Zur Rolle von Platin-DNA-Addukten in Tumorzellen für das zelluläre und klinische Ansprechen auf eine Cisplatin-Behandlung : Neue Ansätze zur Prädiktion und Modulation

Platin-Komplexe stellen eine der wichtigsten und wirksamsten Substanzgruppen in der systemischen Tumortherapie dar und zählen aufgrund des breiten therapeutischen Spektrums zu den klinisch routinemäßig eingesetzten Tumortherapeutika. Die antineoplastische Wirkung der Platin-Komplexe beruht auf ihrer Reaktion mit bestimmten Basenpositionen in der DNA-Doppelhelix und der Ausbildung zytotoxischer DNA-Addukte. In der onkologischen Klinik wird die antineoplastische Wirksamkeit dieser Medikamente begrenzt durch i) primäre oder sekundär auftretende Resistenzen der Tumore gegenüber dem Wirkstoff und ii) den typischen gravierenden Nebenwirkungen in bestimmten Organen. In dieser Arbeit wurden am Beispiel des Zytostatikums Cisplatin wichtige Aspekte beider Problemkreise adressiert und anhand von in vivo- (Mausmodell), in vitro- (TumorZelllinien) und ex vivo- (primäre humane Tumorzellen) Ansätzen funktionell untersucht. Neben den Mechanismen, die dem Resistenzphänotyp beziehungsweise den organspezifischen Nebenwirkungen zugrunde liegen, zielte ein Hauptaspekt dieser Arbeit auf die Möglichkeit einer pharmakologischen Beeinflussung beider Prozesse mit der Möglichkeit, das therapeutische Fenster dieser Substanzgruppe dadurch zu erweitern. Als relevante Tumorentität habe ich mich dabei auf das Ovarialkarzinom (OVK) konzentriert, da hier i) die Behandlung mit Platin-Medikamenten bei der Erstlinien-Therapie im Vordergrund steht, ii) das Resistenzverhalten das entscheidende klinische Problem darstellt, iii) ein Satz gut etablierter OVK-Zellkulturmodelle zur Verfügung steht und iv) die Logistik für den Zugriff auf primäre humane Tumorzellen aufgebaut werden konnte. Als wichtigste Ergebnisse ergaben sich aus meinen Untersuchungen: Beim Vergleich von Cisplatin-sensitiven und –resistenten OVK-Zelllinien zeigte sich, dass die Resistenz gegenüber dem Zytostatikum mit einer reduzierten DNAAdduktbildung einhergeht, die wiederum auf einem verringerten intrazellulären Medikamentenspiegel beruht. Das weist auf die Beteiligung von Import/Exportmechanismen bei der Resistenzselektion hin. Bei ex vivo mit Cisplatin behandelten primären OVK-Zellen aus Tumorresektaten oder aus Aszites-Biopsien konnte erstmals ähnlich große Unterschiede in der DNA-Adduktbildung detektiert werden. Eine Reihe pharmakologischer Transport-Modulatoren, die in dieser Arbeitsgruppe ursprünglich zur Prävention der hohen DNA-Platinierung in nebenwirkungsrelevanten Zellen des Normalgewebes etabliert worden waren, wurden hier auf ihre Wirkung bei Ko-Applikation mit Cisplatin auf Tumorzellen untersucht. Hierbei sollte herausgefunden werden, ob die Effizienz einer Platin-basierten Therapie durch die Modulatoren beeinträchtigt wird. Dabei zeigte sich bei den getesteten OVK-Zelllinien keine negative Wirkung auf den DNA-Adduktgehalt. Im Gegenteil führte die Vorbehandlung bei den meisten Zelllinien sogar zu einer erhöhten DNA-Platinierung, die jeweils mit einer erhöhten intrazellulären Gesamtplatin-Konzentration verknüpft war. Dies galt gleichermaßen für sensitive wie auch resistente Zellvarianten, deren Pt-Adduktgehalt dadurch in einigen Fällen auf das Ausgangsniveau der sensitiven Zellen angehoben wurde. Anhand eines Caspase-3-Aktivitätstests konnte gezeigt werden, dass die durch die Ko-Applikation der Modulatoren vermehrte DNA-Platinierung zu einer erhöhten Cisplatin-induzierten Apoptoserate bei den OVK-Zelllinien führt. Die Modulatoren alleine zeigten hierbei kein zytotoxisches Potenzial. Diese Befunde an OVK- und anderen humanen Malignomzelllinien wurden auf ihre Relevanz für klinische Fragestellungen an vitalen primären Tumorzellen aus dem Primarius und aus Aszites geprüft. Die Ko-Applikation der Modulatoren mit Cisplatin führte auch hier zu einer deutlichen Erhöhung des DNA-Adduktgehaltes. Besonders die Fraktion der auffällig niedrig platinierten OVK-Zellen aus dem Aszites, die möglicherweise den Ausgangspool für Platin-resistente Rezidive oder Metastasen darstellt, konnten durch die Vorbehandlung auf ein deutlich höheres Adduktniveau gebracht werden. Dies sollte, in Analogie zu den in vitro-Ergebnissen, zu einer signifikanten Sensitivierung dieser kritischen Zellfraktion gegenüber einer PlatinTherapie führen. Schließlich wurde an einem Mausmodell gezeigt, dass der Transportmodulator DO9 neben seiner markanten Schutzwirkung vor einer übermäßigen DNA-Adduktierung in den nebenwirkungsrelevanten Zellen von Niere, Innenohr und Dorsalganglien ebenfalls die systemische Toxizität einer mehrzyklischen Cisplatin-Therapie drastisch reduzieren. Des Weiteren konnte bei der Cisplatin-induzierten Neurotoxizität die Mantelzellen der Dorsalganglien aufgrund ihrer hohen Adduktbelastung als die sehr wahrscheinlich kritischen Zielzellen identifiziert werden. Da es für das Ovarialkarzinom wie auch für viele andre Tumorentitäten bisher keine verlässlichen Parameter für das klinische Ansprechen auf eine Platin-basierte Therapie gibt, böte die hier erarbeitete Analytik von ex vivo Cisplatin-exponierten primären Tumorzellen bereits im Vorfeld einer Chemotherapie erstmalig die Möglichkeit, eine Aussage über den zu erwartenden Behandlungserfolg zu machen. Die klinische Anwendung der hier untersuchten Transport-Modulatoren, von denen zwei bereits als Medikament für andre Indikationen zugelassen sind, könnte das therapeutische Fenster für die eine Cisplatin-Behandlung deutlich erweitern, bei gleichzeitig drastischer Reduktion der Therapie-induzierten Nebenwirkungen.

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