Objektivierte Bewertung des Fahrstils auf Basis der Komfortwahrnehmung bei hochautomatisiertem Fahren in Abhängigkeit fahrfremder Tätigkeiten : Grundlegende Zusammenhänge zur komfortorientierten Auslegung eines hochautomatisierten Fahrstils

Die Weiterentwicklung aktueller teilautomatisierter Fahrerassistenzsysteme (SAE Level 2) hin zu automatisiertem Fahren (AF, SAE Level 3-5) stellt derzeit den bedeutendsten Entwicklungstrend in der Automobilbranche dar. Getrieben durch die Ziele wachsender Sicherheit und erheblicher Komfortsteigerungen durch die Abwendung vom Verkehrsgeschehen, kann der Kundennutzen durch die Einführung hochautomatisierter Fahrfunktionen revolutioniert werden.</br> Durch die zeitweise vollständige Übernahme der Fahraufgabe durch das System, wird dem Nutzer die Möglichkeit eröffnet, sich während der Fahrt über einen längeren Zeitraum fahrfremden Tätigkeiten zu widmen. Darunter fallen beispielsweise das Lesen und Verfassen von E-Mails oder das Ansehen eines Filmes auf dem Fahrersitz sowie weitere Tätigkeiten, die eine dauerhafte Bereitschaft zur Übernahme der Fahraufgabe in Folge einer systemseitigen Aufforderung zulassen. Dafür wird ein hohes Maß an Vertrauen in die Technik vorausgesetzt, das wiederum die Grundlage für die Ausbildung eines hohen Akzeptanzniveaus gegenüber AF-Funktionalitäten darstellt, ohne welche die Nutzungsintention stark eingeschränkt wäre.</br> Neben anderen Faktoren, wie der Innenraumgestaltung oder dem nutzbaren Entertainmentangebot, übt hierbei vor allem der wahrnehmbare Fahrstil einen entscheidenden Einfluss auf die Kundenwertigkeit aus. Durch eine aus Kundensicht stimmige Ausprägung, einerseits der fahrstrategischen Komponente des Fahrstils, andererseits der Dynamikausprägung einzelner Manöver, kann diese gezielt gesteigert werden. Im Fokus dieser Arbeit steht vor allem der Einfluss auf die Komfort- und Sicherheitswahrnehmung, durch den für Nutzer von AF-Systemen überwiegend zu erwartenden Fahrerzustand der Abwendung von der Fahraufgabe durch fahrfremde Tätigkeiten.</br> Zum einen konnte eine Methodik zur Erhebung des empfundenen Komfortlevels während einer längeren hoch¬automatisierten Autobahnfahrt im öffentlichen Straßenverkehr über einen Diskomfort-Handdrücker für geringe und mittlere Abwendungsgrade validiert werden. Neben der Auflistung potenzieller Einflussfaktoren aus den drei Bereichen Fahrer, Fahrzeug und Umfeld, wurde das Verständnis für relevante Dynamik-Performancefaktoren beispielshaft anhand der Längsdynamik einer Verzögerung geschaffen.</br> Zum anderen wurden Erkenntnisse zur Komfort- und Sicherheitswahrnehmung hinsichtlich eines hochautomatisierten Fahrstils bei zeitgleicher Beschäftigung mit fahrfremden Tätigkeiten experimentell gewonnen. Entsprechend den Vor- und Nachteilen verschiedener Versuchsumgebungen, wurden zuerst zwei konfirmatorische Studien auf dem Versuchsgelände zur Einflussanalyse des Abwendungsgrades durch fahrfremde Tätigkeiten durchgeführt. Hierfür wurden die beiden im Autobahnverkehr relevanten Use-Cases einer Verzögerung auf ein langsameres Vorderfahrzeug sowie eines Fahrstreifenwechsels im Rahmen eines Überholvorgangs herangezogen. Auch wenn der negative Einfluss einer höheren Dynamikausprägung auf das Komforterlebnis über alle Tätigkeiten hinweg nachgewiesen werden konnte, stellt sich der Einfluss des Abwendungsgrades nicht gleichermaßen eindeutig dar.</br> In den Ergebnissen zeigen sich allerdings tendenzielle Differenzen in der Komfortwahrnehmung zwischen der Bedingung ohne Abwendung im Vergleich zu den beiden fahrfremden Tätigkeiten. Zur Identifikation situationsabhängiger, Diskomfort auslösender Einflussfaktoren sowie der Auswirkung der Dynamikausprägung in Abhängigkeit des Abwendungsgrades wurde darüber hinaus eine explorative Realverkehrsstudie in einem Wizard of Oz-Fahrzeugaufbau umgesetzt. Darauf aufbauend werden Gestaltungsempfehlungen zur Auslegung eines komfortablen, hochautomatisierten Fahrstils in Form von statistikbasierten, Use-Case-abhängigen Dynamikbereichen auf Basis des rückgemeldeten Diskomforts abgeleitet. Die Angabe spezifischer Zielwerte für charakteristische Manöverdynamikgrößen zur optimalen Ausprägung des Fahrverhaltens für bestimmte Use-Cases ist wegen der hohen Subjektivität der menschlichen Komfortwahrnehmung allerdings nicht zweck¬mäßig.</br> Dennoch wird auf Basis der Studienerkenntnisse ein Vorschlag für eine manuelle Adaptionsmöglichkeit des Fahrstils gegeben, welcher die Auswirkungen verschiedener Fahrerzustände, induziert durch ungleiche Abwendungsgrade, berücksichtigt. Entsprechend den aufgedeckten Tendenzen durch die beiden konfirmatorischen Studien, zeigten sich auch bei der retrospektiven Bewertung signifikante Unterschiede hinsichtlich des präferierten Dynamikniveaus für verschiedene Abwendungsgrade. Dies unterstreicht die erkannte Abweichung der präferierten Dynamikausprägung im Vergleich zur Akzeptanz bezüglich des tatsächlich erlebten Fahrstils.
