Liouvilledynamik bei gemischtem Phasenraum

Im Kontext chaotischer Quantendynamiken sind Frobenius­Perron­Resonanzen als die Größen ins Blickfeld gerückt, die systemspezifische Abweichungen vom universellen Verhalten spektraler Fluktuationen erklären sollen. In dieser Arbeit wird ein Approximationsschema vorgestellt, anhand dessen Frobenius­Perron­Resonanzen bei einem gemischten Phasenraum bestimmt werden können. Als prototypisches System dient eine Drehimpulsdynamik, die auch als periodisch gestoßener Kreisel bekannt ist. Diese Dynamik hat sich bereits in vielerlei Hinsicht als generisch erwiesen. Über diskrete Zeitschritte wird die Dynamik des Kreisels durch eine Abbildung auf der Einheitskugel repäsentiert, die sich aus Drehungen um verschiedene Achsen und einer nichtlinearen Drehung, einer sogenannten Torsion, zusammensetzt. Die Einheitskugel bildet den kompakten Phasenraum, und die Kugelkoordinaten ' und cos ` entsprechen der Ortskoordinate und dem Impuls dieses Hamiltonschen Systems. Für den periodisch gestoßenen Kreisel wird zunächst die Liouvilledynamik im Hilbertraum der Phasenraumdichten auf der Einheitskugel formuliert. Dieser Hilbertraum wird von den Kugelflächenfunktionen aufgespannt. Die Matrixelemente des Frobenius­Perron­Operators lassen sich exakt berechnen, sind jedoch von komplizierter Form. Zum Verständnis der wesentlichen Eigenschaften der Torsionsmatrix schließt sich an ihre Berechnung eine asymptotische Behandlung an, bei der den Indizes der Matrixelemente die Rolle der großen Parameter zukommt. Über eine Sattelpunktnäherung läßt sich eine einfache asymptotische Form für die meisten Matrixelemente finden. Darüber hinaus werden die Grenzwerte bestimmt, gegen welche die Torsionsmatrixelemente asymptotisch konvergieren und aus denen allein sich das Frobenius­Perron­Spektrum und die Eigenfunktionen der für sich integrablen Torsion ableiten lassen. Die Asymptotik der Drehmatrix ist bereits gut bekannt, so daß auf sie zurückgegriffen werden kann. Die zur Bestimmung von Resonanzen verfolgte Strategie besteht darin, den im Hilbertraum der Phasenraumfunktionen unitären Frobenius­Perron­Operator durch einen nicht unitären Operator zu approximieren, der auf großen Phasenraumskalen zum Frobenius­Perron­Operator äquivalent ist, aber die Dynamik auf kleinen Skalen unberücksichtigt läßt. Diese Vorgehensweise ist dadurch gerechtfertigt, daß auch Observablen unter der Dynamik in der Regel nur mit einer endlichen Genauigkeit beobachtet werden können. Variationen einer regulären Phasenraumdichte auf kleinen Phasenraumskalen haben deshalb auf die Observablen keinen Einfluß. Die Begrenzung der Phasenraumauflösung entspricht einer Projektion der Liouvilledynamik auf einen Unterraum des Hilbertraumes. Die Kugelflächenfunktionen bilden eine Basis dieses Hilbertraumes und sind bereits nach ihrem Auflösungsvermögen angeordnet. Wird der Frobenius­Perron­Operator im Hilbertraum als unendliche Matrix bezüglich dieser Basis dargestellt, so läßt sich die Projektion durch das Abschneiden der Matrix nach endlich vielen Zeilen und Spalten bewerkstelligen. Die Nichtunitarität der so erhaltenen Dynamik folgt aus der Kopplung zwischen aufgelösten und nichtaufgelösten Phasenraumskalen. Aufgrund dieser Kopplung wird Wahrscheinlichkeit zu nichtaufgelösten Skalen dissipiert, und die Dynamik wird irreversibel. Gerade für eine chaotische Dynamik ist die Kopplung großer Skalen an beliebig kleine Skalen im Phasenraum charakteristisch. Sie ist auch für die scheinbare Irreversibilität der unitären Liouvilledynamik verantwortlich, bei der die Wahrscheinlichkeit zwar erhalten ist, sich jedoch auf unendlich kleinen Phasenraumskalen verliert und nicht in den Ausgangszustand zurückfindet. Bei endlicher Phasenraumauflösung treten neben unimodularen Eigenwerten des Frobenius­Perron­Operators, die reversiblen Bestandteilen der Dynamik Rechnung tragen, auch nicht unimodulare Eigenwerte auf. Diese entsprechen den irreversiblen Bestandteilen der Dynamik. Einige der nicht unimodularen Eigenwerte erweisen sich als stabil gegenüber einer Vergrößerung der Phasenraumauflösung. Argumente