Weiblichkeit und ästhetisches Handeln bei zeitgenössischen bildenden Künstlerinnen 1975-1990

Feminity and aesthetic activity among contemporary women artists between 1975-1990

  • Ziel und Ausgangspunkt ist das in qualitativen Interviews mit 24 ausgewählten Künstlerinnen gewonnene Untersuchungsmaterial an Selbstaussagen, woraus einerseits die für eine Veröffentlichung gedachten Interviews in Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen hervorgehen, andererseits die Selbstkonstruktion als Künstlerin in Hinblick auf Weiblichkeit und ästhetisches Handeln erarbeitet wird. Die Aussagen der Künstlerinnen in ihrem Quellencharakter gelten zu lassen und im Sinne einer Triangulation mit Hilfe unterschiedlichster Vorgehensweisen und aus verschiedenen Perspektiven möglichst umfangreich und reflektierend zu interpretieren, ermöglicht trotz kritischer Interpretation der Aussagen, die Künstlerinnen als Expertinnen in ihrer Sache anzuerkennen. Bürgerlich-patriarchalische kulturelle Vorstellungen über den Künstler, künstlerische Konzepte und Produktionsformen transportieren Vorstellungen über die Inferiorität der Frau und ihre Unzuständigkeit für Kunst und Kultur. Ebenso schränken kulturelle Weiblichkeitsanforderungen undZiel und Ausgangspunkt ist das in qualitativen Interviews mit 24 ausgewählten Künstlerinnen gewonnene Untersuchungsmaterial an Selbstaussagen, woraus einerseits die für eine Veröffentlichung gedachten Interviews in Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen hervorgehen, andererseits die Selbstkonstruktion als Künstlerin in Hinblick auf Weiblichkeit und ästhetisches Handeln erarbeitet wird. Die Aussagen der Künstlerinnen in ihrem Quellencharakter gelten zu lassen und im Sinne einer Triangulation mit Hilfe unterschiedlichster Vorgehensweisen und aus verschiedenen Perspektiven möglichst umfangreich und reflektierend zu interpretieren, ermöglicht trotz kritischer Interpretation der Aussagen, die Künstlerinnen als Expertinnen in ihrer Sache anzuerkennen. Bürgerlich-patriarchalische kulturelle Vorstellungen über den Künstler, künstlerische Konzepte und Produktionsformen transportieren Vorstellungen über die Inferiorität der Frau und ihre Unzuständigkeit für Kunst und Kultur. Ebenso schränken kulturelle Weiblichkeitsanforderungen und Geschlechterrollenvorstellungen die Frau ein. Unsere Aufgabenstellung ist es, den Identitätsbildungsprozeß von bildenden Künstlerinnen zu beleuchten, in dessen Verlauf die aus dem kulturellen Ausschluß herrührenden inneren und äußeren Hemmnisse und Hürden gemeistert werden. Die Dichotomie zwischen Weiblichkeit und Kunst erfordert von Künstlerinnen komplizierteste innere und äußere Anpassungs- und Gestaltungsvorgänge, damit eine funktionierende Identität als Künstlerin erreicht werden kann, um die Expansion in den maskulin dominierten Bereich zu vollbringen. Für einen kohärenten Selbstentwurf ist eine Identifizierung mit den tradierten herrschenden Vorstellungen und Mythen über den Künstler, den Außenseiter und künstlerische Prozesse notwendig. Diese Identifizierung legt die Übernahme der in diesen Definitionen immanenten Minderbewertung und Ausschluß der Frau nahe und führt zu einem lebenslangen Konflikt. So wie die Künstlerinnen lebensgeschichtlich die Weiblichkeitsanforderungen außer Kraft setzen müssen, genauso vehement wird von daher alles, was mit Weiblichkeit assoziiert wird, geleugnet, abgewehrt, vermieden und zu neutralisieren versucht. Weiblichkeit wird dem privaten Bereich zugeschlagen, der Fokus ist auf das, was für sie die Kunst bedeutet gerichtet. Es entsteht der Eindruck, als ob sich die Künstlerinnen in ihrer Lebensgeschichte für die Kunst erst einmal von den kulturellen Effekten von Weiblichkeit befreien müssen, diese leugnen, um unbehelligt von innen und außen den von ihnen als anmaßend beschriebenen Wunsch, Künstlerin zu sein zu realisieren. Die innere Erlaubnis, Kunst machen zu dürfen steht an erster Stelle, danach kommt die Kunst und die künstlerische Produktion. Unsere Forschungshypothese ist, dass für das Kunstmachen von Frauen einerseits die Emanzipation von gängigen Mustern der weiblichen "Normalbiographie" eine Voraussetzung ist, andererseits Kunst nur entstehen kann, wenn die Geschlechtlichkeit im Sinne von gender als eine die Wirklichkeit mitkonstituierende Dimension reflektiert wird. Wenn diese Reflexion des Widerspruchs von Kunst und weiblichem Geschlecht notwendig für das Werden einer Künstlerinnenidentität ist, ergibt sich darüber hinaus die Fragestellung, welche künstlerischen Konzepte oder Strömungen, welche Einstellungen nützlich im Sinne von subjektiver Nutzbarmachung beziehungsweise Verwerfung für die eigene Positionierung als Künstlerin sein können. Die Frauen/Kunst/ Bewegungen der siebziger und achtziger waren in diesem Sinne nicht traditionsbildend. Die gleichzeitige Entwicklung und Erneuerung der Kunst und ihrer Inhalte und der Wirkung der Emanzipationsbewegung(en) stellte einen glücklichen Moment für die Entwicklung künstlerischer Äußerungsformen