The progressive development of current partial automated driver assistance systems (SAE level 2) towards automated driving (AD, SAE level 3/4) represents the most significant trend in the automotive industry at present. Driven by the goal of growing safety and substantial increase in comfort by turning away from traffic events, the customer benefit can be revolutionized with the introduction of this innovation.</br> Due to the temporary complete takeover of the driving task by the system, the user is opened up the new possibility of dedicating oneself to a non-driving related task during driving. For instance, this includes the reading and writing of E-Mails or watching a movie on the driver's seat as well as other tasks allowing the permanent readiness for a take¬over of the driving task. For this purpose, a high degree of trust in automation is presumed which builds the basis for creating a high level of acceptance for AD systems in order not to restrict the intention to use.</br> Besides other features as the interior design or various entertainment offerings, especially the steady perceivable driving style exerts a decisive influence on the customer value in particular. From the customer's point of view, this can be improved by using an adequate characteristic of the driving strategic component on the one hand, and the dynamic characteristics of individual maneuvers on the other hand. This work concentrates on the influence on the safety and comfort perception of the expected state of users of AD functions being averted from the driving task because of non-driving related activities.</br>First, a method to survey the perceived level of comfort during a longer highly automated journey on the public highway was validated for lower and middle levels of distraction. On top of the listing of potential influence parameters in the fields of driver, vehicle and environment, the understanding for relevant dynamic performance factors was created by example of longitudinal dynamics of a deceleration.</br> Based on the assets and drawbacks of different experimental environments, two confirmatory studies on the proving ground were conducted in order to analyze the influence of the level of distraction by non-driving related activities. Therefore, the two relevant scenarios in highway traffic of a deceleration on a slower leading vehicle and a lane change during an overtaking maneuver were used. Although the negative impact of a higher dynamic characteristics on the comfort experience could be verified for all activities, the influence of the degree of distraction is not such equally unambiguous. The results tend to show divergences regarding the comfort perception between the conditions without distraction from the surrounding traffic events in comparison with the two non-driving related activities with averting from the driving task.</br> For identification of situational and discomfort triggering influence factors, as well as the impact of the dynamic characteristics depending on the degree of diversion from the driving task, furthermore, an explorative study based on a Wizard of Oz vehicle was carried out. Based on this, varying design recommendations for the characteristics of a comfortable, highly automated driving style in the form of statistic based, use case dependent dynamic ranges basing on the discomfort feedback were deduced. The specification of target figures for distinctive values for ideal dynamic characteristics of the driving behavior for specific use cases, however, is not appropriate as a result of the high degree of subjectivity of human comfort perception.</br> Nevertheless, a proposal for a manual adaptability of the driving style is given premised on the findings of the studies to take into account different driver states induced by differing levels of diversion.

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