have to be accomplished in a meaningful way with a comparative analysis between processes of overcoming the past in different countries. For this reason, the present study is restricted to only provide building blocks for a theory of overcoming the past. To follow the goals of the study, first of all the concepts to be used are explained. Therefore the existing literature about the topic of a system change as well as about the process of overcoming the past is reviewed. A profound analysis of the different theories regarding system changes led to the conclusion that Merkel’s theory integration represents the best guide to study the case example. For this reason and based on Merkel models the phases of the Chilean transition are defined. Afterwards the methods that were applied in each stage to overcome the past are described. In addition, it is analyzed which actors took part in the process of overcoming the past and what interests they pursued. Methods and actors are analyzed at the political system and political culture levels.Between 1970 and 1973 the Chilean political system suffered due to its inability to handle the different demands and confrontations of the social and political groups. Chile went during these years from a limited to a general crisis, which ended up in a growing political polarization and a “disinstitutionalization” of the ways of confrontation. These conditions led to the military coup executed by the armed and police forces in 1973. After the coup a military junta took over the control of the government. Chile lived for fifteen years under different states of martial law which favored human rights violations. According to estimates 18,000 people were apprehended till December 1973; until 1975 the number rose to between 40,000 and 50,000. In addition, many Chileans were forced to go into exile or lost their jobs due to politically motivated measures. According to the report of the Commission of Truth and Reconciliation and its successor organization 3,179 people lost their lives. After the failure of a system change forced from below, by the end of the eighties a Negotiated Way to Transition was developed in Chile. Opposition and government got into the typical stalemate situation that finally produces this form of transition. This scenario had fundamental consequences for overcoming the past. The subsequent democratic government was forced to base its actions to overcome the past on the negotiated transition rules. On the other hand and in view of the stalemate situation it had to take into account the opinion of the other side in the execution of its measures to overcome the past. Overcoming the past is a process that takes place in a transition from an authoritarian to a democratic political system. Since overcoming the past is embedded in the process of transition, this latter influences its course. An example thereof is the influence that the manner of ending the authoritarian system has on the possible measures to overcome the past. In addition, the process to overcome the past changes in the course of transition. In this sense the necessary measures to overcome the past differ according to the different phases of transition. During the phase of institutionalization of democracy the foundations of the coming new democracy as well as those of overcoming the past are set. On the other hand, already in this period of time the conflict lines of overcoming the past become apparent. Depending on the progress of democratic consolidation the goals as well as the ways of overcoming the past differ. During the early years the symbols and measures of reparation as well as the unveiling of the truth of human rights violations are important to mitigate the pressure exerted on the political system. As soon as democracy has become more consolidated, the method of criminal proceedings to overcome the past can be reinforced without endangering the democracy. The process of overcoming the past takes place in the political system as well as in the political culture. In the political system the ways of overcoming the past and along with them the measures to be taken against the crimes committed in the past are defined. Regarding the political culture the process of overcoming the past refers to the different assessments that a specific society assigns to the common history during transition. The Chilean case shows, however, that the unveiling of human rights violations committed by the former regime and the discussion about the interpretation of history can truly get the opposing groups closer together, but do not necessarily lead them to a common history. Thanks to the differing measures to overcome the past, but also to the discussion about the history within the society the past is worked up by the political system and the political culture. But no overcoming of the past takes place. This may be observed by the repeated appearance of discussions regarding the past in the Chilean transition. The pass of time will perhaps allow to forget the past, but it will not be able to overcome it. However, the past not overcome does not prevent society from democratically living together. The democratic living together of a society does not unconditionally need a common history as its foundation, but the belief in institutions that make the channelling of conflicts possible is absolutely unavoidable and, therefore, an indispensable backbone of a democratic political culture.The first goal of overcoming the past is the society’s analysis of the wrongs committed in the past. During the early years of transition the pressure on the political system is so great, that the measures to overcome the past first seek to pacify the political system. If the political system does not react to the inputs of the different actors of the process to overcome the past, these shall seek a solution beyond democratic rules. In this context the process of overcoming the past contributes to consolidate a new democracy. In addition the measures to overcome the past serve to legitimate the different institutions of the new democracy. To achieve the goals of overcoming the past the methods selected are of decisive importance. The application of these methods depends on the type and also on the phase of the transition. Differing actors participate in the process of overcoming the past. Just as it can be observed in the Chilean case, the actors try to impose their interests in the political system.

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Dokumenttyp
Dissertation / PhD Thesis

Format
online, print

Sprache
German

Externe Identnummern
HBZ: HT014719565

Interne Identnummern
RWTH-CONV-122472
Datensatz-ID: 60782

Beteiligte Länder
Germany

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Document types > Theses > Ph.D. Theses
Faculty of Arts and Humanities (Fac.7)
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 Record created 2013-01-28, last modified 2023-09-22


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