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Das Medium Feldpost als Gegenstand interdisziplinärer Forschung

Archivlage, Forschungsstand und Aufbereitung der Quelle aus dem Zweiten Weltkrieg

Kilian, Katrin Anja

"Wie schrecklich schwer ist doch das Schicksal jedes einzelnen Soldaten in diesem grässlichen Krieg, und wie wenig wird an den unbekannten Soldaten gedacht, an Jedermann." Bestandssituation. Der eingangs zitierte Satz stammt von Heinrich Böll, dessen "Briefe aus dem Krieg" im Herbst 2001 in zwei Bänden herausgebracht wurden. Seine Briefe lesen sich wie die vieler anderer und tragen doch - wie jene der unbekannten Soldaten - eine ganz persönliche Handschrift. Ihre Subjektivität verbindet sie und macht sie zu einer einzigartigen Quelle. Das Chaos aus persönlicher Aussagen zu strukturieren und systematisch zu erschließen, erfordert die Einbindung verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen mit ihren ganz unterschiedlichen Fragestellungen und Methoden. Kommunikationsmedium. Innerhalb der Medienwissenschaft hat man sich bislang in der Beschäftigung mit dem "Dritten Reich" intensiv mit der Massenkommunikation beschäftigt. Feldpostbriefe lenken den Blick auf die Kommunikation der Massen. Der Brief ist ein Individualmedium, das ein filigranes Informationsnetz zwischen den Soldaten und ihren Angehörigen über das gesamte Operations-, Okkupations- und Heimatgebiet spannte. Andere Disziplinen haben sich dem Medium als wissenschaftliche Quelle bereits angenähert. Der heterogene Wissensstand und die vielfältige Problematik im Umgang mit den Briefen werden in der Arbeit erläutert und auf einen einheitlichen Stand gebracht. Es geht hierin um die Koordination des bisherigen Wissens- und Dokumentationsstandes, um daraus auf der Basis eines Forschungsabgleichs fachübergreifende Methoden und Umgangsformen zu entwickeln. So ist diese Arbeit ein Ausgangspunkt für eine Quellennutzung durch die Medienwissenschaft und andere Forschungsfelder. Das Individualmedium "Feldpostbrief" wird hier erstmals aus kommunikations- und medienwissenschaftlicher Sicht beleuchtet. Die medien- und kommunikationsbedingte Geschichte wird vorgestellt, seine Entstehungs- und Kommunikationsbedingungen dargelegt sowie eine differenzierte Definition der Kriegspost vorgenommen. Sie erlaubt einen exakten formalen Umgang mit dem Medienzeugnis. Relevanz. Obwohl bald nach 1945 damit begonnen worden war, die Einzelheiten des Krieges zu erforschen, sind bis heute nicht alle Fragen hinreichend geklärt. Die Zahlen stimmen, aber die Rechnung geht nicht auf. Eine unbekannte Variable bildet darin der Einzelne im Kriegsgeschehen. Er stellt das Greifbare des Zusammenhangs dar. Die gewonnenen Erkenntnisse bleiben porös, hinter den drückenden Fragen nach der Involviertheit des "unbekannten Soldaten", nach der erschreckenden Stabilität und Effizienz des totalitären Systems. Jene Erkenntnisse über anonyme Zahlen und Daten erlauben aber auch erst Fragestellungen nach dem Individuum. Vorgehensweise. Ziel der Arbeit ist es, die Quellenlage und den Stand der wissenschaftlichen Debatte für die dringend notwendige Auseinandersetzung durch die Forschung zu koordinieren und forcieren. Daraus ergeben sich die folgenden drei Themenkomplexe: 1. Kontext und Begriffsbestimmung, 2. Bestand, Forschungsstand und Dokumentation, 3. Wissenschaftliche Nutzungsmöglichkeiten. Perspektive. Die Arbeit demonstriert, dass ein interdisziplinärer Umgang sowie eine transdisziplinäre Kooperation verschiedener Fachgebiete symbiotisch ist. Hierfür bietet der Feldpostbrief als Quelle die Chance eines Austausches unterschiedlicher Fachgebiete. Die Verfahrensweise eines arbeitsteiligen, auf Austausch basierenden und interdisziplinären Wissenschafts-Managements wird die Forschung an dem Alltagszeugnis voranbringen. Sie basiert auf einer transparenten Quellenutzung und einer interdisziplinären Geschichtsbetrachtung.