Interaktionen zwischen Phenprocoumon beziehungsweise Acenocoumarol und dem direkten Thrombinhemmer Argatroban : eine Phase-I-Studie an Probanden

Drug-drug interactions between phenprocoumon or acenocoumarol and the direct thrombininhibitor argatroban : a clinical phase-I trial with healthy volunteers

  • In dieser klinischen Phase I-Studie an 39 gesunden, männlichen Probanden im Alter zwischen 18 und 45 Jahren wurde die Fragestellung untersucht, wie ein Übergang von intravenöser Blutgerinnungshemmung mit dem direkten Thrombinhemmer Argatroban und den oralen Antikoagulantien Phenprocoumon und Acenocoumarol in der klinischen Praxis zu kontrollieren ist. Bei den bisher verwendeten Laboruntersuchungen, wie der aPTT existieren Interaktionen zwischen Argatroban und oraler Antikoagulation, welche nicht notwendigerweise die wirkliche in vivo Situation reflektieren, was durch eine ex vivo-in vitro-Interferenz des Gerinnungsassays verursacht wird. APTT Reagenzien aktivieren die intrinsische Gerinnungskaskade zu einem sehr frühen Zeitpunkt (gleich zu Beginn derselben bei Faktor XI). Dadurch werden die Interaktionen zwischen der oralen Antikoagulation und den Rückkopplungsmechanismen zwischen beiden Gerinnungswegen, welche durch die orale Antikoagulation teilweise erschöpft sind, begreifbar. Ebenso wurde die Interaktion zwischen anderen direkten Thrombinhemmern und der oralen Antikoagulation am Beispiel Napsagatran mit Warfarin beschrieben 35: Die Gabe von Napsagatran alleine führte zur Erhöhung von aPTT und Prothrombinzeit (PT), die zusätzliche Einmaldosis Warfarin erhöhte die AUEC (Fläche unter der Effekt-Kurve) für die PT zusätzlich um das vierfache und für die aPTT um 45%. Obwohl die PT unter dem Einfluss direkter Thrombinhemmer verlängert ist, wird sie nicht als Parameter des Monitorings der Wirkung therapeutischer Dosierungen von Argatroban und anderen direkten Thrombinhemmern bei der Thrombosephrophylaxe und Behandlung tiefer Beinvenethrombosen empfohlen 39. Die aPTT wird hingegen, neben ihrem Einsatz zur Überwachung der klinischen Therapie direkter Thrombinhemmer 40,41, auch als pharmakodynamischer Schlüsselparameter in Phase-I-Studien derselben eingesetzt 42,43. Da jedoch höhere Konzentrationen der Thrombinhemmer die aPTT-Werte für die Kalibrierung verändern und darüber hinaus verschiedene aPTT-Reagenzien mit unterschiedlicher Empfindlichkeit gegenüber den Thrombinhemmern angeboten werden, ist die aPTT nicht der ideale Parameter zur Überwachung der Wirkung direkter Thrombinhemmer. Die ECT ist hierfür wesentlich spezifischer 40,41. Dennoch werden validierte ECT-Assays nicht kommerziell vertrieben, was deren Einsatz in der Klinik bisher unmöglich macht. Insofern ist es notwendig geworden, eine Empfehlung für den Übergang von intravenöser auf orale Antikoagulation mit dem bisherigen Instrument der INR zu finden. Auch wenn dies aus den o.g. Gründen nicht optimal ist, mag es zulässig sein, die Nomogramme für Acenocoumarol und Phenprocoumon in einfache Regeln zu übersetzen, ohne daß ein Sicherheitsproblem in der Klinik entsteht. Vorausgesetzt, ein Vorhersagefehler von <± 0,6 wird als annehmbar akzeptiert, 35 so erlaubt das Nomogramm für Phenprocoumon und Acenocoumarol eine valide Vorhersage der realen Gerinnungsverhältnisse bis zu einer Dosis von 2,0 µg/kg/min unter Verwendung eines ISI von 1-2. Derzeitige Richtlinien für die Hepariniserung nach tiefer Beinvenenthrombose 47 erlauben den Stopp der Infusionstherapie mit niedermolekularen Heparinen (bei gleichzeitiger Gabe einer oralen Antikoagluation), wenn der INR wenigstens 2,0 erreicht hat. Um den Übergang von Argatroban zu einer oralen Antikoagulation zu vereinfachen, wird eine Regel für die Berechnung der "wahren" INR während der Übergangsperiode vorgeschlagen: 1. Die Argatrobaninfusion kann eingestellt werden, wenn unter gleichzeitiger oraler Antikoagulation die INR für einen angemessenen Zeitraum der Komedikation bei 4,0 angekommen ist. Das gilt für einen ISI des PT-Reagens von 1-2. Die reale INR befindet sich dann im therapeutischen Bereich zwischen 2,2 und 3,7. 2. aPTT-Ergebnisse unter Argatroban und beginnender oraler Antikoagulation müssen um 5-15 Sekunden verkürzt abgelesen werden. Die Verlängerung der aPTT während des Übergangs von Argatroban auf die oraler Antikoagulation sollten nicht zu einer Unterbrechung bzw. Dosiserniedrigung der Argatroban-Infusion während dieses Zeitraums führen. Prinzipiell sollte die Dosis von Argatroban während der Übergangszeit auf die orale Antikoagulation bei 1-2 µg/kg/min fixiert werden. Genauso wie bei Hirudin 48 sollte die ECT, wenn klinisch angezeigt, zur Überwachung der direkten Argatroban-Effekte auf die Gerinnung benutzt und hierbei der aPTT als Alternative vorgezogen werden. Das gilt sowohl für die Anwendung von Argatroban alleine als auch die Kombination mit oralen Antikoagulanzien. Wie bereits oben erwähnt steht die ECT als validierte Messmethode für die Klinik bisher jedoch nicht zur Verfügung. Die Blutungszeit war in dieser Untersuchung in der Periode der Umstellung von Argatroban auf orale Antikoagulation nicht wesentlich verlängert, so daß für Patienten keine zusätzliche Blutungsgefahr entstanden ist. Einschränkend ist dennoch zu bemerken, daß obwohl in den erwähnten Phase-I-Untersuchungen an gesunden Probanden keine größeren Blutungsereignisse aufgetreten sind, bei Patienten durchaus ein erhöhte Blutungsgefährdung bei einer INR von > 3,0 bestehen kann. Dies ist in der Praxis aufmerksam zu kontrollieren. Argatroban ist also für HIT Typ II-Patienten, die unter klinischen Bedingungen antikoaguliert werden müssen, eine gut steuerbare Alternative, bei welcher auch die anschließende Umstellung auf orale Antikoagulation kontrolliert sicher handhabbar ist.
  • This clinical phase I - study with 39 healthy male volunteers was performed to evaluate the safety and efficacy of an intravenous anticoagulation with the direct thrombin inhibitor argatroban. The study was designed to simulate different situations in a clinical setting where a transition from intravenous to oral anticoagulation is needed. We investigated healthy subjects with either three different doses argatroban alone or in combination with the oral anticoagulants acenocoumarol and phenprocoumon. A comparison of INR, aPTT, ECT and bleeding time was performed in order to find a suitable solution for the clinical monitoring of the anticoagulation effects of the described drugs. As a main result of the study the regression analysis allows the differentiation between argatroban doses and the ISI of the PT-reagent as well as the used oral anticoagulants. Thus we could use the nomogram for a certain argatroban dosage of either 1,2 or 3 µg/kg/min and the ISI of the inhouse laboratory to conclude from the in vivo assessed INR to the 'real' INR value and control therapy in patients. But a complicated method might not be useful in practice. Therefore it can be more suitable to translate the nomograms of acenocoumarol and phenprocoumon into general rules, without creating a safety problem. Assuming that a prediction error of < ± 0.6 is acceptable, the nomograms of acenocoumarol and phenprocoumon allow a prediction of the real coagulation conditions up to a dose of 2.0 µg/kg/min, if an ISI of 1-2 of the PT-reagent is used. Actual guidelines describe a stop of the infusion therapy with heparines, if the INR has reached 2.0. Yet we do propose an easy-to-use and safe rule for the calculation of the 'real' INR for the transition from argatroban to oral anticoagulation : 1. The i.v. application of argatroban can be stopped, if under simultaneous oral anticoagulation INR has reached 4.0 for an appropriate period. This applies to an ISI of 1-2 of the PT reagent. In this case the real INR will be in between 2.2 and 3.7. 2. The clinician has to subtract 5-15 seconds from the aPTT-results under argatroban and beginning oral anticoagulation. This leads to the conclusion that a prolongation of the aPTT during the transition from argatroban to oral anticoagulation should not lead to an interuption or dose reduction of the argatroban infusion in this period. Generally the dose of argatroban should be fixed to 1-2 µg/kg/min during the transition period. As well as with hirudin, the ecarin clotting time should be, if clinically indicated, preferably used for the monitoring of the direct argatroban effects on coagulation. In this case the aPTT does not deliver exact results, which might be as well needed in high risk patients. This applies to either the use of argatroban alone or its coadministration with oral anticoagulants.

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Metadaten
Author:Nils von HentigORCiDGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30-0000005061
Referee:Sebastian HarderGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2005/02/03
Year of first Publication:2004
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2004/12/17
Release Date:2005/02/03
Tag:Acenocoumarol; Argatroban; Interaktion; Phenprocoumon; direkter Thrombinhemmer
acenocoumarol; argatroban; direct thrombininhibitor; drug-drug interaction; phenprocoumon
GND Keyword:Kontrollierte klinische Studie; Thrombin; Blutgerinnungshemmung
HeBIS-PPN:126274916
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht