Einfluss der Proteinflexibilität auf die Identifikation neuer Antagonisten für die GlycinB-Bindungsstelle des NMDA-Rezeptors

The impact of protein flexibility on the identification of novel antagonists for the GlycineB binding site of the NMDA receptor

  • Die Identifizierung neuartiger Verbindungsklassen für ein pharmakologisches Zielsystem ist eine fordernde Aufgabe für die frühe präklinische Forschung, insbesondere wenn bereits vorherige umfangreiche Studien durchgeführt und viele Leitstrukturserien gefunden wurden. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass Scaffold Hopping durch Methoden des Virtual Screenings auch für Systeme möglich ist, für die bereits eine Vielzahl von Referenzsubstanzen beschrieben ist und somit wenig freier chemischer Raum für Innovation zur Verfügung steht. Als Beispielsystem wurde die GlycinB-Bindungsstelle der NR1-Untereinheit des NMDA-Rezeptors betrachtet. Verschiedene zwei- und dreidimensionale Techniken des Virtual Screenings wurden einer umfangreichen retrospektiven Validierung unterworfen. Zur Durchführung der prospektiven Virtual-Screening-Studie wurde eine automatisierte in silico Plattform entwickelt, die 8,9 Millionen käufliche Substanzen aus 46 Substanzkatalogen von 33 verschiedenen Anbietern sammelte, um etwa 5 Millionen unterschiedliche Moleküle in zweidimensionaler Darstellung aufzuarbeiten. Diese Menge an Substanzen stellt den größten Teil der zurzeit kommerziell verfügbaren chemischen Verbindungen, also den „verfügbaren chemischen Raum“ dar. Anhand der retrospektiv validierten Virtual Screening Techniken konnten in einer prospektiven Suche 21 GlycinB-Antagonisten mit neuartigen, d.h. für GlycinB noch unbeschriebenen Scaffolds gefunden werden. Ausgehend von drei dieser Virtual Screening Hits wurden 53 weitere Verbindungen mit insgesamt fünf unterschiedlichen neuartigen Scaffolds und einem gemeinsamen Azo-Motiv identifiziert. Die Struktur-Wirkungsbeziehungen dieser fünf chemischen Serien wurden charakterisiert. Das Ergebnis dieser Arbeit zeigt eindeutig, dass es lohnend ist, alle vorhandenen Methoden auszuschöpfen, da sich die validierten Methoden komplementär zueinander verhielten und kein Virtual Screening Hit von mehr als einer Technik gefunden wurde. Die Flexibilität von Proteinen als Antwort auf die Bindung unterschiedlicher Liganden stellt ein bislang ungelöstes chemieinformatisches Problem dar, welches auch grundlegende pharmakologische Bedeutung hat. So verursachen z.B. bei NMDA/GlycinB agonistische Liganden eine Konformationsänderung des Rezeptors. Diese ruft dann eine direkte funktionale Antwort in Form der Öffnung des Ionenkanals hervor. Auch der Bindungsmodus der Antagonisten von GlycinB ist trotz Vorhandenseins von zwei Kristallstrukturen und mehreren Hundert zum Teil hochaffiner Referenzstrukturen zum großen Teil ungeklärt. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde ein auf Moleküldynamiksimulationen basierendes Verfahren entwickelt, welches flexible Aminosäurereste im Rezeptor und damit induzierbare Bewegungen des Proteinrückgrates bestimmt. Die so identifizierten Reste wurden dann in einem erweiterten Verfahren des Induced-Fit-Dockings als explizit flexibel betrachtet. Hierdurch war die Berechnung verschiedener Bindungsmodi von Antagonisten möglich, die aufgrund ihrer Form und Größe nicht in die verfügbaren Kristallstrukturen von GlycinB passten. Diese benötigten somit einen Induced-Fit-Effekt des Rezeptors, um eine Bindung einzugehen. Für die im ersten Teil dieser Arbeit identifizierten Azo-Liganden wurde auf Basis dieser Methode ein gemeinsamer Bindungsmodus vorgeschlagen. Ebenso konnte anhand der Methodik eine Aussage über die funktionale Auswirkung der Proteinflexibilität beim Übergang vom antagonistischen zum agonistischen Rezeptorzustand von GlycinB getroffen werden. Ein großes Problem aktueller Dockingverfahren ist die mangelnde Verfügbarkeit von Scoringfunktionen, welche die tatsächliche biologische Bindungsaffinität eines Liganden berechnen. Hier wurde ein Verfahren für das Zielsystem GlycinB gezeigt, welches aufgrund der Berechnung des thermodynamischen Entropie- und Enthalpiegewinns durch Verdrängung von hydrophob eingeschlossenen Wasser aus der Bindungsstelle durch den Liganden eine Aussage über dessen zu erwartende Bindungsaffinität trifft. Dieses neuartige Scoringsystem wurde auf die im Virtual Screening identifizierten Serie von Azo-Liganden angewandt und verfügte über eine im Vergleich zu klassischen Scoringfunktionen des Molecular Dockings verbesserte Vorhersagekraft der biologischen Bindungsaffinität.
  • The identification of novel compound classes for a biological target system ("scaffold hopping") is a challenging task for early drug discovery, even more when comprehensive studies have been undertaken and many potent lead series have been identified. In this study, it was demonstrated that scaffold hopping applying methods of Virtual Screening is possible also for biological systems for which many reference ligands have been described, leaving little space left for chemical innovation. The GlycineB binding site of the NMDA receptor acted as reference system. An automated in silico platform was developed to compile 8.9 million commercially available chemical compounds out of 46 compound libraries from 33 different suppliers to perform prospective Virtual Screening studies, resulting in approx. 5 million unique structures. This amount of compounds constitutes most of chemicals currently available commercially, e.g. the "accessible chemical space". Using different retrospectively validated methods of Virtual Screening, 21 GlycineB antagonists could be identified, containing different scaffolds previously undescribed for GlycineB. Based on three the of these initial screening hits, additional 53 compounds with five unique scaffolds could be retrieved and characterised concerning their structure-activity-relationships. The results of this study show it is most worthwhile to apply a portfolio of methods since all methods acted complementary: no screening hit was identified by more than one method. Protein flexibility as an answer to the binding of different ligands constitutes a majorly unresolved problem for cheminformatics. In NMDA/GlycineB, agonists induce a change in receptor conformation, resulting in the opening of the ion channel as a functional answer. The binding mode of nearly all antagonists is unclear for the most part even though two x-ray crystal structures and hundreds of higly affine ligands are published. In the second part of this study, a method based on molecular dynamics simulation was established to identify potential flexible amino acid residues in the receptor and thus inducable motions of the protein backbone. These amino acids were then regarded to be explicitly flexible during an enhanced induced fit docking protocol. Hereby, the computational binding of antagonists previously unable to fit within the available receptor x-ray crystal structures was facilitated. These ligands require an induced fit of the receptor to bind. A binding mode was proposed for the novel antagonists identified in the first part of this study. Also, a hypothesis was proposed for the functionality of protein flexibility for the transition state between antagonistic and agonistic receptor conformation of NMDA/GlycineB. Scoring functions which calculate the actual biological binding affinity of a ligand to a receptor are subject of many current scientific studies. A method was demonstrated for GlycineB which predicts the expected binding affinity based on entropic and enthalpic energy resulting from displacement of hydrophobically enclosed waters. This scoring function was applied to the series of ligands identified from Virtual Screening, resulting in an improved prediction of binding affinity compared to currently available scoring functions.

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Metadaten
Author:Björn Krüger
URN:urn:nbn:de:hebis:30-71085
Referee:Gisbert SchneiderORCiDGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2009/10/14
Year of first Publication:2009
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2009/09/18
Release Date:2009/10/14
Tag:Induced Fit; Moleküldynamiksimulation; Proteinflexibilität; Scaffold Hopping; Virtual Screening
Induced Fit; Molecular dynamic simulation; Protein flexibility; Scaffold Hopping; Virtual Screening
GND Keyword:NMDA-Antagonist; NMDA-Rezeptor; NMDA; Docking; Docking protein
HeBIS-PPN:216680883
Institutes:Biowissenschaften / Biowissenschaften
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 57 Biowissenschaften; Biologie / 570 Biowissenschaften; Biologie
Sammlungen:Sammlung Biologie / Biologische Hochschulschriften (Goethe-Universität)
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht