Intellektuelle Strategien vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart

  • Das Pathos, mit dem die Intellektuellen seit 200 Jahren als moralische Autoritäten angerufen oder als 'Verräter' oder 'Volksfeinde' mißachtet wurden, ist einer generellen Ernüchterung gewichen. "Ich möchte nicht, daß Männer für mich denken", schrieb Sibylle Berg 2009 in Literaturen. Mit Habermas, Luhmann und Adorno weiß sie nichts mehr anzufangen. Vorstellen kann sie sich als Intellektuelle allenfalls "Susan Sontag, Hannah Arendt oder Oriana Fallaci [... ] Alle nicht deutsch. Alle eine Mischung aus Publizistinnen und Philosophinnen. Und Frauen." Immerhin gesteht sie auch den in ihrer Sicht langweiligen und wirkungslosen männlichen Intellektuellen eines zu: Zwar sei es "möglicherweise egal, ob es sie gibt oder nicht, die Intellektuellen. Nur so langweilig ist es ohne sie. So grau und reduziert auf unsere Grundbedürfnisse: Fernsehen schauen, essen und meckern." Was hier eher leichtgewichtig als Kultur- und Patriarchatskritik daherkommt, findet sein positives Pendant im Konzept des 'nomadischen Intellektuellen', wie es Toni Tholen Enzensberger zuschreibt. Dessen Unterhaltungswert bleibt auch hier im Zentrum: Von besonderem Interesse sei "das Verfahren des Sich-Aussetzens", das das Ich zum Schauplatz innerer Erfahrung, nicht notwendigerweise aber prinzipienfester Selbstbehauptung mache. Damit aber ist jenes Moment des Posierens, Inszenierens und Skandalisierens ausgesprochen, das die intellektuelle Intervention von allem Anfang an begleitet hat - und vielleicht ihr zentrales Charakteristikum bildet. Zwischen Arbeitszimmer und Literatencafé, punktuellem Engagement und "Distanz gegenüber allen festen Positionen und ihren Inhabern", zwischen Bekenntnis und Verrat profiliert sich der/die Intellektuelle als "Paria und Privilegierter" gleichermaßen.

Download full text files

Export metadata

Additional Services

Share in Twitter Search Google Scholar
Metadaten
Author:Claudia Albert
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-494372
URL:http://www.passagen.at/cms/index.php?id=269
ISSN:0043-2199
ISSN:2510-7291
Parent Title (German):Weimarer Beiträge : Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften
Publisher:Passagen Verlag
Place of publication:Wien
Document Type:Article
Language:German
Year of Completion:2019
Year of first Publication:2011
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Contributing Corporation:Klassik Stiftung Weimar
Release Date:2019/12/10
GND Keyword:Schriftsteller; Intellektueller; Literarisches Leben
Volume:57
Issue:3
Page Number:20
First Page:414
Last Page:433
HeBIS-PPN:457657073
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 80 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft / 800 Literatur und Rhetorik
8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Germanistik / GiNDok / Passagen Verlag
BDSL-Klassifikation:03.00.00 Literaturwissenschaft / BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.16.00 Literarisches Leben / BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.16.00 Literarisches Leben > 03.16.02 Schriftsteller
Zeitschriften / Jahresberichte:Weimarer Beiträge / Weimarer Beiträge 57.2011
:urn:nbn:de:hebis:30:3-494229
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht