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Titel:Chemische Kodierung der Neurotransmission in den kranialen parasympathischen Ganglien der Ratte während der Ontogenese
Autor:Brett, Christian
Weitere Beteiligte: Weihe, Eberhard, Prof. Dr. med.
Veröffentlicht:2003
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2004/0619
DOI: https://doi.org/10.17192/z2004.0619
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2004-06199
DDC: Medizin
Titel (trans.):chemical coding of the neurotransmission in the cranial parasympathetic ganglia of the rat during ontogenesis
Publikationsdatum:2004-11-25
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
Ganglion sphenopalatinum, Chemical coding, Tränen, Ganglion submandibulare, Ganglion, Ohrspeicheldrüse, Synaptische Transmission, Ganglion ciliare, Unterkieferdrüse, Rat, Neurotransmitter, Ganglion oticum, Parasympathikus, Parasympathetic ganglia, Neurotransmission, Ontogenie, Ontogenesis

Zusammenfassung:
Die chemischen Kodierung der klassischen und peptidergen Neurotransmission kranialer parasympathischer Ganglien der Ratte und deren Dynamik während der Ontogenese ist noch nicht vollständig klar. Hauptziel dieser Arbeit war es daher, mögliche aminerge, serotoninerge, glutamaterge und peptiderge Phänotypen in den cholinergen postganglionären Neuronen der kranialen parasympathischen Ganglien der Ratte über die Zeitachse der Ontogenese vom embryonalen bis zum adulten Stadium aufzuschlüsseln. Dazu wurden immunhistochemische Methoden, wie Fluoreszenz-Doppalmarkierung und konfokale Lasermikroskopie angewandt. Der Nachweis der Expression wesentlicher Komponenten der aminergen Neurotransmission (des vesikulären Monoamintransporters VMAT-2, sowie der Enzyme L-aromatische Aminosäure-Decarboxylase (AADC) und Dopamin-ß-Hydroxylase (DBH)) ergab neue Evidenzen für einen entwicklungsabhängigen partiellen aminergen Phänotyp in den Neuronen des Ganglion oticum, sphenopalatinum und submandibulare. Allerdings war die Tyrosin-Hydroxylase (TH), das ratenlimitierende Enzym der Katecholaminsynthese, in den Neuronen dieser Ganglien während der gesamten Entwicklung nur rudimentär exprimiert. Dagegen stieg die Expression von AADC in dieser Zeit stetig an. DBH war permanent auf hohem Niveau exprimiert. In den Neuronen des Ganglion ciliare hingegen zeigte die TH-Expression vom Embryonalstadium bis zum adulten Stadium einen kontinuierlichen Anstieg. Die Expression von AADC und DBH nahm im Zuge der prä- und postnatalen Entwicklung in den Neuronen des Ganglion ciliare stetig ab. Aus diesen Daten ist zu schliessen, dass eine Noradrenalinsynthese in den Neuronen des Ganglion oticum, sphenopalatinum und submandibulare nur unter der Voraussetzung eines Aufnahmemechanismus für L-DOPA, bzw. Dopamin, wie für die Neurone des Ganglion ciliare beschrieben, in Frage kommt. Andererseits könnte die Synthese von Noradrenalin auch über einen alternativen Stoffwechselweg durch das Enzym Tyrosinase erreicht werden. Als weitere Möglichkeit kommt die Synthese von Spurenaminen, wie z.B. Octopamin durch AADC und DBH in Betracht. Diese kompetitiven Liganden an Adrenorezeptoren mit weit geringerer Bioaktivität als Adrenalin und Noradrenalin könnten im Hinblick auf die Regulierung des zerebralen Blutflusses und der Drüsenaktivität bei Krankheitszuständen wie Kopfschmerz oder Hypersalivation bei Morbus Parkinson von klinisch-pharmakologischer Bedeutung sein. Die Expression von VMAT-2 nahm während der Entwicklung in den Neuronen des Ganglion oticum, sphenopalatinum und submandibulare bis zum adulten Stadium so gut wie vollständig ab. Daher könnte im adulten Stadium im Fall einer Noradrenalinsynthese einerseits eine vesikelgesteuerte Freisetzung von Noradrenalin durch VMAT-2 auf sehr niedrigem Niveau möglich sein. Andererseits kommt eine nicht vesikelgesteuerte Freisetzung des Noradrenalins in Frage. Völlig neu war der Nachweis der Expression der Histamin-Decarboxylase (HDC) in den Neuronen aller vier kranialer parasympathischer Ganglien während der Ontogenese. Daraus ist abzuleiten, dass diese Neurone fähig sind, Histamin zu produzieren. Ob Histamin tatsächlich in den Neuronen synthetisiert und als Transmitter freigesetzt wird, bleibt ungeklärt. Die neuerhobenen Daten zum Expressionmuster der Neuropeptide (Vesikuläres Intestinales Polypeptid (VIP), Neuropeptid Y (NPY), Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), Met5-Enkephalin-Arg6-Gly7-Leu8 (MERGL), Substanz P (SP) ), sowie dem obligaten Vesikulogen Chromogranin A (CgA) in den Neuronen der vier kranialen parasympathischen Ganglien gingen teilweise weit über die in der Literatur bekannten Muster hinaus. So sind klassische sensorische Peptide, wie CGRP und SP, in sehr viel höherem Masse in den Neuronen exprimiert, als bislang beschrieben. Als neue Beobachtung konnte der noradrenerge Phänotyp der Small Intensely Fluorescent Cells (SIF Zellen), der bisher nur in sympathischen Ganglien beschrieben war, erstmals auch in parasympathischen Ganglien aufgeschlüsselt werden. In den SIF Zellen des Ganglion sphenopalatinum waren VMAT-1 und VMAT-2, sowie TH, AADC und DBH exprimiert. Insgesamt wurden in dieser Arbeit neue Phänotypen in den Neuronen der kranialen parasympathischen Ganglien der Ratte nachgewiesen. Die neuerkannte komplexe chemische Kodierung dieser Ganglien mit verschiedenen Transmittersystemen deutet auf eine wesentlich differenziertere Rolle der parasympathischen Neurotransmission hin, als bisher beschrieben. Pathophysiologisch bedeutsam könnte dies z.B. hinsichtlich der Migräne, des Clusterkopfschmerzes, der L-DOPA-Nebenwirkungen bei Parkinsonpatienten, diverser Salivationsstörungen oder der parasympathisch-sensorischen Schmerzkontrolle sein.


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