sprechen dafür, daß diese ausgezeichneten Eigenwerte Resonanzen des unitären Frobenius­Perron­Operators reflektieren. Sowohl für die unimodularen als auch für die auflösungsunabhängigen, nicht unimodularen Eigenwerte wird eine Beziehung zu invarianten Strukturen im Phasenraum hergestellt. Diese Strukturen sind auch im Grenzfall unendlicher Phasenraumauflösung Träger der entsprechenden Eigenfunktionen im Hilbertraum beziehungsweise Resonanzeigenfunktionen außerhalb des Hilbertraumes. In beiden Fällen zeigen die Eigenfunktionen auf diesen Strukturen eine starke Lokalisierung. Während die Eigenfunktionen zu den unimodularen Eigenwerten auf Inselketten in der Umgebung elliptischer periodischer Bahnen liegen, folgen die Resonanzeigenfunktionen instabilen Mannigfaltigkeiten in der Nähe der entsprechenden hyperbolischen periodischen Bahnen und zeichnen Phasenraumgebiete einheitlicher Instabilität aus. Die Instabilität ist umso schwächer, je größer der Betrag der zugehörigen Resonanz ist. Die Betrachtung der Resonanzeigenfunktionen mit wachsender Phasenraumauflösung macht plausibel, weshalb diese Funktionen im Grenzfall unendlicher Auflösung nicht gegen Eigenfunktionen im Hilbertraum konvergieren. Der Vergleich von Eigenfunktionen der in der Zeit vorwärts laufenden Dynamik mit den entsprechenden Eigenfunktionen der in der Zeit rückwärts laufenden Dynamik bei endlicher Phasenraumauflösung illustriert, daß im Grenzfall unendlicher Auflösung Eigenfunktionen im Hilbertraum der Vorwärts­ und Rückwärtszeitentwicklung übereinstimmen, während die in diesem Grenzfall außerhalb des Hilbertraumes liegenden Resonanzeigenzustände disjunkte Träger im Phasenraum besitzen. Die hergestellte Korrespondenz von Resonanzen mit hyperbolischen periodischen Bahnen kann nun als Ausgangspunkt für die direkte Ableitung der Resonanzen aus periodischen Bahnen dienen. Eine Entwicklung der Spektraldeterminante des Frobenius­Perron­Operators nach periodischen Bahnen in endlicher Ordnung, die sich für hyperbolische Dynamiken durchführen läßt und aus der die Resonanzen als inverse Nullstellen bestimmt werden können, versagt im Fall eines gemischten Phasenraumes. Die Entwicklungskoeffizienten der Spektraldeterminante divergieren aufgrund der Beiträge von schwach instabilen periodischen Bahnen, die im gemischten Phasenraum im Zuge von Bifurkationen auftreten. Diese Bahnen sind für die Liouvilledynamik bei endlicher Auflösung jedoch häufig bedeutungslos. Es gelingt, unter Ausschluß dieser Bahnen und nur mit den wenigen über die Resonanzeigenfunktionen ausgezeichneten Bahnen bis hin zu einer größten Periodenlänge, die entsprechenden Resonanzen mit erstaunlicher Genauigkeit zu reproduzieren. Gleichzeitig werden die Grenzen aufgezeigt, die der gemischte Phasenraum dieser Vorgehensweise setzt. Abschließend wird der Zerfall einer Dichte­Korrelationsfunktion hae(0)ae(n)i untersucht, um auf diese Weise die für den Frobenius­Perron­Operator des periodisch gestoßenen Kreisels bestimmten Resonanzen als Zerfallsraten wiederzufinden. Phasenraumdichten werden hierbei durch charakteristische Funktionen auf einem diskretisierten Phasenraum repräsentiert. Ihre Zeitentwicklung definiert sich über die Zeitentwicklung des zentralen Phasenraumpunktes der jeweiligen Phasenraumzelle. In der Regel kann aus dem Zeitverhalten einer Observablen nur eine Resonanz bestimmt werden, die für den langsamsten Zerfall verantwortlich ist. Aufgrund der starken Lokalisierung der Resonanzeigenfunktionen ist es jedoch naheliegend, die anfänglichen Phasenraumdichten ae(0) nur in den Phasenraumbereichen von Null verschieden zu wählen, in denen eine Resonanzeigenfunktion lokalisiert ist. Tatsächlich treten auf diese Weise die verschiedenen Resonanzen als Zerfallsraten auf. Damit besteht eine gute quantitative Übereinstimmung zwischen den Resonanzeigenwerten des Frobenius­Perron­Operators bei endlicher Phasenraumauflösung, den aus der Entwicklung der Spektraldeterminante gewonnenen Werten für die Resonanzen und den Raten, mit denen Korrelationen unter der Dynamik zerfallen.

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