Der Textanfang als kosmologischer Entwurf : die Motive des Musenanrufs und des Waldes

  • Daß die Einheit eines erzählerischen oder dramatischen Textes nicht nur in der durchgehenden Handlung, in seiner Fabel oder, Aristotelisch gesagt, im "Mythos" verankert ist, sondern mindestens ebensosehr von den vielfachen Querverweisen motivischer oder metaphorischer Art getragen wird, dürfte einleuchtend sein. So sind es gerade die Wiederholungen, Verkehrungen und Verschiebungen von Motiven, die die Teile eines Dramas, eines Romans, einer Erzählung entgegen der einsinnigen Richtung von Spiel-, Lese- und Erzählzeit miteinander verknüpfen und in "wiederholten Spiegelungen" des Anfangs im Ende, des Endes im Anfang usf. eine Konfiguration1 entstehen lassen, die aus dem Fluß des Erzählens allererst einen "Text" im etymologischen Sinne, als Gewebe, Geflecht, Gefüge macht. In den "Wahlverwandtschaften" hat Goethe den Aufbau des Ganzen durch das Ineinander der Teile im Bild des "roten Fadens" bezeichnet, den man aus den Tauen der englischen Flotte "nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen". Dennoch kommt dem Anfang eines Textes besondere Bedeutung zu. Gerade wenn der Text als Konfiguration ein "Ganzes" ausmacht, das sich mithin nach seiner artistischen Seite von der empirischen Umwelt unterscheidet, indem es selbst eine "Welt" bildet, übernimmt der Anfang die Funktion einer Grenze, an der die empirische und die artistisch organisierte Welt aufeinandertreffen [...] Eine Untersuchung der Motivik des Anfangs könnte wechselseitig die verschiedenen Motive und die Struktur der Texte aufklären. Die ersteren, insofern sich im Vergleich sowohl der unterschiedlichen Verwendungsweise eines einzigen wie auch verschiedener Motive an exponierter Stelle ihre inneren Möglichkeiten aufschließen; die letzteren insofern, als die mikrologische Untersuchung des Textbeginns Licht auf das Ganze werfen kann. Im folgenden werden daher zwei Motive auf ihre Verwendungsweise am Textbeginn hin untersucht: der Musenanruf am Beispiel Homers und der Wald bei Dante, Wieland, Tieck, Stifter und Eichendorff.

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Metadaten
Author:Michael MandelartzGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30-102450
URL:http://www.kisc.meiji.ac.jp/~mmandel/textanfang.html
ISSN:0014-2328
ISSN:0014-1228
Document Type:Article
Language:German
Date of Publication (online):2011/05/05
Year of first Publication:1993
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2011/05/05
GND Keyword:Motiv; Metapher; Dante <Alighieri>; Tieck, Ludwig; Stifter, Adalbert; Eichendorff, Joseph von
Page Number:16
First Page:1
Last Page:16
Note:
Erschienen in: Euphorion, 87.1993, Nr. 4, S. 420-427
HeBIS-PPN:308348125
Institutes:keine Angabe Fachbereich / Extern
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
Germanistik / GindokWeimar
BDSL-Klassifikation:05.00.00 Deutsche Literaturgeschichte / BDSL-Klassifikation: 05.00.00 Deutsche Literaturgeschichte > 05.11.00 Stoffe. Motive. Themen
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