Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 143

Bibliographische Beschreibung

Bezeichnung
Everger-Lektionar
Entstehungsort
Köln
Entstehungszeit
Zwischen 985 und 999
Beschreibstoff
Pergament
Umfang
158 Blätter
Format
297 mm x 200 mm
Persistenter Identifier
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-14908 Persistent Identifier (URN)
Weitere Angaben
Land
Deutschland
Ort
Köln
Sammlung
Dombibliothek
Signatur
Cod. 143

Überblickbeschreibung

Everger-Lektionar

Das fälschlich als Lektionar bezeichnete Epistolar enthält die Lesungen der Messe, die dem Alten Testament, den Apostelbriefen, der Apostelgeschichte und der Apokalypse entnommen sind. Als Schreiber zahlreicher Briefe fällt vor allem dem Apostel Paulus die Autorschaft des Epistolars zu. Sein Autorenportrait wird daher häufig dieser Textsammlung vorangestellt. Auch in dieser Handschrift gilt ihm und dem Patronatsheiligen Petrus, für dessen Kirche der Codex hergestellt wurde - das Formular seines Festtages ist besonders hervorgehoben (104v) -, die Verehrung des Stifters, des Erzbischofs Everger von Köln (985-999). Auf dem zweiseitigen Devotionsbild (3v-4r) liegt er, in seine liturgische Amtstracht gekleidet, ausgestreckt auf einer blühenden Wiese. Seine Haltung unterscheidet sich von der Proskynese, dem liegenden Knien des byzantinischen Hofzeremoniells. Über die betend vorgestreckten Hände ist der Manipel gelegt. Auf derselben Wiese thronen ihm gegenüber die Apostelfürsten Petrus und Paulus in der Art einer frühchristlichen Disputatio, unterschieden lediglich durch ihre für sie typische Physiognomie und die Gestik. Während Paulus den Stifter zu segnen scheint, weist Petrus über den Bildrahmen hinaus auf Everger hin. Möglicherweise hat er soeben den Manipel überreicht (Schönartz 1985). Die Beischriften erläutern das Geschehen: Während auf der linken Seite der Erzbischof die Apostel um die Befreiung von seinen Sünden bittet, bezeugt in der Umschrift des rechten Bildes das Buch die Stiftung und den dargestellten Vorgang. Konkrete Aussage, die sich vielleicht auch aus der Gestik der handelnden Personen ergibt, und juristische Relevanz dieses ungewöhnlichen Devotionsbildes sind noch unerforscht.

Das Epistolar Evergers steht zusammen mit Dom Hs. 53 und vielleicht mit Dom Hs. 5 (Kat.Nr.41) und dem Gundold-Evangeliar (Stuttgart, Württembergische Landesbibl., Bibl. 40 2) am Anfang der Kölner ottonischen Buchmalerei (Nordenfalk 1971). Trotz vieler Gemeinsamkeiten - z.B. der Vorliebe für Graecismen, die hier fehlerhaft auftreten - unterscheiden sich die Handschriften von ihr in Figuren-, Ornament- und Initialstil, so daß deren Ursprung nicht in dem vielleicht im Kloster St. Pantaleon beheimateten Skriptorium, sondern in der Domschule vermutet wird (Kottje 1991, von Euw 1991). Während die Initialen mit ihren geflochtenen Ranken auf Vorlagen aus Trier und von der frühen Reichenau verweisen, finden Ornamentmotive und Ikonographie ihre Quellen in der Hofschule Karls des Kahlen (840/843-877), wie z.B. in dem zweiseitigen, selbst in der landschaftlichen Gestaltung sehr ähnlichen Devotionsbild im Psalter des späteren Kaisers (München, Schatzkammer der Residenz). Dieses oder ein ähnliches wird auch zitiert im Mainzer Gebetbuch Ottos III. (996-1002) (München, Bayer. Staatsbibl., Clm 30111), so daß letztlich nicht zu entscheiden ist, ob die spätkarolingischen Vorläufer direkt oder über eine frühottonische Vermittlung aufgenommen wurden.

Zustand und Zusammensetzung

Lagenstruktur
Lagen 12, 28+1, 3-98, 108+1, 118, 122+1, 136+2, 14-208, 216+1 ;
Seiteneinrichtung
Schriftspiegel 184 mm x 112 mm ;Blindliniierung mit Marginalspalte am Außenrand ( 50 mm ); einspaltig; 20 Zeilen.

Schrift und Hände

Lateinischer Text in dunkelbrauner frühromanischer Minuskel, rubriziert; Auszeichnungsschriften: Uncialis, Capitalis Rustica; Initialen: Uncialis; im Commune ein- und zweizeilige Anfangsbuchstaben in Minium; 158r Reginhr. (Schreibername?).

Buchschmuck

  • Zu Beginn der Lesungen mehrzeilige Goldinitialen, zu Palmsonntag und Christi Himmelfahrt mit stilisierten Rankenenden, und große Goldinitialen aus geflochtenen Ranken mit violetter Schattierung, silbernen Klammern und Blüten (z.B. 8r); zu den hohen Festen gerahmte Initialzierseiten in Gold und Silber mit großen Goldinitialen aus geflochtenen Ranken mit Klammern und Blüten in Silber, z.T. mit blauer Schattierung und blau unterlegten Schriftzeilen und z.T. mit nachfolgenden gerahmten Schriftzierseiten in Gold und Silber; gerahmte Eingangsminiaturen in Deckfarben mit Gold und Silber.

Einband

Einband: Pergament mit Streicheisenlinien über Pappe (Mitte 18. Jh.).

Geschichte der Handschrift

Provenienz
Im Auftrag von Erzbischof Everger für den Kölner Dom hergestellt (3v-4r); Darmstadt 2138.

Inhaltsangabe

  • 1r-2v Vorsatzblätter aus Pergament.
    • 1r Leer (urspr. aufgeklebt).
    • 1v Alte Signatur Codex 152 .
    • 2r Vermerk des 15. Jhs. von der gleichen Hand wie der Vermerk in Dom Hs. 144 Liber sancti Petri ecclesiae maioris Coloniensis quem Evergerus archiepiscopus dedit. continens Epistolas Pauli [quantum] ad missas per annum .
  • 3v-4r Devotionsbild.
    • 3v Der Stifter Erzbischof Everger liegt vor den auf der gegenüberliegenden Seite dargestellten Apostelfürsten am Boden. Stifterinschrift in Hexametern Nexus alme pater vitiorum/solve potenter./Paule Deo lectus pariter/tu solve reatus./Consequar ut veniam/Xpisto donante supernam. EVERGERUS ARCHIEPISCOPUS (Bloch/Schnitzler I 1967, 13 ;Jacobsen 1991, 187).
    • 4r Thronende Apostelfürsten Petrus und Paulus mit griechischer Bezeichnung ΑΓΙ und im Rahmen umlaufenden Hexametern PRESUL EVERGERUS CUIUS SUM NOMINE SCRIPTUS./HOS VOCAT ESSE SUOS DEVOTA MENTE PATRONOS. (Bloch/Schnitzler I 1967, 13; Jacobsen 1991, 187; MGH PP V, 449, Nr. 23a I/II).
  • 5v-157v Titel: Epistolar (Bloch/Schnitzler I 1967, 17ff.).
    • 5v Titelzierseite zur Lesung der Weihnachtsvigil Incipit: L(ECTIO EPISTOLAE BEATI PAULI APOSTOLI AD ROMANOS).
    • 6r Initialzierseite. Lesung F(RATRES).
    • 6v Initialzierseite mit der Fortsetzung des Textes P(AULUS SERVUS XPISTI IHSU).
    • 7r Textzierseite. Fortsetzung vocatus apostolus - ad obediendum fidei.
    • 8r 3. Weihnachtsmesse M(ULTIFARIAM MULTIS).
    • 60v Palmsonntag h(oc sentite in vobis).
    • 73v Initialzierseite. Ostern E(XPURGATE VETUS FERMENTUM).
    • 74r Ursprünglich scheint keine Initialzierseite vorgesehen gewesen zu sein. Der Text von 73r stand ursprünglich oben auf 74r und wurde ausradiert, als das Einzelblatt mit der Initialzierseite eingefügt und mit dem dann ausradierten Text versehen wurde.
    • 85r Christi Himmelfahrt P(rimum quidem sermonem).
    • 87r Pfingstvigil. Freiraum für eine größere Initiale oder Rubrik, die dann nicht ausgeführt wurde.
    • 88r Initialzierseite. Pfingsten d(UM COMPLERENTUR DIES PENTECOSTES).
    • 104v Fest des hl. Petrus I(n diebus illis. Misit Herodes).
    • 143r Titel: Commune sanctorum.
    • 151r Votivmessen, darunter 153r CONTRA IUDICES MALE AGENTES und 154r CONTRA EPISCOPOS MALAE AGENTES und 156v zum Abschluß zwei Lesungen IN ORDINATIONE PRESBITERORUM .
  • 158r Leer, bis auf eine Federprobe Reginhr. (Schreibername?).

Bibliographie

  • Hartzheim 1752, S. 114ff., 145
  • Jaffé/Wattenbach 1874, S. 60
  • Ehl 1922, S. 48ff.
  • H. Ehl, Zwei Kölner Handschriften als Grundlage der ottonischen Kölner Malerschule, in: RKW 44 (1924), S. 1ff.
  • A. Boeckler, Rez. zu Ehl 1922, in: JKW 2 (1924/25), S. 242ff.
  • J. Prochno, Das Schreiber- und Dedikationsbild in der deutschen Buchmalerei I: Bis zum Ende des 11. Jahrhunderts (800-1100), Leipzig/Berlin 1929, S. 58
  • Kdm Köln 1/III, 1938, S. 391ff., Nr. 4 (Lit.), Abb. 317
  • A. von Euw, Zu den Quellen der ottonischen Kölner Buchmalerei, in: V.H. Elbern (Red.), Das Erste Jahrtausend, Textbd. II, Düsseldorf 1964, S. 1045
  • Bloch/Schnitzler I 1967, S. 13ff. (Lit.) und II 1970, S. 152ff.
  • C. Nordenfalk, Rez. zu Bloch/Schnitzler I 1967 und II 1970, in: Kunstchronik 24 (1971), S. 292ff.
  • Rhein und MaasI 1972, S. 209, Nr.E 15 (J.M. Plotzek)
  • Schulten 1980, S. 21f., Nr. 37
  • Ornamenta 1985, I S. 151f., Nr.B 3 (A. von Euw)
  • Schönartz 1985, S. 37ff.
  • LexMa 4 (1989), Sp. 141 (H. Müller)
  • Vor dem Jahr 1000, 1991, S. 28f., Nr. 1 (A. von Euw)
  • A. von Euw, Die ottonische Kölner Malerschule. Synthese der künstlerischen Strömungen aus West und Ost, in: Theophanu 1991, I S. 251ff.
  • P.C. Jacobsen, Lateinische Dichtung in Köln im 10. und 11. Jahrhundert, in: Theophanu 1991, I S. 187
  • R. Kottje, Schreibstätten und Bibliotheken in Köln Ende des 10. Jahrhunderts, in: Theophanu 1991, I S. 160ff.
  • Handschriftencensus I 1993, S. 656f., Nr. 1107
  • Willibrord 1995, S. 116, Nr. 107.

Quellenangabe

  • Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung. München 1998. S. 385-390 (Ulrike Surmann) [Digitaler Volltext]
Impressum
Herausgeber
Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln
Redaktion
Im Rahmen des DFG-Projekts CEEC bearbeitet von Patrick Sahle; Torsten Schaßan (2000-2004)
 
Bearbeitung im Rahmen des Projekts Migration der CEEC-Altdaten von Marcus Stark; Siegfried Schmidt; Harald Horst; Stefan Spengler; Patrick Dinger; Torsten Schaßan (2017-2019)
Ort
Köln
Datum
2018
URN
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-14908
PURL
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-14908
Lizenzangaben

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