Schneider, Stefan: Ist Laufen Beten? : Spirituelle Dimensionen sportlicher Aktivität und (neuro-)physiologische Dimensionen christlicher Spiritualität. - Bonn, 2013. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-31937
@phdthesis{handle:20.500.11811/5430,
urn: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-31937,
author = {{Stefan Schneider}},
title = {Ist Laufen Beten? : Spirituelle Dimensionen sportlicher Aktivität und (neuro-)physiologische Dimensionen christlicher Spiritualität},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2013,
month = may,

note = {Bedingt durch weit reichende Veränderungen in den Lebens- und Arbeitsbedingungen, dem damit verbundenen Gewinn an Freizeit, aber auch dem Verlust an körperlicher Erwerbstätigkeit, ist in den vergangenen Jahrzehnten eine große und vielfältige Gemeinde aktiv Sport Treibender gewachsen. Im Zentrum dieser Bewegung stand und steht – neben einem Geselligkeitsaspekt – immer noch der Wunsch, präventiv im Sinne der eigenen Gesundheit zu handeln. Darüber hinaus bewirkt körperliche Aktivität aber auch – und das größtenteils unbeachtet – weitreichende emotionale Veränderungen, die durchaus auch als spirituelles oder religiöses Erlebnis zu bewerten sind. Dass dies einer gewissen Grundlage nicht entbehrt, zeigt das erste Kapitel dieser Arbeit in einer ersten Annäherung aus religiös-kultischer Sicht an das Themenfeld Sport und Religion auf. Es wird dabei deutlich , dass körperliche Aktivität, ganz abgesehen von einer sozialen Dimension, weit mehr zu bieten hat, als rein physiologische Veränderungen des Herz-Kreislauf-, Knochen- und Muskelsystems. Am Beispiel des christlichen Ritualbegriffs und der damit oftmals assoziierten Flow-Erfahrung wird weitergehend gezeigt, dass mit dem Laufen wie mit dem Beten ähnliche Begriffe – wie die Flow-Erfahrung – assoziiert werden, und dass diese Assoziation sich gründet auf ähnlich ablaufenden neuropsychologischen Mustern. Dies öffnet die Frage nach einer spirituellen Dimension körperlicher Aktivität ebenso wie das Bewusstsein, dass spirituelle Momente des Gebets spezifische neurophysiologische Vorgänge bedingen, die, das wird im weiteren zu sehen sein, im Sinne eines ganzheitlichen Verständnisses des Menschen als Leib-Seele-Einheit, von fundamentaler Bedeutung sind.
Im weiteren Teil der Arbeit den Weg wird ein experimentalphysiologischer Zugang zu möglichen Parallelen von körperlicher Aktivität und christlicher Spiritualität eingeschlagen. Beides, körperliche Aktivität als auch eine gelebte Spiritualität, scheinen Merkmale zu sein, die für das Leben des Einzelnen von Bedeutung sind. Beide scheinen, auf eine je sehr eigentümliche Art, das Wohlbefinden derer, die sich auf sie einlassen, zu beeinflussen und zu verändern. Während peripher- und zentralphysiologische Veränderungen durch regelmäßige körperliche Aktivität und deren Auswirkungen auf Befindlichkeit und Emotionen weitgehend bekannt (wenngleich noch nicht hinreichend erklärt) sind, vermeldet ein Blick in die aktuelle Forschungslage aus dem theologischen und religionswissenschaftlichem Blickwinkel Weniges. Dagegen sind die mit der fernöstlichen Meditation verbundenen physiologischen Mechanismen recht gut erforscht. Das dritte Kapitel widmet sich mit drei Untersuchungen, meines Wissens erstmals, experimentalphysiologisch der Frage, ob solche Parallelen auch für körperliche Aktivität und das christliche Gebet zutreffen. Hier zeigen sich auf der Wahrnehmungsebene durchaus Gemeinsamkeiten, während (neuro-)physiologisch betrachtet deutliche Unterschiede überwiegen.
Zuvor ist in Kapitel zwei jedoch zu klären, inwieweit Spiritualität oder Religion überhaupt messbar sind. Es wird deutlich, dass eine „Messbarkeit“ von Religion bislang größtenteils aus religionspsychologischer Perspektive erfolgte. Eine große Limitation dieser Sichtweise ist, dass sie letztendlich nicht ursächlich forscht und die oftmals auslösenden, physiologischen Prozesse nicht erfasst. Hier hat sich in den vergangenen Jahren das Arbeitsfeld der „Neurotheologie“ hervorgetan. Untersucht wurden und werden, inwieweit sich Spiritualität/Gebet/Religion in hirnphysiologischen Prozessen abbilden lassen. Das ist hochinteressant, gleichsam gilt es aber auch zu bedenken, dass eine rein physiologische Phänomenologie ebenfalls kein schlüssiges Bild von Spiritualität zeichnen kann, was insbesondere in der populären Wissenschaftspresse häufig unbeachtet blieb.
Abschließend werden in Kapitel vier die experimentalphysiologischen Ergebnisse dieser Arbeit in einen religionspsychologischen/religionsphysiologischen Gesamtkontext gestellt. Hier wird deutlich, dass nicht nur das von Mihaly Csikszentmihalyi entwickelte Flow-Konzept, sondern auch der Sport von Medien und konsumorientierten Anbietern in quasi-spiritueller, quasi-religiöser Weise vereinnahmt werden. Im Gegensatz dazu hält die kirchliche Kritik am Sport weiterhin an dem nach Außen sichtbaren Sport fest und erfasst eine darüber hinaus weisende Dimension des Sports kaum. Natürlich sind, wie überall, so auch im Sport Auswüchse zu beobachten, die sich heute unter anderem im Körperkult und der Olympischen Bewegung ausdrücken. Aber eine Kritik am Sport allein an einem öffentlich wahrnehmbaren Sport abzuleiten, bleibt zu oberflächlich und wird dem Phänomen Bewegung nicht gerecht. Anthropogenetisch ist Bewegung ein archaisches, intrinsisch motiviertes Phänomen. Jahrtausende war die Erwerbstätigkeit des Menschen durch körperliche Bewegung gekennzeichnet. Mit Beginn des Informations- und Medienzeitalters wird aus dem homo erectus ein homo sedens mit weitreichenden Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit. Nicht nur der Verlust einer Balance von Be- und Entlastung, die unter anderem bereits im benediktinischen ora et labora angedeutet wird und für die Gattung Mensch der letzten Jahrtausende ganz charakteristisch ist, auch der Mangel an Grenzerfahrungen, körperlichen wie seelischen Herausforderungen, bedingen weitreichende Folgen für die Leib-Seele-Einheit des Menschen und charakterisieren gleichzeitig die spirituell wirksamen Möglichkeiten des Sports. Von der Erkenntnis dieser Zusammenhänge profitiert die gesundheitsorientierte Sportwissenschaft ebenso wie die Praktische Theologie. Einerseits wird deutlich, wie wichtig es ist, körperliche Aktivität nicht mehr nur aus dem Blickwinkel physischer, sondern auch seelischer Gesundheit zu betrachten. Zum Zweiten ermöglicht ein Verständnis um solche somato-psychischen Zusammenhänge körperlicher Aktivität, den Menschen noch einmal neu in seiner Leib-Seele-Einheit zu definieren. Nicht zuletzt werden diese Überlegungen helfen können in der Auseinandersetzung mit aktuellen Strömungen, Fitness und Wellness religiös zu vereinnahmen, Grenzen deutlicher zu ziehen und das eigene seelsorgerliche Profil zu stärken.
Ebenso wenig wie es Glück auf Rezept gibt, so gibt es Spiritualität auf Rezept. Weder eine dogmatische Fokussierung auf den Geist noch den Körper wird zur spirituellem Erleben führen. In einer insgesamt zu sedenten Gesellschaft jedoch bieten Sport und Bewegung Alternativen, die Einheit von Leib und Seele wiederherzustellen und damit Zugänge zu einem spirituellen Erleben zu öffnen. Dessen sollte sich die Praktische Theologie bewusst sein.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/5430}
}

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