Zusammenfassung:
Diese Dissertation verfolgt das übergeordnete Ziel, ein umfassendes wissenschaftliches Bild über
psychologische Auffälligkeiten, Behandlungsmethoden und den Hilfebedarf von jungen
Geflüchteten zu geben um daraus fundierte Hinweise für die gezielte Entwicklung von Präventionund
Interventionsmaßnahmen abzuleiten.
Zunächst wurden mittels eines systematischen Reviews und einer Meta-Analyse die
Prävalenzraten für PTSD und Depression unter Geflüchteten in Deutschland untersucht (Studie
I). Die berechneten Prävalenzraten überstiegen die der Allgemeinbevölkerung um ein Vielfaches.
Die hohe Heterogenität der einzelnen Studienergebnisse ließ zudem auf das Vorliegen
unterschiedlich stark belasteter Subgruppen schließen. Es wurden deshalb in einer weiteren
Studie aktuelle Prävalenzen von Depressivität und allgemeiner psychischer Belastung zwischen
unbegleiteten und begleiteten minderjährigen Geflüchteten in Deutschland miteinander
verglichen (Studie III). Die Ergebnisse belegen, dass unbegleitete minderjährige Geflüchtete
(unaccompanied refugee minors; URM) eine Hochrisikogruppe für die Entwicklung psychischer
Erkrankungen darstellen und daher besondere klinische Beachtung erfahren sollten. Um ein
fundiertes Bild über die relevanten Prädiktoren mentaler Belastung von URM zu erhalten, wurde
ein umfassendes systematisches Review erstellt (Studie II). Hierbei wurden die Faktoren Anzahl
erlebter Belastungen, Geschlecht, soziale Unterstützung, Wohnsituation, Familienkontakt und
kulturelle Kompetenzen als relevante Prädiktoren identifiziert. Im Anschluss an die systematische
Übersichtsarbeit wurde eine weitere Studie zu relevanten Einflussfaktoren psychischer Belastung
bei URM auf Basis einer großen Stichprobe in Deutschland durchgeführt (Studie III). Hierfür
wurde erstmals ein Screeningfragebogen angewandt, welcher auf den in Studie II identifizierten
Prädiktoren basierte. Die Ergebnisse betonen die zentrale Rolle regelmäßigen Familienkontakts,
des Schulbesuchs und Spracherwerbs, sowie der raschen Bearbeitung von Asylanträgen
hinsichtlich der Prävention psychischer Erkrankungen bei URM. Trotz des hohen therapeutischen
Bedarfs erscheint der Zugang zur Gesundheitsversorgung für Geflüchtete erheblich erschwert. In
diesem Zusammenhang untersuchten wir ein kultursensibles gestuftes Versorgungsmodel
(stepped care model; SCM) im Rahmen einer multizentrischen randomisiert kontrollierten
Therapiestudie (Studie IV). Die Ergebnisse weisen auf eine höhere Kosteneffizenz des SCM bei
vergleichbarer Effektivität zur Regelversorgung hin. Zudem liefern die Analysen der einzelnen
Versorgungsstufen Hinweise zur Optimierung der psychologischen Versorgung, beispielsweise
durch den Einsatz niederschwelliger, smartphone-basierter Interventionen.