Narberhaus, Mechthild: Die Organisation des baulichen Raums in postklassischen Siedlungszentren des nördlichen Maya-Tieflands. - Bonn, 2006. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-07629
@phdthesis{handle:20.500.11811/2461,
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author = {{Mechthild Narberhaus}},
title = {Die Organisation des baulichen Raums in postklassischen Siedlungszentren des nördlichen Maya-Tieflands},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2006,
note = {In der vorliegenden Arbeit sind drei Zentren der Mittleren und Späten Postklassik aus dem nördlichen Maya-Tiefland auf die Organisation ihres baulichen Raums untersucht worden. Dies galt hinsichtlich der Frage, ob Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten zwischen den Zentren vorhanden und wie diese gegebenenfalls gestaltet sind. Damit im Zusammenhang stand die Frage nach Zusammengehörigkeiten und Funktionen von baulichen Räumen. Mit diesem Themenkomplex eng verbunden war die Frage nach der Produktivität verschiedener Methoden zur Siedlungsforschung, wenn als Informationsquelle fast ausschließlich der bauliche Befund zur Verfügung steht.
Nach eingehender Auseinandersetzung mit dem, was (insbesondere der bauliche) Raum ist oder sein kann, und wie er sich im Untersuchungsgebiet in seinen Besonderheiten darstellt, sind die Zentren von Mayapan, Tulum und San Gervasio auf Cozumel analysiert worden. Gleichzeitig wurden vierzehn verschiedene Vorgehensweisen zur Analyse von baulichen Räumen auf ihre Anwendbarkeit in der postklassischen Maya-Archäologie getestet.
Die meisten der untersuchten Methoden können für die Forschung in postklassischen Siedlungen des nördlichen Maya-Tieflands positiv beurteilt werden, wenn auch ihre Verknüpfung untereinander angeraten ist (s. Kapitel 7.2). Durch die Methodenkombination wird eine differenzierte Sicht auf die Organisation des baulichen Raums erkennbar, die wichtige Einblicke in das Verständnis des Zentrums (und damit auch der gesamten Siedlung) liefert, selbst wenn weiterführende Informationen zur Interpretation (zum Beispiel durch Keramikanalysen) nur unzureichend vorhanden sind. Als eine der wichtigsten Methoden sei hier die Grundflächen-Höhen-Relation besonders hervorgehoben: Sie ermöglicht auch unter sehr schlechten Bedingungen und unter Mangel an Kenntnis der genauen Anordnung von baulichen Räumen innerhalb des Gebäudekomplexes aussagekräftige Ergebnisse.
Die siedlungsübergreifenden Vergleiche der verschiedenen Analyseergebnisse (s. Kapitel 6 und Kapitel 7.1.2.1 - 7.1.2.11) zeigen in vielerlei Hinsicht, daß die Organisation des baulichen Raums innerhalb der Zentren nicht willkürlich gewesen ist. Es finden sich in den Zentren vielmehr zwei Formen von "Planung" (Siehe auch Kapitel 6.5, wo in Teilen bereits angesprochen worden ist, was hier verallgemeinert werden kann.):
- Eine Planung, durch die die großräumige Verteilung bestimmter Funktionen (auch symbolischer Art) geregelt ist
Sie zeigt sich insbesondere durch die Einbeziehung kosmologischer Vorstellungen, die im Zentrum baulich manifestiert wurden. Auch praktische Gründe scheinen nicht unberücksichtigt geblieben zu sein – wie dies in Tulum durch die straßenähnliche Anlage und in Mayapan aus der Verdichtung „öffentlicher“, überwiegend „profaner“ Funktionen im südlichen Bereich des Zentrums hervorgeht.
- Eine Planung, durch die in Form von Baurichtlinien die kleinräumige Verteilung von baulichen Räumen, von Massen und Freiflächen organisiert wird
Dies ist in allen drei Zentren durch die Vergesellschaftungen verschiedener Bauwerke erkennbar: In Mayapan und San Gervasio wird dies in der Gestaltung von Bauwerksgruppen sozialer Einheiten besonders deutlich, in Tulum ist vergleichbares zumindest ansatzweise erkennbar.
Dennoch liegt eine wirklich bindende Planung - im Sinne einer Einengung - nicht vor: Die reine Existenz von Baurichtlinien ist nicht mit der Existenz einer strengen, von oben verordneten Planung gleichzusetzen. Zudem ist in jeder der durchgeführten Analysen erkennbar, daß manchmal ein nicht unerhebliches Maß an baulichen Freiheiten bestanden hat. Der "Planung" in den untersuchten postklassischen Siedlungszentren steht deshalb eine "Willkür" gegenüber, die jedoch kein "Chaos" bedeutet, sondern vielmehr eine Entscheidungsfreiheit darstellt, durch die es den Bauherren erlaubt scheint, die konkrete Ausgestaltung und Anordnung baulicher Räume der individuellen Situation und den persönlichen Prioritäten anzupassen. Diese Entscheidungsfreiheit scheint nicht nur für einzelne Personen oder Personengruppen zu gelten, sondern auch für die Planung des Siedlungszentrums (respektive der Siedlung) als ganzem. Dies zeigt sich deutlich in der Verbindung von baulichem Raum und kosmologischen Vorstellungen. Sie sind in den drei Siedlungszentren unterschiedlich gestaltet, aber dennoch in jedem Zentrum vorhanden. Auch scheinen bauliche Richtlinien den siedlungsspezifischen Schwerpunkten und Besonderheiten angepaßt worden zu sein.
Die Berücksichtigung der kosmologischen Vorstellung bei der Gestaltung der Zentren zeigt ferner, daß die wesentlichen kosmologischen Vorstellungen der (Prä-)Klassik im nördlichen Maya-Tiefland auch zur Zeit der Mittleren und Späten Postklassik bekannt und akzeptiert waren. Sie sind zudem derart in die Lebenswelt integriert gewesen, daß sie sogar in Organisationen des baulichen Raums zum Ausdruck kommen, die über eine große zeitliche und räumliche Entfernung hinweg tradiert worden sind. Durch die unterschiedliche Art der Umsetzung der kosmologischen Vorstellungen zeigt sich jedoch auch die große Toleranzbreite, die mit der Fortführung der Traditionen verbunden ist.
Schließlich wird in jedem der untersuchten Zentren erkennbar, daß ein steiles hierarchisches Gesellschaftsgefüge unwahrscheinlich gewesen ist. Eher scheinen mehrere soziale Einheiten von nicht immer vollkommen gleichem, aber doch ähnlichem hierarchischen Rang bestimmend für das Erscheinungsbild der Zentren gewesen zu sein. Dies kann mit dem als "multepal" bezeichneten Herrschaftssystem verbunden gewesen sein, weist aber zumindest darauf hin, daß - die "Elite" betreffend - etwas egalitärere soziale Strukturen das politische und gesellschaftliche Leben bestimmt haben dürften als dies in der Klassik war.
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Ergebnisse aus den Untersuchungen die wesentlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Zentren aufzeigen, zugleich auch offenbaren, daß hinter der scheinbar ungeordneten Verteilung von baulichem Raum im Zentrumsareal ein System von Ordnungsprinzipien existiert, das
(a) Baurichtlinien - im großen wie im kleinen - vorgibt, gleichzeitig aber auch bauliche Freiheiten erlaubt,
(b) in allen drei Zentren ähnlich ist,
(c) in nicht unerheblichem Maße in der Tradition klassischer Zentrumsgestaltung steht.
Dies bettet die postklassischen Zentren des nördlichen Yukatan in einen - zeitlich wie räumlich - großen kulturellen Zusammenhang ein. Aus Sicht der Organisation des baulichen Raums scheinen tiefgreifende Unterschiede (im Sinne eines "Bruchs") 557 zwischen der Klassik und der Postklassik nicht bestanden zu haben - wenn auch das äußere Erscheinungsbild der Architektur sich in den verschiedenen zeitlichen und geographischen Räumen unterschiedlich präsentiert. Der konzeptionelle Hintergrund in der baulichen Manifestation des Lebens indes ist über lange Zeit hinweg erhalten geblieben.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/2461}
}

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