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Wissenschaft und Weltanschauung - Eine epistemologische Analyse des Paradigmenstreits in der Homöopathieforschung

  • Die Homöopathie ist eine Therapiemethode, die seit mehr als 200 Jahren praktiziert wird und eine beträchtliche Zahl an Heilungserfolgen vorzuweisen hat. Die Evidenzlage hinsichtlich der klinischen Forschung zur Homöopathie ist nach strengen Kriterien mindestens als ambivalent zu beurteilen und weist eine stark positive Tendenz auf, wenn im Rahmen von Meta-Analysen nicht nur einige wenige Studien berücksichtigt werden, sondern ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen Selektionskriterien und Aussagekraft geschaffen wird. Die Gründe für die Verzerrungen bei der Beurteilung des Phänomens Homöopathie sind auf der wissenschaftlichen Paradigmenebene zu suchen und wurzeln letztlich in spezifischen erkenntnistheoretischen Vorannahmen, die in ihrer unreflektierten Form als Weltanschauung angesprochen werden können. Diese Weltanschauung kann in als eine Form des reduktionistischen Materialismus identifiziert wer-den, welcher in Verbindung mit einem unkritischen Szientismus dafür genutzt wird, Erkenntnissi-cherheit undDie Homöopathie ist eine Therapiemethode, die seit mehr als 200 Jahren praktiziert wird und eine beträchtliche Zahl an Heilungserfolgen vorzuweisen hat. Die Evidenzlage hinsichtlich der klinischen Forschung zur Homöopathie ist nach strengen Kriterien mindestens als ambivalent zu beurteilen und weist eine stark positive Tendenz auf, wenn im Rahmen von Meta-Analysen nicht nur einige wenige Studien berücksichtigt werden, sondern ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen Selektionskriterien und Aussagekraft geschaffen wird. Die Gründe für die Verzerrungen bei der Beurteilung des Phänomens Homöopathie sind auf der wissenschaftlichen Paradigmenebene zu suchen und wurzeln letztlich in spezifischen erkenntnistheoretischen Vorannahmen, die in ihrer unreflektierten Form als Weltanschauung angesprochen werden können. Diese Weltanschauung kann in als eine Form des reduktionistischen Materialismus identifiziert wer-den, welcher in Verbindung mit einem unkritischen Szientismus dafür genutzt wird, Erkenntnissi-cherheit und eine wissenschaftlich methodische Fundierung zu prätendieren. Dieser Komplex erweist sich im Rahmen einer epistemologischen Analyse als transzendentalphilosophisch haltloses metaphysisches Konstrukt, welches keinesfalls dazu geeignet ist, als Kriterium für Wissenschaftlichkeit zu fungieren, oder gar a priori über die Möglichkeit respektive Unmöglichkeit bestimmter Phänomene zu befinden. Der unkritische Umgang eines Teils der Homöopathiekritik mit den eigenen epistemologischen Voraussetzungen führt somit zu der paradoxen Situation, dass unter Berufung auf wissenschaftliche Grundsätze zentralen Postulaten der wissenschaftlichen Methode eine Absage erteilt wird. Vor dem Hintergrund der Science Studies lässt sich konstatieren, dass die Homöopathie nicht nur mit epistemologischen Setzungen in Konflikt gerät, sondern dass naturwissenschaftliche Grundsätze und die Methodik der klinischen Forschung in ein soziales Gefüge eingebettet sind, in welchem neben statistisch auswertbaren Daten ebenso die Denkgewohnheiten und Erwartungshaltungen von Peer-Review-Gutachtern und die hiermit in Zusammenhang stehenden Publikationsmöglichkeiten eine Rolle spielen. Nicht zuletzt ist an dieser Stelle zu konstatieren, dass Wissenschaft als soziales System über mannigfaltige Überschneidungen und Verquickungen mit anderen Systemen verfügt, zu denen sicherlich auch die Ökonomie gehört. In dieser Hinsicht ist es durchaus denkbar, dass eine wissenschaftliche Ächtung der Homöopathie mit bestimmten wirtschaftlichen Interessen konform geht, wenn sie nicht sogar teilweise durch solche motiviert sein sollte. Abschließend werden mit der Kategorienlehre, der Semiotik und den wissenschaftstheoretischen Überlegungen des amerikanischen Philosophen Charles Sanders Peirce Ansätze präsentiert, welche die aufgezeigten Aporien des reduktionistischen Materialismus vermeiden. Es wird ein begriffliches Instrumentarium eingeführt, mit dessen Hilfe sich die entsprechenden Verkürzungen bei der Interpretation des Phänomens Homöopathie klar benennen und auch umgehen lassen, ohne auf unzulässige metaphysisch aufgeladene Theoreme zu-rückgreifen zu müssen. Die Homöopathie steht innerhalb der vorliegenden Analyse stellvertretend für sämtliche Gegen-standsbereiche, die sich einer einfachen Deutung durch materialistisch-reduktionistische Erklä-rungsmuster im dargestellten Sinne entziehen. Insgesamt lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Grenzen gängiger Erklärungsmodelle und erkenntnistheoretischer Paradigmen häufig anhand von wissenschaftlichen Anomalien erkennbar werden und dann einer umfassenden Revision unterzogen werden sollten, um global neue Zugänge und Perspektiven für die Wissenschaft zu erschließen, die nicht den Beschränkungen einer dem Fortschritt hinderlichen Weltanschauung unterliegen.show moreshow less
  • Homeopathy is a therapeutic method that has been practiced for over 200 years now. It has proven to be effective in a vast number cases. The results of clinical research in homeopathy have to be called at least equivocal, if judged by the strictest criteria. When meta-analyses show a traceable balance of study selection and meaningfulness of the results, they show a strong posiitive tendency for homeopathy. The reasons for the biased interpretation of research findings can be found on the level of scientific paradigms. These paradigms stem from epistemological premisses that can be called an ideology if they remain unreflected. Concerning homeopathy this ideology can be identified as reductionist materialism. It is combined with an unreflected scientism and hence pretends scientific rigor and methodological foundation. Epistemologic analysis shows this ideology to be a groundless metaphysical assumption that is by no means not adequate as a criterion for scientific character and rationality. Critics ofHomeopathy is a therapeutic method that has been practiced for over 200 years now. It has proven to be effective in a vast number cases. The results of clinical research in homeopathy have to be called at least equivocal, if judged by the strictest criteria. When meta-analyses show a traceable balance of study selection and meaningfulness of the results, they show a strong posiitive tendency for homeopathy. The reasons for the biased interpretation of research findings can be found on the level of scientific paradigms. These paradigms stem from epistemological premisses that can be called an ideology if they remain unreflected. Concerning homeopathy this ideology can be identified as reductionist materialism. It is combined with an unreflected scientism and hence pretends scientific rigor and methodological foundation. Epistemologic analysis shows this ideology to be a groundless metaphysical assumption that is by no means not adequate as a criterion for scientific character and rationality. Critics of homeopathy therefore find themselves in the paradox situation of rejecting a phenomenon with reference to scientific principles while their line of arguments does not employ these very principles. Science studies reveal that homeopathy does not only fight with certain epistemological premisses of reductionist natural sciences. The methodology of clinical research is integrated into complex social systems that influence the expectations of scientists, their respective peer-reviewers and thereby the possibilties for the publication of research findings. Moreover science as a social system is connected to economy. It is possible that the scientific proscription of homeopathy is conform to certain financial interests where it is not even motivated by them. The last step of this work presents the semiotics and philosophy of science of the American philosopher Charles Sanders Peirce as an alternative to reductionist concepts. It offers the possibility to comprehend homeopathy without the shortcomings of the presented metaphysical ideology without introducing metaphysic assumptions itself. Homeopathy could be understand as an example for many phenomena that cannot be explained satisfactory by means of reductionist reasoning. It is therefore a case of a scientfic anomaly that brings the borders of specific paradigms into consciousness and therefore calls for a revision oft he epistemological ground of modern natural sciences. This step is necessary if the way of investigation is not to be blocked by ideology furthermore.show moreshow less

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Metadaten
Author:Jens Behnke
URN:urn:nbn:de:kobv:521-opus4-2018
Referee:Harald WalachORCiD, Klaus Fischer
Advisor:Harald Walach
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2016/01/20
Publishing Institution:Europa-Universität Viadrina Frankfurt
Granting Institution:Europa-Universität Viadrina Frankfurt, Kulturwissenschaftliche Fakultät
Date of final exam:2015/02/13
Release Date:2016/01/27
Tag:Homöopathie; Wissenschaftstheorie
Homeopathy; Philosophy of science
Page Number:185
Institutes:Kulturwissenschaftliche Fakultät
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