"Warum haben wir aufeinander geschossen?" : Studien zum Rußlandbild in der deutschen Prosaliteratur von Stalingrad bis zur neuen Ostpolitik der BRD

Wie sahen die Deutschen Rußland und russische Menschen seit Anbeginn der gegenseitigen Beziehungsgeschichte bis in die Gegenwart hinein? Sind die Grundzüge dieses Bildes im wesentlichen konstant geblieben oder unterlag es im Laufe der Zeit gravierenden Änderungen, die von einem jeweils neuen, für eine bestimmte Epoche gültigen Rußlandbild sprechen lassen? Welche alte und neuere Meinungsbilder vom östlichen Nachbarn fanden Eingang in ausgewählte Werke der deutschen Prosaliteratur 1943-1973 und wie gingen die jeweiligen Autoren mit diesen und eigenen Rußlandbildern und rußlandbezogenen Stereotypen um? Welcher Stellenwert kommt den Bildern von Rußland und Russen in der Gesamtstruktur der Texte zu? – so lauteten die Ausgangsfragen der vorliegenden Studie. Im Bemühen um einen möglichst repräsentativen Überblick über sprachlich kanonisierte Rußlandbilder wurden zur Untersuchung fiktive und nicht fiktive Texte mehrerer Gattungen vorgeschlagen, die das Thema Rußland und russische Menschen aus verschiedenen Blickwinkeln, mit unterschiedlichem Grad der Intensität, Fiktionalisierung und emotionaler Aufladung behandeln und es mit den verschiedensten stilistischen Mitteln zum Ausdruck bringen. Dabei ging es weniger darum, eine erschöpfende Textauswahl zusammenzustellen, sondern vielmehr um den Versuch, literarische Bilder von Rußland und Russen in der Bandbreite unterschiedlicher Darstellungsweisen anzubieten. Entscheidend für meine Perspektive war das „Bild“, das deutsche Autoren von Russen und Rußland entwerfen – jenes Fremdenbild, das durch Traditionen, Vorurteile und Propaganda – und nur gelegentlich durch eigene Erfahrung – entstand. Eins ist diesen Texten gemeinsam, wie die Ergebnisse dieser Studie zeigen: Es ergibt sich – für welchen Zeitraum auch immer – kein einheitliches Rußlandbild, sondern eine Fülle von Bildern, die einerseits zeittypischen, überindividuellen Einflüssen, nämlich Begebenheiten, Interessen und Ideen historischer, politischer, gesellschaftlicher und kultureller – speziell literarischer – Art, andererseits der Eigenperspektive und dem Erzählstil des jeweiligen Autors verpflichtet sind. Sieht man von stilistischen Besonderheiten und Absichten der Schreibenden ab, lassen sich in den untersuchten Texten einige wiederkehrende Züge bei der Darstellung Rußlands und der Russen feststellen, die ihren Ursprung sowohl im literarischen als auch im historischen Kontext haben. Sehr oft handelt es sich dabei um Charakteristiken, die seit längerer Zeit im öffentlichen Bewußtsein der Deutschen existieren und je nach Intention und persönlichen Bildern des jeweiligen Verfassers sowie historischen Bedingtheiten fast immer affektiv bewertet und damit meistens stereotypisierend ins „positive“ oder „negative“ Licht gerückt werden.

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