Handlungsrahmen der Arbeitsmarktpolitik vereinfachen und verstetigen – Stabilisierung und Wandel von Beschäftigungsstrukturen gleichgewichtig fördern

Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales am 5. Juli 2010 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein „Beschäftigungschancengesetz“ (Drucksache 17/1945 v. 7.6.2010)

Vorbemerkung
Angesichts des „Sammelcharakters“ des zu beratenden Gesetzes nimmt diese Stellungnahme nur Bezug auf diejenigen Instrumente, zu denen Vorarbeiten des Autors bzw. aus seinem unmittelbaren Arbeitsumfeld vorliegen. Es wird auch nicht eingegangen auf diejenigen Instrumente, die zum Jahresende auslaufen und deren Verlängerung im Gesetzentwurf nicht vorgesehen ist.
Da unmittelbar vor der Anhörung Änderungsanträge der Fraktionen eingebracht wurden, die bei der Erarbeitung der Stellungnahme noch nicht vorlagen, nimmt die vorliegende Fassung diese teilweise auf und weicht insofern von der in Ausschussdrucksache 17(11)219 – im Übrigen verstümmelt – dokumentierten Fassung ab.

    Zusammenfassung
  1. Die Verlängerung der Sonderregelungen zum Konjunktur-Kurzarbeitergeld und die Gleichstellung des Saison-Kurzarbeitergeldes hinsichtlich dieser Regelungen werden befürwortet. Die Regelungen haben weit über ihre unmittelbare Inanspruchnahme hinaus dazu beigetragen, den Arbeitsmarkt in einem unerwarteten Ausmaß gegenüber der Wirtschaftskrise zu stabilisieren. Allerdings sollte der Anreiz, Kurzarbeit für Qualifizierungen zu nutzen, gestärkt werden. Sollten diese Regelungen 2011 nicht mehr gebraucht werden, ist ihre Verlängerung unschädlich.
  2. Die geplanten Neuregelungen zu den Transferleistungen (Beschäftigtentransfer) gehen überwiegend an der betrieblichen Verhandlungsrealität und an der Realität der Förderung in Transfergesellschaften vorbei. Sie sind rechtspolitisch fragwürdig, weil sie darauf hinauslaufen, dass die Arbeitsagenturen in die autonomen Verhandlungen der Betriebsparteien eingreifen sollen. Sie sind arbeitsförderungsrechtlich problematisch, weil im Ergebnis förderungsbedürftige Arbeitnehmer von der Förderung ausgeschlossen werden aufgrund von Umständen, die sie nicht beeinflussen können. Dadurch wird das Transfer-Kurzarbeitergeld implizit umgewandelt von einer Anspruchsleistung der Arbeitnehmer zu einer Ermessensleistung für Arbeitgeber. Viele der geplanten Detailregelungen würden den Beschäftigtentransfer für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer weniger attraktiv machen, so dass bei ihrer Realisierung zu erwarten ist, dass die Teilnehmerzahlen weiter sinken. Statt des Versuches, den Beschäftigtentransfer stärker aus den Arbeitsagenturen heraus zu kontrollieren und zu steuern und damit die Teilnehmer in eine potenzielle Konfliktsituation zwischen zwei Dienstleistern zu bringen, sollten die Fachkräfte der Agenturen sich unmittelbar an den Dienstleistungsprozessen in den Transfergesellschaften beteiligen und damit zu einer Abstimmung und einem Erfahrungsaustausch auf kollegialer Ebene kommen. Dazu bedarf es keiner gesetzlichen Regelung. Die in ihren zu erwartenden Auswirkungen letztlich restriktiven Regelungen zum Transfer- KuG, das der Bewältigung und Unterstützung des Strukturwandels dient, stehen in auffälligem Missverhältnis zu den Aufwendungen für den Strukturerhalt durch die Sonderregelungen beim Konjunktur- und Saison-KuG. Damit wird ein für die Anpassung des deutschen Erwerbssystems an die Erfordernisse der Zukunft falsches Signal gesendet.
  3. Die Förderung der Weiterbildung älterer Arbeitnehmer in KMU sollte entfristet werden, bis der Weiterbildungsrückstand dieser Zielgruppe deutlich vermindert worden ist.
  4. Die Eingliederungszuschüsse sollten entsprechend der mit den Hartz-Reformen schon einmal gemachten Ansätze konsolidiert werden. Die Beurteilungsmaßstäbe zur Bemessung der Förderkonditionen sollten vereinfacht und so gefasst werden, dass Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt wegen des Alters darin Berücksichtigung finden kann. Ein „Eingliederungszuschuss für Ältere“ als besonders gekennzeichnetes Instrument wirkt dagegen tendenziell eher altersdiskriminierend und sollte daher möglichst bald in der vorgeschlagenen Konsolidierung des Instrumentes aufgehen.
  5. Die im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen vorgesehene Verlängerung des Vermittlungsgutscheins ist zu befürworten. Es ist nicht nachzuvollziehen warum dieses Instrument nach dem Regierungsentwurf ohne weitere Prüfung und Debatte Ende 2010 hätte auslaufen sollen.
  6. Die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer sollte in operativen Details verbessert und entfristet werden.
  7. Generell sollten nur solche Instrumente befristetet werden, die für einmalige Ausnahmesituationen von absehbarer Dauer eingeführt werden. Da der Evaluierungsvorbehalt grundsätzlich für alle Instrumente gilt, bedarf es keiner Befristung, um diesen Vorbehalt zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr zeigt die Praxis, dass befristete Instrumente von vornherein hinsichtlich ihrer Implementation benachteiligt sind. Die Befristung und erst recht die Platzierung in einem Katalog von Sonderregelungen am Ende des Gesetzes stempelt diese Instrumente zu Provisorien, auf die kein Verlass ist und für deren Implementation die Arbeitsagenturen keine besonderen Anstrengungen unternehmen.

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