Geschlechterpolitische Verschiebungen in der deutschen Mindestlohndebatte : ‚Equal Pay‘ für Frauen oder für männliche Leiharbeiter?

Der Beitrag analysiert die Debatte über die Einführung des Mindestlohns von 2002 bis 2013. Gefragt wird, inwiefern die überproportionale Niedriglohn-Betroffenheit von Frauen in die Problemwahrnehmung von Gewerkschaften und Parteien einfloss, wie sich deren Deutungen im Zeitverlauf veränderten und welcher Frame sich schließlich durchsetzte. Als Analyserahmen dient eine Kombination aus Machtressourcen-Ansatz und Framing-Konzepten. Die Befunde zeigen, dass nach anfänglichen internen Kontroversen im DGB und bei den Mitte-Links-Parteien zunächst die Rahmung des Mindestlohns als Frage sozialer Gerechtigkeit dominierte. Dieser Frame war anschlussfähig für die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit. Ab 2010 erhöhte die Opposition den Druck auf die konservativ-liberale Regierung und forderte die schnelle Einführung des Mindestlohns als Schutz vor Lohndumping durch osteuropäische Leiharbeitsbeschäftigte. Ende 2011 gab die CDU den Widerstand gegen eine gesetzliche Lohnuntergrenze auf und stellte nun ebenfalls Lohngleichheit in der Leiharbeit ins Zentrum. Damit trat im Verlauf der Debatte zunehmend eine männerdominierte Zielgruppe für eine Politik in den Vordergrund, die vor allem Frauen nützt.

The paper analyses the political debate about the introduction of a statuary minimum wage on the federal level in Germany from 2002 to 2013. I ask whether or not the labour unions and political parties considered the high incidence of low wages among female workers as part of the problem that had to be solved, how their framing changed in the course of the debate, and which frame finally could win over political opponents. The analytical framework draws on a combination of power resource theory and framing approaches. The analysis shows that after initial internal controversies, the labour union’s umbrella organisation and the political parties to the centre-left adopted a social justice frame for their minimum wage policy. This frame was compatible with the call for gender equality. Starting in 2010, the opposition parties increased their pressure on the conservative-liberal government, calling for an immediate introduction of a federal minimum wage to protect temporary workers from wage dumping by East European competitors. At the end of 2011, the conservative party changed its stance towards a minimum wage, now calling for a statuary low wage threshold and for equal pay for temporary workers. Thus, in the course of the debate a mostly male group was increasingly targeted as beneficiaries of a policy that helps mainly women.

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