von Frauen sowie die Anfänge ihres Reüssierens im Kunstbetrieb dar. Die Partizipation an der neuen, noch nicht professionalisierten Regellosigkeit, der narrativen oder konzeptionellen Tendenzen, die Teilhabe an der Freiheit, Kunst und Leben zunächst zusammen denken zu können, erleichterte Frauen den Einstieg in die Imagination und Verfolgung der Verwirklichung des Selbst-Bildes als Künstlerin, nicht aber die professionelle Entwicklung, die ab Ende der achtziger Jahre für Künstlerinnen zwingend wird. Künstlerinnen benutzen in ihren Selbstkonstruktionen unbewusst und bewusst Mythen und Diskurse verschiedenster Provenienz, so dass bei jeder der Künstlerinnen ein nicht festgelegtes Amalgam von Kunstbegriffen und Konzepten entsteht; Kunstkritik und Kunstgeschichte als Instanzen werden (so gut wie) nicht hinterfragt. Einige mythische Bilder und konzeptuelle Vorstellungen scheinen sich besonders gut in die Selbst-Vorstellung eines weibliches Künstlers einzufügen: das Festhalten an der individuellen Freiheit im schöpferischen Prozess, die Selbstverwirklichung im ästhetischen Handeln. Das Schöpferische ist der zentrale Begriff im herrschenden patriarchalischen Paradigma. Die Bedeutung des Dilemmas des Ausschlusses der Frau aus Kultur und Kunst aufgrund der festgeschriebenen Unvereinbarkeit von geistiger und biologischer (Re-)Produktionsfähigkeit zeigt sich in der traditionalistischen Haltung zum Schöpferischen und in der affektiv aufgeladenen Bewertung des ästhetischen Handelns durch die Künstlerinnen. Die künstlerische Praxis ist nach den vorliegenden Aussagen das Ein und Alles, das die herrschenden Regeln außer Kraft setzt. Im "es passiert" des ästhetischen Handelns kann zugelassen werden, was in den kontrollierten Phasen nur angestrengt reflektiert werden kann. In diesem in den Gesprächen beschriebenen Moment können auch Formen und Konstruktionen von erlebter und erfahrener "Weiblichkeit" als essentielles Daseinsgefühl, im Sinne einer körperlichen Verfasstheit und tiefendimensionaler Erfahrungen als Movens und Agens des schöpferischen Prozesses zugelassen, wahrgenommen und als produktiv beschrieben werden.zeige mehrzeige weniger
  • Both the goal and point of departure is provided by research material consisting of statements twenty-four selected women artists have given in qualitative interviews intended for public presentation, proceeding, on the one hand, in collaboration with the artists, and on the other in analysis of the artists' construction of self in terms of their femininity and respective aesthetic activities. In spite of a critical interpretation of the statements, we are able to recognize the artists as experts in their own field if we grant their statements validity in terms of their testimonial character and interpret them in a triangular sense, employing a variety of procedures and perspectives and as extensively and reflectively as possible. Bourgeois/patriarchal cultural ideas about the artist, artistic concepts, and artistic forms of production convey notions on woman's inferiority and her unsuitability for art and culture. Similarly, cultural demands on femininity and expectations regarding gender roles place limitations on women. We haveBoth the goal and point of departure is provided by research material consisting of statements twenty-four selected women artists have given in qualitative interviews intended for public presentation, proceeding, on the one hand, in collaboration with the artists, and on the other in analysis of the artists' construction of self in terms of their femininity and respective aesthetic activities. In spite of a critical interpretation of the statements, we are able to recognize the artists as experts in their own field if we grant their statements validity in terms of their testimonial character and interpret them in a triangular sense, employing a variety of procedures and perspectives and as extensively and reflectively as possible. Bourgeois/patriarchal cultural ideas about the artist, artistic concepts, and artistic forms of production convey notions on woman's inferiority and her unsuitability for art and culture. Similarly, cultural demands on femininity and expectations regarding gender roles place limitations on women. We have made it our task to illuminate the process of identity formation among women artists, during the course of which inner and outer obstacles and barriers originating in cultural exclusion are overcome. The dichotomy between femininity and art requires that women artists undergo extremely complicated inner and outer processes of adaptation and formation in order to attain to a functioning identity as artist and to expand into areas dominated by men. Identifying with traditionally prevalent ideas and myths on the artist, the outsider, and artistic processes becomes necessary for a coherent construction of self. This identification implies adopting the exclusion of women and the inferior value immanent in these definitions and leads to a life-long conflict. Just as women artists have to invalidate everything in their lives that places a demand on their femininity, they thus, and just as vehemently, attempt to deny, resist, avoid, or neutralize anything that has to do with femininity. Femininity is restricted to the private arena; their concentration is focussed on the meaning art assumes for them. If we examine their biographies, it seems that women artists first have to liberate themselves from the cultural effects of femininity and to deny them in order to realize what they describe as an appropriate wish to become an artist, unfettered in both an internal and external sense. The inner allowance to make art stands at the forefront, followed by art itself and artistic production. Our research hypothesis asserts that the emancipation from customary patterns of the "ordinary female biography" is one precondition for women who set out to make art; on the other hand, art can only arise if gender is reflected upon as a dimension contributing to the construction of reality. If this reflection on the contradiction between art and the female sex is necessary for the development of a woman artist's identity, then the question moreover arises as to what artistic concepts, movements, and attitudes can become useful regarding a subjective utilization or rejection for the woman artist's own positioning in the art world. In this sense, the women's art movements of the seventies and eighties did not form a tradition. The simultaneous development and renewal of art and its content and the effects of the emancipation movement(s) formed a fertile moment for the development of artistic forms of expression among women as well as the beginnings of their becoming successful in the art establishment. A participation in the new, not yet professionalized lack of rules, in the narrative or conceptual tendencies, and in the freedom of being able to think of art and life as belonging together all facilitated women's entry into imagining and then pursuing the realization of their self-image as artist, but not, however, their professional development, which has become mandatory for women artists from the end of the eighties onwards. In their constructions of self, women artists both consciously and unconsciously make use of myths and discourses stemming from a variety of origins, such that each of the artists evinces a mutable mix of art concepts and terms; art criticism and art history as such are (nearly) never questioned in their authority. Certain mythical images and conceptual ideas appear especially apt at entering the notion of self among women artists: retaining individual freedom in the creative process, self-realization in aesthetic activity. The creative is the central concept in the prevailing patriarchal paradigm. The significance of the dilemma of woman’s exclusion from culture and art due to the indoctrinated incompatibility between intellectual and biological capacities for (re)production is revealed in the traditionalist attitude towards the creative and in the evaluation of aesthetic activity which women artists invest with emotional meaning. According to the statements we have collected together, artistic practice is the one and all that can abolish prevailing rules. In the "happening" of aesthetic activity, one can allow things to occur that can only be reflected with difficulty in the controlled phases. In this moment described in the interviews, forms and constructions of experienced "femininity" – as an essential feeling of existence in the sense of a bodily composure and multiply dimensioned experience, the motivation and drive of the creative process – can be accepted, perceived, and described as productive.zeige mehrzeige weniger

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Metadaten
Verfasserangaben: Aulikki Eromäki, Ingrid Wagner-Kantuser
URN:urn:nbn:de:kobv:B170-opus-95
übersetzter Titel (Deutsch):Weiblichkeit und ästhetisches Handeln bei zeitgenössischen bildenden Künstlerinnen 1975-1990
Gutachter*in:Prof. Helmut Hartwig, Prof. Dr. Renate Berger, Prof. Dr. Sigrid Schade
Dokumentart:Dissertation
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):12.09.2002
Veröffentlichende Institution:Universität der Künste Berlin
Titel verleihende Institution:Universität der Künste Berlin, Fakultät Gestaltung
Datum der Abschlussprüfung:08.07.2002
Datum der Freischaltung:12.09.2002
Freies Schlagwort / Tag:Biographie; Frauen-Kunst-Be; Identität; Interviews; Kreativität; Kunst; Selbstkonstruktion; Weiblichkeit; feministische Kunst; ästhetisches Handeln
aesthetic activity; art; biography; construction of self; creativity; femininity; feminist art; feminist art movements; identity; interviews
Fakultäten und Einrichtungen:Fakultät Gestaltung / Institut für Theorie und Geschichte der Gestaltung
DDC-Klassifikation:7 Künste und Unterhaltung / 70 Künste / 700 Künste; Bildende und angewandte Kunst
Lizenz (Deutsch):Keine Lizenz – Urheberrechtsschutz
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