Untersuchung zur verkehrsmedizinischen Relevanz der Antidepressiva der neueren Generation : Auswertung der aktuellen wissenschaftlichen Literatur

  • In dieser Arbeit werden die Antidepressiva der neueren Generation im Hinblick auf ihre Relevanz für den Straßenverkehr untersucht. Die Notwendigkeit der Arbeit ergab sich dadurch, dass trotz der relativ guten Verträglichkeit der neuen Antidepressiva wenig Wissen über ihre mögliche Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit von Verkehrsteilnehmern vorhanden ist. Der rechtsmedizinische Gutachter wird bei Verkehrsdelikten jedoch aufgefordert, den möglichen Einfluß von Medikamenten auf die Fahrtüchtigkeit aufgrund wissenschaftlicher Fakten darzulegen. Seine Beurteilung hat wesentliche strafrechtliche und versicherungsrechtliche Konsequenzen. Die juristischen Voraussetzungen für die Teilnahme am Straßenverkehr und die Anforderungen an die Verkehrsteilnehmer in der heutigen Verkehrssituation werden in der Einleitung der Arbeit erörtert. Die Problemstellung beinhaltet nicht nur die Darlegung der komplexen, von vielen Komponenten abhängigen Beurteilungslage der sachverständigen Rechtsmediziner, sondern auch die Beschreibung der vielfältigen kognitiven und psychomotorischen Leistungsanforderungen an die Kraftfahrer. Hinzu kommt die schwierige, aber geforderte, Selbstbeurteilung der Fahrtüchtigkeit durch die Verkehrsteilnehmer, die in einer eigenen Befragung von 100 Patienten untersucht und erörtert wurde. Die angeführte Routineerhebung des Instituts für forensische Toxikologie der Universität Frankfurt gibt Auskunft über die Häufigkeit des Vorkommens und über die Blutkonzentrationen von neuen Antidepressiva. Die grundsätzliche Wirkungsweise der einzelnen Antidepressiva wurde beschrieben. Diese werden in 4 große Gruppen mit verschiedenen biochemischen Reaktionen unterteilt: SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer), SNARI (Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer), SNRI (Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) und NASSA (Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva). Die einzelnen Medikamente dieser Gruppen werden detailliert nach folgenden Kriterien untersucht: der biochemischen Wirkung, mit ihren möglichen verkehrsrelevanten Nebenwirkungen, ihren Interaktionen mit anderen Medikamenten und nach ihrer Bearbeitung in Studien zur Verkehrsrelevanz in der neueren internationalen wissenschaftlichen Literatur. In der eigenen Erhebung wird der Frage nach den Nebenwirkungen der Antidepressiva in der Praxis und und der Frage der Selbstbeurteilung der Patienten über ihre Fahrtüchtigkeit nachgegangen. Die aufgezeigte Routine des Instituts für forensische Toxikologie gibt über die bei Blutkontrollen gefundenen Präparate und deren Blutspiegel Auskunft. Bei den neueren Antidepressiva mit Aunahme von dem NASSA Mirtazapin wird von den Pharmafirmen angegeben, dass sie die Fahrtüchtigkeit in der Regel nicht beeinflussen. (Ausnahmen behalten sich die Pharmafirmen immer vor). In Tests wurde jedoch durchaus bei den SSRIs Citalopram, Fluoxetin und Paroxetin eine Beeinträchtigung der Langzeitvigilanz und des Gedächtnisses gefunden, die auf die serotonerge Stimulation zurückzuführen sind. Ob hierdurch in der realen Fahrsituation die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt ist oder Defizite kompensiert werden können, ist eine offene Frage. In der eigenen Untersuchung wurde hierzu festgestellt, dass Patienten durchaus über fraglich verkehrsrelevante Nebenwirkungen klagten, aber der Meinung waren, ihre Fahrtüchtigkeit sei nicht beeinträchtigt, weswegen sie sich ans Steuer setzten. Es zeigte sich, dass es nur wenige Studien gibt, die die einzelnen Medikamente in Bezug auf ihre Verkehrsrelevanz testeten. Es wurden überwiegend die kognitiven und psychomotorischen Leistungen unter Einnahme der Medikamente durch computergestützte Tests untersucht. Es gibt noch keine Studien von Antidepressiva an einem Fahrsimulator mit Einspielung von möglichen akuten Ereignissen im Straßenverkehr. Der Fahrtest auf der Strasse, bei dem die laterale Abweichung von einer Ideallinie gemessen wird, korreliert nicht mit den Studiotests. Auch korreliert eine subjektiv empfundene Müdigkeit nicht mit den computergestützten Tests. Die Aussagen über die Fahrtüchtigkeit unter Medikamenten werden überwiegend nach den Testergebnissen über kognitive und psychomotorische Beeinflussungen durch die Medikamente getroffen. Alle diese Tests sind nicht sensitiv genug, um die reale Situation im Straßenverkehr zu erfassen, geben jedoch Hinweise auf die Wirkungsweise der Medikamente. Daraus ist die äußerst schwierige Situation für den begutachtenden Sachverständigen zu erkennen. Es gibt keine generellen Grenzwerte der Blutkonzentrationen der verschiednen Medikamente, bei denen, wie bei Alkohol, eine Fahruntüchtigkeit vorliegt. Die Einzelfallbeurteilung ist unumgänglich. Hierbei müssen diverse personenbezogenen Faktoren, die für die Teilnahme im Straßenverkehr wichtig sind, erfasst werden. In der Diskussion werden diese Faktoren erörtert und aufgelistet. Diese müssen in Beziehung gesetzt werden zu den möglichen Nebenwirkungen der Medikamente. Andererseits muß auch berücksichtigt werden, dass durch die Medikamente eine Fahrtüchtigkeit wiederhergestellt werden kann, die durch die Grunderkrankung infrage gestellt war. Diese Arbeit soll dem Rechtsmediziner wissenschaftlich fundierte Fakten liefern, die er für eine Begutachtung verwerten kann.
