Modelle zum Walzen von Flach- und Vollquerschnitten

Die vorliegende Arbeit liefert Weiterentwicklungen der Rechenverfahren für Walzprozesse von Flach- und Vollquerschnitten. Einleitend wird die Bedeutung der Walzverfahren mit aktuellen Auftragseingangszahlen von Walzwerken in der Bundesrepublik Deutschland dargelegt. In den folgenden Kapiteln werden die Grundlagen der Formänderungsberechnung, Stichplangestaltung und der Werkstoffmodellierung mit Hilfe von Fließkurven behandelt. Der nächste Teil ist der Modellierung der Walzverfahren für Flacherzeugnisse gewidmet. Zunächst werden die elementaren Grundlagen des Walzspaltes wiederholt. Danach werden bereits bekannte Modelle für den Walzvorgang von Flachquerschnitten diskutiert. Dabei werden die Vor- und Nachteile einzelner Modelle aufgegriffen und Anwendungsbereiche aufgezeigt. Aufbauend auf Ren, Tieu et al. wird ein zweidimensionales Walzmodell für das Warm- und Kaltwalzen von Flachquerschnitten entwickelt. Die Berechnung des Spannungsfeldes in Längs- und Querrichtung basiert auf der Erweiterung des Streifenmodells mit einer zweiten Differentialgleichung in Breitenrichtung. Das allgemeine Geschwindigkeitsfeld für das Flachwalzen wird für den ebenen Fall, sowie für den dreidimensionalen Fall mit Breitung formuliert. Dabei wird jeweils parallelepipedische Umformung vorausgesetzt. Die Spannungs- und Geschwindigkeitsmodelle werden kombiniert, so dass die berechnete Relativgeschwindigkeit zur Bestimmung des Stoffflusses und der Reibschubspannungsverteilung auf der Kontaktfläche verwendet werden kann. Zur Berechnung der Temperaturverteilung im Walzgut wird ein zweidimensionales Modell auf Basis der Methode der Finiten Differenzen formuliert, mit dem die Berechnung des Temperaturfeldes im Walzgut während des Walzvorganges unter Berücksichtigung der Kantenauskühlung möglich ist. Für die bei allen kontinuierlichen Walzprozessen wichtige Problematik der zwischen den Gerüsten im Walzgut entstehenden Längsspannungen wird ein Modell zur Berechnung dieser Spannungen aus den Walzendrehzahlen formuliert. Für breitungsfreie Walzprozesse kann das Modell in linearisierter Form als Matrixinversion angewandt werden, da in diesen Fällen die Nichtlinearität zwischen Drehzahlabweichungen und Längsspannungen nur schwach ausgeprägt ist. So ist eine direkte Berechnung der wirkenden Längsspannungen aus Drehzahl- und Querschnittsabweichungen möglich. Um einen größeren Nutzen aus dem neuen Walzmodell ziehen zu können, werden Submodelle für die Deformation der Arbeits- und Stützwalzen von Zwei- und Vierwalzengerüsten formuliert. Für die Abplattung der Arbeitswalzen wird ein Rechenverfahren auf Basis des Boussinesq- Problems verwendet. Von Berger und Hacquin durchgeführte Betrachtungen zeigen, dass sich das Boussinesq-Modell für einen elastischen Halbraum auf die Deformation einer zylindrischen Walze anwenden lässt. Auf dieser Basis erfolgt die Übertragung auf die Vollzylindergeometrie der Walze. Damit kann die räumliche Walzendeformation auf Basis der vom Walzmodell gelieferten zweidimensionalen Spannungsverteilung berechnet werden, während in früheren Arbeiten anderer Autoren nur eindimensionale oder konstante Walzkraftverteilungen berücksichtigt wurden. Die Durchbiegung der Arbeits- und Stützwalzen wird unter Beachtung des Kontaktproblems Arbeitswalze-Stützwalze mit Hilfe von Finiten Balkenelementen berechnet. Zusätzlich zu den mechanischen Deformationen wird die thermische Walzenballigkeit berücksichtigt. Mit Hilfe der von Robinson und De Hoog vorgeschlagenen azimutalen Mittelung wird ein zweidimensionales Finite-Differenzen-Verfahren in axialer und radialer Richtung implementiert, welches zur Berechnung der instationären Entwicklung der thermischen Balligkeit der Arbeitswalzen angewandt wird. Dabei werden die tangential abhängigen Wärmeströme in der Randschicht der Walze gemittelt betrachtet und somit eine zulässige Lösung für die Randbedingungen der axialsymmetrischen Wärmeleitungsgleichung bestimmt. Zusätzlich wird das Verschleißprofil der Arbeitswalzen mit Hilfe des Modells nach Castaeneda berücksichtigt. Unter Verwendung der entwickelten Teilmodelle werden technologische Maßnahmen zur Beeinflussung des Walzgutdickenprofils diskutiert. Die geometrischen und mechanischen Einflussmöglichkeiten von Walzenschliffen, Walzenrückbiegung und der CVC-Technologie werden anhand von Rechenbeispielen aufgezeigt. Die für die Planheitsberechnung wichtige Modellierung der lokalen Breitung bei Flacherzeugnissen wird aufgegriffen. Dazu wird sowohl ein phänomenologischer Ansatz sowie die plastomechanische Modellierung des Planheitsproblems mit Hilfe der Methode der oberen Schranke beschrieben. Die Breitung beim Walzen wird aufgrund ihrer technologischen Relevanz in einem eigenen Kapitel behandelt. Verschiedene bekannte Breitungsgleichungen werden auf ihr Differentialverhalten hin untersucht, um ihre Verwendbarkeit zur Berechnung der örtlichen Breitung zu bewerten. Neben empirischen Breitungsmodellen wird ein vereinfachtes plastomechanisches Breitungsmodell nach Domanti et al. in die Betrachtungen einbezogen. Ein weiterer Teil der Arbeit ist Modellen zum Profilwalzen von Vollquerschnitten gewidmet. Wichtige Kaliberformen und Vorgehensweisen zur Berechnung von Kaliberreihen werden diskutiert. Die bekannte Modellpalette wird um ein Modell für das Dreiwalzenverfahren erweitert. Dieses Modell erlaubt erstmals die Berechnung der wichtigen statischen und kinematischen Größen des Dreiwalzenverfahrens mit elementaren Rechenmethoden, so wie es beim Zweiwalzenverfahren schon seit Langem möglich ist. Das Äquivalenzverfahren nach Lendl wird systematisch auf das Dreiwalzenverfahren übertragen und so die Berechnung von Profilwalzstichen im Dreiwalzenverfahren ermöglicht. Das zum Flachwalzen entwickelte Modell zur Bestimmung von Längsspannungen in kontinuierlichen Walzwerken wird in verallgemeinerter Form auf das Profilwalzen übertragen. Da beim Profilwalzen die Breitung grundsätzlich von Längsspannungen abhängig ist, werden die nichtlinearen Modellgleichungen numerisch gelöst. Das Walzziehen wird als Sonderverfahren des Profilwalzens behandelt. Auf Basis des Momentengleichgewichts wird gezeigt, wie die elementare Walztheorie auf das Walzziehen angewandt werden kann. Damit wird eine Berechnung der Walz- und Ziehkräfte beim Walzziehen möglich. Das Modell sagt für das Walzziehen die Existenz einer Fließscheide in der Nähe der Walzspaltmitte voraus. Abschließend werden die Modelle auf technologische Walzprozesse angewandt. Zum Walzen von Warmband wird rechnerisch gezeigt, welche Profil- und Planheitsabweichungen in einer siebengerüstigen Fertigstaffel eines Warmbandwalzwerkes erwartet werden können. Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Produkttoleranzen mittels der CVC-Technologie werden anhand von Rechenergebnissen diskutiert. Dabei werden sowohl mechanische, als auch thermische Einflüsse auf den Walzprozess in Betracht gezogen. Die Betrachtung wird auf das Kaltwalzen ausgedehnt. Die Möglichkeit der Bandprofil- und Planheitsbeeinflussung mit Hilfe gezielter Längsspannungen wird diskutiert. Zum Profilwalzen wird mit Hilfe der ermittelten Rechenmodelle gezeigt, wie sich eine Kalibrierung für eine Werkstoffpalette flexibel gestalten lässt. Die notwendigen Gerüstanstellungen bei verschiedenen Walzgutwerkstoffen werden am Beispiel eines Stabstahlwalzwerkes gezeigt. In einer weiteren Untersuchung werden die Möglichkeiten des Ausgleichs von Querschnittsfehlern mit Hilfe von Sizing-Systemen rechnerisch anhand von Layoutvarianten eines Stabstahlwalzwerks betrachtet. Dabei werden Zwei- und Dreiwalzensysteme diskutiert. Es zeigt sich, dass die Sizing-Möglichkeiten im Zweiwalzenverfahren eingeschränkt sind, während sich im Dreiwalzenverfahren größere Freiheiten und Ausgleichsmöglichkeiten ergeben. Zusätzlich wird rechnerisch gezeigt, dass sich durch den Einsatz eines Dreiwalzenblockes vor dem Fertigblock eines Drahtwalzwerkes der Walzprozess im Fertigblock positiv beeinflussen lässt, indem ein gezieltes Sizing des Anstichquerschnitts vorgenommen wird. Zum Walzen von Draht in Fertigblöcken wird das entwickelte Modell zur Bestimmung der Längsspannungen in einem kontinuierlichen Walzprozess verwendet, um zu untersuchen welche Längsspannungen sich während des Walzprozesses in einem Draht-Fertigblock mit festen Drehzahlverhältnissen ergeben. Dabei werden die Auswirkungen verschiedener Störgrößen anhand von Temperatur-, Werkstoff- und Querschnittsschwankungen diskutiert. Als Ergebnis der durchgeführten Arbeiten stehen Rechenmodelle für unterschiedliche Walzprozesse zur Verfügung, die eine gezielte und schnelle Simulation dieser Prozesse erlauben und somit zur Prozessoptimierung, sowohl im Anlagenbau als auch bei Anlagenbetreibern zielführend eingesetzt werden können.
The presented thesis extends the calculation methods for rolling processes which are known today. Introductory remarks are given on the meaning of the rolling process for the manufacturing industry, which are proven by updated production statistics from the German steel industry. Further introductory chapters cover the fundamental principles of deformation calculation and pass schedule design, as well as material modeling with the help of flow curve functions. The next part deals with models for flat rolling processes. At first, the basic theory of the roll gap is shown. After that, models for the rolling process which are known as of today are discussed. Advantages and disadvantages of the models are shown and areas of application are given for each of the models. Based on Ren, Tieu et al., a two-dimensional rolling model for flat sections is developed. The calculation of the stress field is based on an extension of von Karman’s equation with a second ordinary differential equation in the lateral direction. The general velocity field for flat rolling is developed for the plain strain case, as well as for the three-dimensional case with lateral spread. In each of the cases, parallelepipedic deformation is assumed. The stress and velocity models are combined, as to use the calculated relative motion for a criterion of shear stress distribution on the contact surface. The calculation of the temperature distribution is accomplished by a finite difference model in the vertical and lateral directions. With this model, the calculation of the two-dimensional temperature field in the roll gap during and between rolling passes can be carried out. For all continuous multi-stand rolling procedures, interstand tensions are an essential problem. A model is developed, which allows the calculation of roll gap kinematics under the influence of interstand tensions, as well as the direct calculation of interstand tensions for a given configuration of roll speeds. For rolling processes in which lateral spread can be disregarded, the linearized model can be easily applied as a matrix inversion technique. To benefit from the new two-dimensional rolling model, submodels for work and backup roll deformations are worked out for two- and four-high rolling stands. For the three-dimensional roll flattening, a model based an Boussinesq’s problem is formulated. Equations due to Berger and Hacquin are used for the calculation of roll flattening for a work roll of finite diameter. Therefore, roll flattening caused by a two-dimensional stress distribution can be calculated including the interdependency of the stress and deformation distributions. In different works by other authors, only one-dimensional or constant roll force distributions have been considered. The deflections of work and backup rolls are calculated using a finite beam element model, taking into account the contact phenomena between those rolls. In addition to the mechanical roll deformation effects, also thermal crown of the work rolls is considered. A two-dimensional finite difference method is constructed for the nonsteady temperature field evolution during a rolling procedure. Radial and axial heat fluxes are accounted for with the finite difference model. Azimuthal averaging according to Robinson and De Hoog is used to find the boundary conditions at the roll surface, taking tangential heat fluxes in the surface-near areas into consideration. With this approach, the axisymmetric heat equation is solved for the work roll under non-axisymmetric boundary conditions. Additionally, work roll wear is considered as an important effect controlling the lateral thickness profile of rolled flat products, using the model according to Castaeneda et al. Employing the main rolling model and the submodels, influencing methods on the thickness profile are discussed. Geometrical and mechanical influencing measures with work roll bending, static roll cambers and the CVC technology are shown exemplarily. The modeling of local spread in flat rolling is discussed, which is an important and very difficult