Der ,Neue Mann' zwischen Familie und Beruf : Erkundungen bei Hans Fallada und Joseph Breitbach

  • Falladas „Kleiner Mann“ gehört zu den Erfolgstiteln der späten Weimarer Republik und darf bis heute mit uneingeschränktem Publikumsinteresse rechnen. Empathisch, realitätsnah, detailreich, aber wenig politisch engagiert, rief die Darstellung der absinkenden Mittelschicht schon in der Weimarer Republik den Vorwurf der „linken Melancholie“ hervor, der neben Fallada auch Kästner traf. Noch 1970 diente diese Kategorie dem Literaturwissenschaftler Helmut Lethen als Kampf- und Abwehrbegriff gegen einen vorgeblich „weißen“ Sozialismus, dem er die Absicht sozialer Pazifizierung zuschrieb. Die Farbwahl deutet auf die Langlebigkeit des politisch-literarischen Topos hin, hatte doch Kurt Tucholsky schon 1926 die deutsche Sozialdemokratie in dem Gedicht „Feldfrüchte“ als „außen rot und innen weiß“ charakterisiert. Joseph Breitbach greift in seinen Erzählungen „Rot gegen Rot“ und „Das Radieschen“ von 1928/29 diese Metaphorik ebenso auf wie die mit ihr assoziierten widerstreitenden Positionen. „Rot gegen Rot“ lautet auch der Titel seines 1929 bei der Deutschen Verlagsanstalt erschienenen ersten Erzählbandes. Im Gegensatz zu den politischen Kampffronten sind diejenigen zwischen den Geschlechtern erst spät, dafür aber mit eindeutigem und nachhaltigem Interesse an der „Neuen Frau“ ins Blickfeld der Literaturwissenschaft geraten. Es scheint geradezu, als habe das Erlöschen der politischen Utopie, die sich zunächst in der Weimarer Republik, dann für zahlreiche, vor allem angloamerikanische, Forscher in der DDR verkörperte, die vorherigen Hoffnungen nun auf eine grundlegende Neudefinition des Geschlechterverhältnisses verlagert: Die „Neue Frau“ sollte im Privaten und Öffentlichen realisieren, was politisch eben nicht gelungen war. […] Parallel wäre zu wünschen, dass der Literarisierung des „Neuen Mannes“ die gleiche differenzierte Aufmerksamkeit zukäme - selbst wenn er massenmedial weit weniger präsent ist als seine Geschlechtsgenossinnen. Zeichen seiner Schwäche sind schon in den 20er Jahren unübersehbar. Der „Neue Mann“ ist zumeist – ob im wörtlichen oder übertragenen Sinne – der „Kleine Mann“.

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Metadaten
Author:Claudia Albert
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-361482
ISBN:978-3-0343-1089-5
ISSN:3-0343-1089-7
Parent Title (German):Internationales Alfred-Döblin-Kolloquium, Berlin 2011 : Massen und Medien bei Alfred Döblin
Publisher:Lang
Place of publication:Bern ; Berlin ; Bruxelles ; Frankfurt, M. ; New York, NY ; Oxford ; Wien
Document Type:Part of a Book
Language:German
Year of Completion:2014
Year of first Publication:2014
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2014/12/18
GND Keyword:Fallada, Hans; Breitbach, Joseph; Vereinbarkeit von Familie und Beruf <Motiv>; Gender <Soziale Rolle>; Männlichkeit <Motiv>
Page Number:21
First Page:177
Last Page:197
HeBIS-PPN:385092849
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
BDSL-Klassifikation:03.00.00 Literaturwissenschaft / BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.14.00 Literatursoziologie
17.00.00 20. Jahrhundert (1914-1945) / BDSL-Klassifikation: 17.00.00 20. Jahrhundert (1914-1945) > 17.17.00 Stoffe. Motive. Themen
Sammlungen:Germanistik / GindokWeimar
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht