Zur Deliktbelastung im kriminologischem Hellfeld bei Verurteilten mit Strafzurückstellung gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz : Eine Auswertung des Antragsjahrganges 2008 derStaatsanwaltschaft Essen

Ziel dieser Untersuchung ist eine qualitative und quantitative Analyse der Deliktbelastung von nach § 35 („Therapie statt Strafe“) Betäubungsmittelgesetz (BtMG) Verurteilten. Hier-für wurde eine Untersuchung vorgenommen für die von der Staatsanwaltschaft Essen betreuten Personen (n=214) des Antragsjahres 2008. Informationen aus den Gerichtsakten zu Demographie, individueller Drogenproblematik, Urteilen und Verfahrensverläufen wurden systematisch erfasst. Zudem wurden aktuelle Auszüge aus dem Bundeszentral-register (BZR; Hellfelddelinquenz) ausgewertet. Die untersuchte Klientel war im Durchschnitt 34,7 Jahre alt und mehrheitlich männlich (86,4%). Es war mit einem Anteil von 86,9% vorwiegend deutsch. Ausländische Staatsbürger waren mit 10,7% (n=23) ähnlich häufig vertreten wie in der Allgemeinbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland. Der Antrag auf Zurückstellung der Strafe nach § 35 BtMG wurde vorwiegend aus der Haft heraus gestellt (n=170 von 214 Probanden). Die Stichprobenklientel war langjährig kriminell mit durchschnittlich 15,2 Jahren im Hellfeld und war mit durchschnittlich 15,1 BZR-Einträgen hochfrequent delinquent vorbelastet. Verurteilungen nach dem Jugendgerichtsgesetzt (JGG) waren ein Prädiktor für die Hellfelddelinquenz in Jahren, die Anzahl der BZR-Einträge, Deliktbreite im Bezug auf das Strafgesetzbuch (StGB) und Anzahl von Verurteilungen nach dem BtMG und StGB pro Jahr. Qualitativ kriminologisch war die Klientel vorwiegend mit einfachem Diebstahl (2326 Delikte), schwerem Diebstahl (538 Delikte), Rohheitsdelikten (648 Delikte) sowie mit Vermögens- und Fälschungsdelikten (669 Delikte) belastet. Die Anlasstaten zur Anordnung einer Therapie nach § 35 BtMG waren vorwiegend Vergehen nach dem StGB und weniger nach dem BtMG. Die Klientel war nur geringgradig mit Maßregeln nach §§ 63 und 64 StGB vorbelastet. Insgesamt zeigt die Auswertung eine vorrangig männliche Klientel mit langjährigem und hochfrequentem kriminellen Verhalten bei eher niedrigem Schweregrad der jeweiligen Delikte. Die Abhängigkeit von illegalen Drogen bereits bei Beginn des Jugendalters ist demnach oft nur ein Aspekt eines devianten Lebensstils. Eine methodische Einschränkung ist die Beschränkung auf Daten aus dem Hellfeld bei der Annahme weiterer, allerdings nicht erfasster und im Umfang schwer abzuschätzender Straftaten (Dunkelfeld). Die Ziele der Justiz und der (Sucht-)Medizin in Bezug auf den Ertrag einer Behandlung gemäß § 35 BtMG divergieren. Sofern der abhängige Suchtmittelkonsum ein Element eines langjährig devianten Lebensstils ist, bedeutet dies im Grundsatz eine negative Prognose für den Ertrag der Behandlung. In einer weiteren Studie soll der Ertrag des § 35 BtMG und dessen Prädiktoren untersucht werden.

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