Eine soziale Logik der Erkenntnis mit Fokus auf den abduktiven Schluss

  • Laut C.S. Peirce ist der abduktive Schluss das einzige logische Verfahren, das in der Lage ist, neue Erkenntnisse einzuführen. Dieser funktioniert in etwa so, dass auf Basis eines bereits bestehenden, jedoch unbewusst verwendeten, Regel- bzw. Vorwissens etwas Neues, bislang Unbekanntes, generiert wird, indem eine Ähnlichkeitsrelation bzw. eine Differenz zwischen Alt und Neu erzeugt wird. Damit scheint bei der Abduktion das einsam handelnde und denkende Subjekt die zentrale Instanz der Entstehung des Neuen zu sein. Aus soziologischer Sicht von Interesse ist dabei, welche, hier zu unterstellende, tragende Rolle der soziale Austausch bei dieser Erkenntnisgenese überhaupt spielt, wenn, dem abduktiven Schluss zufolge, das monologisch handelnde Individuen über quasi „eingelagerte“ Erkenntnis-Instinkte, wie Peirce sagt, verfügt. Die Rolle des anderen im sozialen Austausch würde dadurch jedoch hinfällig oder zumindest randständig. Der logische Ausweg, um den anderen als konstitutiver Bestandteil der Erkenntnisgenese zu integrieren, besteht in der These, dass interagierende Individuen sich auf eine Art und Weise wechselseitig identisch sein müssen. Ähnlichkeitsbezüge herstellen zu können würde dadurch primär zu einem Produkt der Interindividualität und nicht zu jenem einzelner Individuen. Um diese These zu prüfen, werden in einem ersten Schritt Peirce’ Theorien zur Abduktion untersucht. Im Weiteren sollen aber auch soziologische Erkenntnistheorien und interdisziplinäre Ansätze, wie die der (Social) Neuroscience, auf die Möglichkeit einer interindividuellen Verquickung im Sinne des wechselseitig Identisch-Seins untersucht. In einem letzten Schritt wird die berechtigte Frage gestellt, wie denn überhaupt Erkenntnis erzeugt werden kann, wenn Individuen sich differenzlos identisch gegenüberstehen. Dabei wird die These vorgeschlagen, dass Differenz dadurch eingespielt wird, indem Subjekte sich nie dieselbe Raumzeitstelle teilen. Die am Individuum gebundene Fähigkeit, Unterschiede bzw. Ähnlichkeitsbezüge erkennen zu können (Abduktion), wird somit erst durch Praxis selbst möglich. Abschließend sollen durch forschungsübergreifende Überlegungen Konsequenzen aus diesen Thesen gezogen werden.
  • According to C.S. Peirce, the abductive inference is the only logical method capable of introducing new insights. This works in such a way that something new, previously unknown, is generated on the basis of an already existing, but unconsciously used, rule or previous knowledge by generating a similarity relation or a difference between old and new. Thus, in abduction, the lonely acting and thinking subject seems to be the central instance of the emergence of the new. From a sociological point of view, it is of interest what major role social exchange plays in this epistemology at all, which is to be assumed here, if, according to the abductive conclusion, the monologically acting individuals have quasi "embedded" cognitive instincts, as Peirce says. However, this would render the role of the other in social exchange obsolete or at least marginal. The logical way out to integrate the other as a constitutive component of cognitive genesis is to argue that interacting individuals must be mutually identical in one way. To be able to make similarity references would thus primarily be to a product of interindividuality and not to that of single individuals (lonely acting subject). In order to test this thesis, Peirce's theories of abduction are examined in a first step. In addition, sociological epistemology theories and interdisciplinary approaches, such as those of (social) neuroscience, will also be examined for the possibility of an inter-individual intertwining in the sense of being mutually identical. In a final step, the legitimate question is asked as to how knowledge can be generated at all if individuals are identical to each other without distinction. The thesis is proposed that difference is played out by never sharing the same space-time place. The ability bound to the individual to be able to recognize differences or similarity references (abduction) is thus only possible through practice itself. Finally, cross-research considerations are intended to draw conclusions from these theses.

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Metadaten
Author:Anuar HassanGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-624187
DOI:https://doi.org/10.21248/gups.62418
Referee:Gerhard WagnerGND, Peter GostmannGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2021/08/12
Date of first Publication:2021/08/12
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2021/07/15
Release Date:2021/10/18
Tag:Abduktion; Emergenz; Identität; Innovation; Zeichen
Page Number:283
HeBIS-PPN:486700453
Institutes:Gesellschaftswissenschaften
Dewey Decimal Classification:1 Philosophie und Psychologie / 10 Philosophie / 100 Philosophie und Psychologie
3 Sozialwissenschaften / 30 Sozialwissenschaften, Soziologie / 300 Sozialwissenschaften
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht