Oberflächenstrukturen in Randschichten spritzgegossener Bauteile für galvanische Beschichtungen

Das Spritzgießen von Kunststoffen bietet den Vorteil, dass Bauteile mit ansprechenden Oberflächen ohne zusätzliche Nachbearbeitungsschritte direkt aus dem Werkzeug entnommen werden können.</br> Da die Oberflächeneigenschaften sowohl optisch als auch haptisch jedoch nicht alle Anforderungen, bspw. im Automobilinterieur, erfüllen können, werden immer häufiger Folgeprozesse nachgelagert, welche die Oberflächen der Kunststoffbauteile veredeln sollen.</br> Dazu gehört auch die Galvanisierung von Kunststoffbauteilen. Diese Technologie ermöglicht es, auf dem Kunststoffbauteil eine Echtmetalloberfläche zu applizieren. In der zweigeteilten Prozesskette wird ein Bauteil, vornehmlich aus ABS oder PC/ABS, im Spritzgießverfahren hergestellt und anschließend durch eine Vorbehandlung der Bauteiloberfläche durch chemisches Aufrauen für den zweiten Teil der Prozesskette, das Gal-vanisieren, vorbereitet.</br> Nach der Bekeimung der Kunststoffoberfläche mit Palladium lagert sich in einem chemischen Verfahren eine erste Metallschicht auf dem Bauteil an. Anschließend erfolgt der Beschichtungsprozess ähnlich dem des Metalls.</br> Für industrielle Spritzgießprozesse ist insbesondere die Effizienz der Produktion eine maßgebliche Größe, um einen wirtschaftlichen Prozess gewährleisten zu können. Durch erhöhte Ausschussraten können die einem Kunden verkauften Produktionsmengen für ein Unternehmen schnell unwirtschaftlich werden. Gerade im Bereich der galvanisch beschichteten Kunststoffbauteile für das Automobilinterieur sind die Qualitätstests der Automobilhersteller, wie bspw. ein Klimawechseltest, sehr anspruchsvoll. Diese Tests sorgen für erhöhte Ausschussraten, da die Bauteile insbesondere in Kli-mawechseltests durch die unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Kunststoff und Metall beim Temperaturwechsel erhöhte Ausfallraten zeigen.</br> Bisher existiert keine Möglichkeit, die für den Ausfall verantwortliche Haftung der ersten Metallschicht auf der Kavernenstruktur in der Randschicht des Bauteils näher zu bewerten. Beizbilder von Bauteiloberflächen werden nach dem heutigen Stand der Technik lediglich qualitativ von Experten in einem Vergleich mit Aufnahmen anderer Produkte bewertet. Eine quantitative Bewertung der Oberflächenstrukturen ist bislang nicht vorgenommen worden.</br> Im Rahmen dieser Arbeit werden mittels eines eigens entwickelten Bildanalyse-Algorithmus neuartige zweidimensionale Oberflächenkennzahlen (Orientierungsgrad der Kavernen, Rundheit der Kavernen, mittlere Kavernenfläche und flächenbezogene Kavernenanzahldichte) generiert, die es er-möglichen, die für den Haftverbund zwischen dem Kunststoff und der Metallbeschichtung maßgebliche Kavernenstruktur quantitativ zu erfassen. Dies erfolgt anhand der Auswertung von REM-Aufnahmen gebeizter Bauteiloberflächen. In einem Versuchsplan wird der Einfluss von Spritzgießver-arbeitungsparametern (Schneckenvorlaufgeschwindigkeit, Kühlmittelvorlauftemperatur, Zylindertemperatur) auf die Kavernenstruktur anhand eines Probekörpers untersucht. Die Untersuchung erfolgt anhand von zwei sehr häufig für die Kunststoffgalvanisierung verwendeten Materialien ABS und PC/ABS. Durch die Anwendung der neuen Kennzahlen ist es möglich, unterschiedliche Effekte der Variation der Verarbeitungsparameter auf die Ausprägung der Kavernenstruktur im Randschichtbereich der Bauteile für ABS und PC/ABS aufzuzeigen.</br> Da neben den zweidimensionalen Oberflächeneigenschaften auch die Höhe der durch den Beizvorgang entstandenen Kavernenstrukturen für die Verbundhaftung zwischen Kunststoff und Metall eine Rolle spielt, werden die Untersuchungen um Messungen mittels eines Konfokalmikroskops erweitert. Dabei können die Messverfahren hinsichtlich ihrer Fähigkeit, die Kavernen im Nanometerbereich zu charakterisieren, klar voneinander abgegrenzt werden. Mittels der Konfokalmikroskopie ist es nicht möglich, die laterale Struktur der Kavernen zu quantifizieren. Jedoch kann mithilfe von Höhenparametern die Kavernenstruktur hinsichtlich auftretender Spitzen und Täler charakterisiert werden.</br> Die untersuchten Einflüsse und damit verbundenen Ergebnisse der zwei- und dreidimensionalen Charakterisierung der Kavernenstruktur hängen, ausgehend von der Variation der Verarbeitungsparameter beim Einspritzvorgang, stark von den unterschiedlichen Strömungsphänomenen in einem Spritzgießwerkzeug und damit von der Bauteilgeometrie ab. Aus diesem Grund wurde anschließend die 3D-Spritzgießsimulation eingesetzt, um die unterschiedlichen lokalen Kavernenstruktureigenschaften mithilfe der lokalen Strömungsphänomene im Spritzgießwerkzeug während des Einspritzvorgangs zu erklären. Dabei können sowohl für die unterschiedlichen Materialien als auch für die unterschiedlichen Bereiche im Bauteil Zusammenhänge zwischen den resultierenden Kavernenstrukturen und lokalen Simulationsergebnissen (bspw. lokale Schergeschwindigkeit, lokale Schmel-zetemperatur, Viskosität etc.) erarbeitet werden.</br> Mittels des vorgestellten Ansatzes können Unternehmen im Bereich der Kunststoffgalvanisierung neues Wissen für eine optimierte Prozessführung sowie Bauteilentwicklung generieren. Weiter kön-nen Bauteile gezielt an den Stellen untersucht werden, die in Klimawechseltests ausfallen.</br> Neben den erweiterten Erkenntnissen über die Einflussfaktoren der Verarbeitung und deren Auswirkung auf die Kavernengeometrie kann insbesondere auch zusätzliches Wissen über die verarbeiteten Materialien generiert werden. Hinsichtlich der Bewertung von Spritzgießmaterialien könnten unterschiedliche ABS- und PC/ABS-Typen anhand eines Standard-Bauteils mittels der entwickelten Kennzahlen standardisiert bewertet werden. Weiter kann der Ansatz dazu dienen, insbesondere auch unterschiedliche geometriebedingte Strömungssituationen im Bauteil, unterstützt durch Spritzgießsimulation, schon bei der Auslegung der Bauteile oder bei der Bemusterung der Spritzgießwerkzeuge zu berücksichtigen.

The injection molding of plastics offers the great advantage that parts with appealing surfaces can be taken right from the mold and do not require any refinement processes. These surface properties, however, often do not satisfy especially the optical and haptic requirements for automotive interiors.</br> Therefore, to refine the surface of the plastic parts, follow-up processes such as electroplated coatings are needed. With electroplated coatings it is possible to apply a genuine metal layer on the injection molded part. The process chain can be divided into two parts: First, primarily ABS or PC/ABS parts are injection molded and then etched in a pre-treatment consisting of chemical roughening. After seeding the part with palladium, a first metal layer can be applied on the electrically non-conductive plastic part in a chemical process. Second, an electroplating process, which is comparable to the electroplating of metals, is performed.</br> For industrial injection molding processes, especially the efficiency of the production is crucial for enabling economically attractive processes. Due to high reject rates, production volume already sold to the customer can quickly become inefficient. Especially those quality tests applied to electroplated plastic parts for automotive interiors are very demanding. Climate change tests for example cause high reject rates since parts show high failure in time due to e.g. different coefficients of thermal expansion for metals and polymers. Up until now, there is no possibility to evaluate the adhesion of the first metal layer on the cavern structure of the plastic part which causes the deficiency.</br> Currently, images of etched surfaces are merely used for comparison with images of other products in qualitative expert analyses. However, an approach which allows to quantify these surface and near-surface structures does not exist.</br> In this thesis, an image analysis algorithm is developed, in which completely new two-dimensional key figures (degree of orientation, roundness, cavern area, and number of caverns per area) are used to quantitatively describe the cavern structure of the part, which has a determining influence on the adhesion of the metal layer. This algorithm is applied to scanning electron microscope (SEM) images of etched polymer parts. In an experimental design, the injection molding parameters screw advance speed, cooling temperature, and barrel temperature are varied. With the newly developed key figures, it is possible to analyze and observe the effects of the variation of these injection molding parameters on the shape of the caverns. The investigations are conducted both for an ABS and a PC/ABS part.</br> Not only the two-dimensional surface properties but also the depth of the structures, which is caused by the pre-treatment, affect the adhesion of the metal on the polymer. Therefore, the investigations are complemented by confocal microscopy measurements. These measurement techniques differ substantially in their ability to characterize nanometer-scaled cavern structures in lateral direction. Compared to the SEM-image analysis algorithm, confocal microscopy does not allow to measure the lateral cavern structures, but it provides additional information about the depth of the caverns. The detected effects and results of the two- and three-dimensional surface characterization depend on the injection molding parameters, on the geometry of the mold, and hence of the part.</br> In addition, 3D-injection molding simulation is used to investigate the different flow phenomena in the mold and to explain the effects that occur at different spots on the part during the filling process. As a result, correlations between the resulting cavern structures and local simulation results (e.g., local shear rate, temperature, and viscosity) have been detected for different materials and areas on the part. The presented approach enables companies to generate new knowledge for optimized processing during plastics injection molding and for the development of new parts. Furthermore, the established methodology allows to investigate parts at spots shown to be critical in climate change tests to quantify the problem causing structures. Besides the advanced knowledge about the influence of processing parameters on the cavern geometry, new insights about the processed materials can be acquired.</br> Concerning the evaluation of plating grade materials, the developed key figures render the assessment of different types of ABS and PC/ABS with standardized parts possible. Furthermore, a combined application of the methodology introduced in this thesis and 3D-injedction molding simulation allows to consider different geometry-related flow phenomena in the mold already during product development, mold sampling, or the production process.

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