topic for the flatness prediction of rolled products. At first, a phenomenological approach is shown with a simple correction factor for local spread. For a physical method of flatness calculation, an upper bound approach originally due to Elsen is employed with different friction factors for hot and cold rolling. Lateral spread in rolling is discussed in a dedicated chapter because of its high importance for both flat and section rolling. A number of spread models are investigated in terms of their differential behaviour, so the applicability of these models for spread prediction in the roll gap can be evaluated. Empirical relations are used, as well as a simplified plasticity approach to the lateral spread by Domanti et al. The next chapter is dedicated to models for full section rolling. Important groove shapes and methods for calculating full section passes are discussed. A new rolling model for the three-roll rolling process is developed. This model allows the calculation of stress distribution, roll force, torque and forward slip for flat passes, employing elementary methods in the same way as it is done in the two-roll rolling process. Lendl’s equivalent pass method is transferred to the three-roll rolling process as to enable the systematic calculation of section passes with any groove geometry. The model for interstand tensions as developed for flat rolling is transferred to full section rolling in a generalized manner. As lateral spread cannot be disregarded in section rolling and is a function of the unknown interstand stresses, the linearized model cannot be applied. Instead, the complete model system for section rolling is solved using a nonlinear optimization technique to find the unknown interstand tensions. As a special rolling technique, roll drawing of wire rod is dealt with. Based on the torque equilibrium in the roll gap, it is shown how the elementary rolling theory can be used to construct a model for roll drawing. With this new mechanical model, the roll force and drawing force can be calculated. The model predicts the existence of a neutral point near the center of the deformation zone. In the final chapter, the models which were developed are applied to typical problems from rolling mill practice. In hot rolling of strips, a simulation of a finishing train of a wide hot strip mill is carried out. It is shown, which thickness and flatness deviations can be expected unter certain circumstances. The effect of thermal work roll crown is shown and how the CVC technology can help to reach close tolerances in hot strip production. For cold strip rolling, the impact of tensions on profile and flatness is shown by calculations, as well as the effect of work roll bending to decrease thickness and flatness variations. For full section rolling, it is shown how a pass design can be constructed in a flexible way, so that a number of different materials can be rolled without change of the pass design, avoiding rolling faults. This is shown for a bar mill as an example. In another study for full section rolling, the possibilities of sizing and free size rolling are investigated by calculations for two different layout variants of a bar mill. It is shown that the application of a three-roll sizing mill leads to a greater flexibility in section fault homogenization, compared to the two-roll sizing process. Additionally, it is shown that the rolling process in a ten stand finishing block of a wire rod mill can be stabilized when a defined entry cross section for the finishing block is produced by means of three-roll sizing. Finally, the rolling process in a finishing block is analyzed more in detail. The model for interstand tensions at section rolling is applied to the finishing block. It is shown how different interferences such as temperature, cross section and material variations affect the rolling process in the finishing block. The result of the work carried out is a new set of rolling models which can be applied for a targeted process simulation and optimization of rolling processes. The application range of these models extends to both the mill building and the rolling mill industries.

Zitieren

Zitierform:
Zitierform konnte nicht geladen werden.

Rechte

Nutzung und Vervielfältigung:
Alle Rechte vorbehalten