  • This thesis presents a study about the new generation of antidepressants and their relevance for safety in road traffic. Despite the fact that these new antidepressants are quite ageeable for most patients, little is known about their impact on the ability to operate a vehicle. In the case of a traffic offences the forensic medical expert will nevertheless be asked to explain the possible impact of medical drugs on driving ability based on scientific facts. Their assessment will have major consequences for the prosecution and on how insurance companies will handle the case. The legal requirements fir being considered fit to drive and the consequent demands placed on road users will be discussed in the preamble of this thesis. The scope of the problem includes not only the analysis of the complex legal situation in which the forensic medical experts find themselves but also a description of the various cognitive and psychomotor requirements a motorist must be able to perform to be considered fit to drive. In addition we need to look at the difficult, but necessary self evaluation of fitness to drive as reported by the road users themselves. This thesis presents and discusses the results of an original survey amongst 100 patients performed by the author. The cited routine survey performed by the Institute for Forensic Toxicology at the University of Frankfurt/Main provides information about the new generation of antidepressants regarding their frequency of occurrence and their traceability in terms of concentrations. The basic pharmacological effect of the individual antidepressants is described. They will be divided into four major groups according to their different bio-chemical reactions: SSRIs ( selective serotonin re-uptake inhibitors) SNARIs ( selective noradrenaline re-uptake inhibitors) SNRIs ( selective serotonin noradrenaline re-uptake inhibitors) NASSAs (nor-adrenergic and specific serotonergic antidepressants ). The individual drugs in these categories are examined in detail according to the following criteria: · Their biochemical effect, including possible side effects that might influence fitness to drive · their interactions with other medications · according to the results of current studies regarding antidepressants and driving published in international scientific literature. The author’s own survey explores the side effects of antidepressants in everyday life and the issue of the patients’ self- evaluation of their fitness to drive. The statistical survey cited by the Institute for Forensic Toxicology pinpoints the type and frequency of medications and their concentration as found in routine blood tests. The pharmaceutical producers state that the new generation of antidepressants, with the exception of NASSA Mirtazapin, will usually not influence the patients fitness to drive (the pharmaceutical companies reserve the opinion that there may be exceptions). Studies, however, have found that SSRIs Citalopram, Fluotexine and Paroxetine care impair long-term vigilance and memory. This can be ascribed to serotonegic stimulation. Whether this impacts the fitness to drive under real driving conditions or whether these deficits can be compensated for, remains an open question. The author’s survey observes that the patients were complaining about general side effects that could impair their fitness to drive. Yet the patients felt that they were fit to drive and actually continued to do so. It became clear that only few studies have been conducted so far that actually tested individual antidepressants in relation to their effect on the fitness to drive. Predominantly these studies examine the cognitive and psychomotor performance through computer based tests. There are no studies testing antidepressants using a driving simulator, which would present the patient with realistic acute traffic situations. A driving test measuring the standard deviation from an ideal lateral position performed on an actual street does not correlate with tests in a laboratory setting. Nor does a subjectively reported feeling of fatigue correlate with objective computerbased tests. The statements about fitness to drive under the influence of medications are predominantly derived from test results about the cognitive and psychomotor effects of these medications. None of these tests are sensitive enough to cover a real situation on the road although they can be indicators for the general effects these drugs may display. Therefore the forensic medical expert is faced with a very challenging situation. General guidelines regarding a critical level in the blood concentration do not exist for medications that could impair the fitness to drive in the way that there is for alcohol. A case-by-case evaluation is necessary. We need to conside a number of factors, also related to the individual person, which contribute to them being considered fit to drive. The discussion section will list and elaborate on these factors. These factors need to be correlated with the possible side effects of the individual antidepressant. On the other hand we need bear in mind that the ability to drive may very well have been restored after having been impaired by the underlying illness. This thesis aims to provide the forensic medical expert with scientifically based facts that they may use in an assessment procedure.

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Metadaten
Author:Susanne Drissler
URN:urn:nbn:de:hebis:30-40641
Place of publication:Frankfurt am Main
Referee:Gerold Kauert, Stefan Harder
Advisor:Gerold Kauert
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2010/01/28
Year of first Publication:2006
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2006/12/14
Release Date:2010/01/28
Page Number:115
First Page:1
Last Page:106
HeBIS-PPN:222487755
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht