Masken der Aufklärung : theologische Rhetorik und Säkularisierung

  • Den Traditionsbruch der Rhetorik im 18. Jahrhundert und die Verlagerung ihrer Wissensbestände in andere Disziplinen hat die jüngere Forschung detailliert untersucht. Was das Verhältnis der Rhetorik zu Theologie und Religion betrifft, so konzentrieren sich die Darstellungen häufig auf die Feststellung, der Pietismus habe die Lehre von den Affekten (vom movere und delectare) isoliert, was, verkürzt gesagt, die Entstehung sowohl der Ästhetik wie der Erfahrungsseelenkunde beförderte. Dagegen gelte für die der Ironie verwandten, in den Poetiken, Politik- und Klugheitslehren verwendeten technischen Termini der Simulation (Vorspiegelung des Falschen) und Dissimulation (Verbergung des Wahren), dass sie durch die Codes der Aufklärung (Mensch-Schauspieler, Natürlichkeit-Künstlichkeit, Innerlichkeit-Äußerlichkeit) ihre Selbstverständlichkeit als Mittel der Selbstdarstellung und Selbsterhaltung verloren hätten. Als probates Mittel der höfischen und Ständegesellschaft seien Methoden der Vortäuschung und Verstellung moralisch und politisch desavouiert worden, da sie dem Ideal körpersprachlicher Unmittelbarkeit einerseits, rationaler Argumente und Überzeugungen, aufrichtiger moralischer Intention und einer Sprache unverzerrter Mitteilung andererseits widersprachen. Täuschung und Verstellung lebten in Folge der aufklärerischen Kritik vornehmlich in Theorien des Theaters weiter. In der Theologie dagegen fände das Ideal unverstellter Authentizität seinen Ausdruck zum Beispiel in Lavaters theologisch interessierter Physiognomie. Dem steht zunächst der Befund gegenüber, dass seit dem 18. Jahrhundert gerade in den zentralen Debatten um Religion und Theologie das Spiel mit Maskierungen und Demaskierungen, Verschleierungen und Entschleierungen, Verhüllungen und Enthüllungen (die tatsächlich auf das Theaterregister verweisen, aber zugleich literalisiert werden) ubiquitär ist.

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Metadaten
Author:Ernst MüllerGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-493160
URL:http://www.passagen.at/cms/index.php?id=332
ISBN:978-3-7092-0219-7
ISSN:0043-2199
ISSN:2510-7291
Parent Title (German):Weimarer Beiträge : Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften / herausgegeben von Peter Engelmann gemeinsam mit Michael Franz und Daniel Weidner
Publisher:Passagen Verlag
Place of publication:Wien
Document Type:Article
Language:German
Year of Completion:2019
Year of first Publication:2016
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Contributing Corporation:Klassik Stiftung Weimar
Release Date:2019/05/20
GND Keyword:Säkularisierung; Theologie; Rhetorik; Aufklärung; Hamann, Johann Georg
Volume:62
Issue:1
Page Number:32
First Page:5
Last Page:36
HeBIS-PPN:450558770
Dewey Decimal Classification:2 Religion / 20 Religion / 200 Religion
8 Literatur / 80 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft / 800 Literatur und Rhetorik
8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Germanistik / GiNDok / Passagen Verlag
BDSL-Klassifikation:03.00.00 Literaturwissenschaft / BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.10.00 Stilistik. Rhetorik
12.00.00 18. Jahrhundert / BDSL-Klassifikation: 12.00.00 18. Jahrhundert > 12.13.00 Zu einzelnen Autoren
12.00.00 18. Jahrhundert / BDSL-Klassifikation: 12.00.00 18. Jahrhundert > 12.08.00 Aufklärung
Zeitschriften / Jahresberichte:Weimarer Beiträge / Weimarer Beiträge 62.2016
:urn:nbn:de:hebis:30:3-493604
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht