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Titel:Neuropsychologische Testung des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses mittels Blockspanne - strukturelle Korrelate in der MR-Morphometrie
Autor:Eckstein, Christian
Weitere Beteiligte: Nenadić, Igor (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2021
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2022/0139
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2022-01395
DOI: https://doi.org/10.17192/z2022.0139
DDC:610 Medizin
Publikationsdatum:2022-02-17
Lizenz:https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0

Dokument

Schlagwörter:
Cortical Thickness, Gyrifizierung, Gyrification, Blockspanne, Morphometry, Kortikale Dicke, Block Tapping Test, Fractional Anisotropy, Arbeitsgedächtnis, Morphometrie, Fraktionelle Anisotropie, Working Memory

Zusammenfassung:
Das Arbeitsgedächtnis dient der Verarbeitung, Verknüpfung und Manipulation von Gedächtnisinhalten und ist essentiell für komplexe kognitive Fähigkeiten. Pathologische Einflüsse, wie Hirnläsionen oder verschiedene Erkrankungen, führen zu einer reduzierten Arbeitsgedächtnisleistung. Doch auch innerhalb einer gesunden Stichprobe lassen sich große Leistungsunterschiede feststellen. Die vorliegende Arbeit untersuchte, ob strukturelle Unterschiede im Gehirn gesunder Probanden interindividuelle Unterschiede der visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisleistung erklären können. 681 gesunde Probanden wurde in die Studie eingeschlossen. Sie erhielten eine neuropsychologische Testung ihres visuellräumlichen Arbeitsgedächtnisses und eine MRT-Untersuchung des Gehirns. Mittels MR-Morphometrie erfolgte die Auswertung von GMV, kortikaler Dicke, Gyrifizierung und FA. Die Beurteilung der visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisleistung erfolgte mittels Blockspanne rückwärts. Als Grundlage zur Einordnung der Befunde diente ein Arbeitsgedächtnismodell, das moderne neurowissenschaftliche Erkenntnisse mit dem erweiterten Mehrkomponentenmodell von Baddeley verknüpft. GMV und Gyrifizierung korrelierten lediglich in explorativen Analysen ohne Korrektur für multiple Vergleiche mit der Arbeitsgedächtnisleistung. Die Lokalisation dieser Effekte scheint plausibel, allerdings können sie auf Grund der geringen Effektstärke nicht als relevant eingestuft werden. Ein dünnerer Cortex korrelierte in frontalen, parietalen und occipitalen Hirnarealen beider Hemisphären signifikant mit bessere Arbeitsgedächtnisleistung. Unter Berücksichtigung der altersabhängigen dynamischen Veränderung der Cortexstruktur, lässt sich der Zusammenhang sinnvoll erklären. Die Effekte sind mit bisherigen Daten vereinbar und lassen sich schlüssig mit dem Arbeitsgedächtnismodell verknüpfen. Die FA korrelierte in drei Hirnarealen signifikant positiv mit der visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisleistung. Die Befunde sind in Trakten lokalisiert, die wichtige Schnittstellen zwischen den Komponenten des Arbeitsgedächtnismodells darstellen. Die Daten sprechen für einen wichtigen Beitrag der Mikrostruktur der weißen Substanz zur Arbeitsgedächtnisleistung. Zukünftige Analysen mit modernen Diffusionsparametern können dazu beitragen, die mikrostrukturellen Unterschiede, die durch die FA nur indirekt abgebildet werden, genauer zu charakterisieren. Die vorliegende Arbeit konnte zeigen, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen Hirnstruktur (kortikale Dicke und FA) und visuell-räumlicher Arbeitsgedächtnisleistung in mehreren Arealen besteht. Inwieweit sich diese Beobachtungen verallgemeinern lassen und auf andere kognitive Fähigkeiten angewendet werden können, sollte in zukünftigen Studien untersucht werden. Wir wissen, dass innerhalb des Cortex und der weißen Substanz lebenslang plastische Anpassungsvorgänge stattfinden. Zelluläre und molekulare Mechanismen der Plastizität sowie eine Vielzahl von Einflussfaktoren sind bislang nur unzureichend erforscht. Sobald wir ein besseres Verständnis für diese Vorgänge entwickelt haben, könnten wir versuchen diese gezielt zu beeinflussen, um in unterschiedlichsten Lebensbereichen kognitive Fähigkeit zu optimieren oder wiederherzustellen. Denkbar wären die Entwicklung optimierter Lern- und Trainingsstrategien oder bessere Rehabilitationsstrategien nach cerebralen Verletzungen.


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